Rechnungshof: Kritik an ineffizienten Tierschutz-Kontrollen bei Nutztierhaltung

Österreichs Tierschutzkontrollen stehen massiv in der Kritik: Laut dem aktuellen Rechnungshofbericht werden weniger als 2 Prozent der Betriebe jährlich kontrolliert, Missstände nicht ausreichend geahndet und Förderungen fließen trotz Verstößen weiter. Statt Lösungen zu suchen, sollen NGOs, die Missstände aufdecken, kriminalisiert werden. Wo es dringenden Handlungsbedarf gibt und mehr – HIER!

Kälber im Tierschutzhaus

Auf einen Blick:

  • Rechnungshof kritisiert ineffiziente Tierschutzkontrollen: Weniger als 2 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich werden jährlich überprüft, was zu massiven Missständen in der Nutztierhaltung führt.
  • Mangelnde Priorisierung von Tierwohl bei Förderungen: Landwirtschaftliche Fördergelder fließen oft in Projekte, die lediglich Mindestanforderungen erfüllen, ohne das Tierwohl signifikant zu verbessern.
  • Forderungen zur Kriminalisierung von Tierschützer:innen: Bauernbund und ÖVP drängen auf eine Verschärfung des Hausfriedensbruch-Paragrafen, um die Aufdeckarbeit von NGOs zu verhindern.
  • Veraltete Bürokratie und fehlende Datentransparenz: Überbordende Bürokratie und lückenhafte Datensysteme verhindern eine wirksame Überwachung der Nutztierhaltung.
  • Kaum Konsequenzen für Tierschutzverstöße: Sanktionen gegen Verstöße sind gering, nur in seltenen Fällen werden Förderungen vollständig gestrichen.

Neue Aufrufe, um Tierschützer:innen zu kriminalisieren

In trauriger Regelmäßigkeit versuchen Tierschützer:innen durch gezielte Aufdeckarbeit auf das Leid unzähliger Nutztiere aufmerksam zu machen. Schockierende Bilder aus Stallungen, Schlachthöfen und Tiertransporten sind dabei längst zur medialen Selbstverständlichkeit geworden. Befürworter:innen des aktuellen Status Quos sind sie deshalb ein Dorn im Auge.

Zuletzt forderte die Steirische Jungbauernschaft mit einer skurrilen Aktion, das unbefugte Betreten von Stallungen strafbar zu machen. Schwarz maskiert posierten 20 Jungbäuerinnen und Jungbauern als vermeintlich radikale Tierschützer:innen, beschuldigten Tierschutz-NGOs der Profitgier und unterstellten ihnen sogar die beabsichtigte Tötung von Nutztieren – Falschaussagen, die bereits wiederlegt wurden.

Verschärfter Hausfriedensbruch-Paragraf soll Tierschützer:innen zum Schweigen bringen

Besonders Bauernbund und ÖVP forcieren seit Jahrzehnten eine Verschärfung des Hausfriedensbruch-Paragraf §109 im Strafgesetzbuch. Ziel ist es, Missstands-Aufdeckungen durch Tierschützer:innen oder investigative Journalistinnen und Journalisten zu kriminalisieren.

Laut dem aktuellen Gesetz gilt: Wer in eine Wohnstätte unbefugt eindringt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Das unbefugte Betreten von Stallungen hingegen ist straffrei, solange keine Gewalt angewendet oder angedroht wird oder es nicht zu einer Sachbeschädigung kommt. Tierschützer:innen greifen aber natürlich auf friedliche Methoden zurück.

Wie im Türkis-blauen Wahlprogramm damals vorgesehen, versuchte die ÖVP kurz vor der Wahl 2019 deshalb abermals auch das Eindringen in Stallungen sowie dezidiert jegliche unerwünschten Bild- und Tonaufnahmen strafbar zu machen. Glücklicherweise scheiterte damals der entsprechende Antrag.

Doch neu sind solche Forderungen nicht. Seit Jahrzehnten wird versucht, systemische Missstände der Nutztierhaltung unter den Teppich zu kehren, skandalöse Aufdeckungen als unglückliche Einzelfälle abzutun und investigative Tierschützer:innen zu kriminalisieren.

Rechnungshof attestiert Österreich gescheiterte Tierschutzkontrollen und Förderungs-Wirrwarr

Besonders brisant sind diese Angriffe auf Tierschützer:innen vor dem Licht des aktuellen Rechnungshofberichts: Auf über 100 Seiten wird genaustens dargelegt wie überbordende Bürokratie, steinzeitliche Technologien, behördliches Unwissen und zu laxe juristische Vorgaben die Effektivität von Tierschutzkontrollen und -Förderungen zur Nichte machen.

Der Rechnungshof ist Österreichs wichtigstes Kontrollorgan

Der Rechnungshof in Österreich ist eine unabhängige Institution, die die Verwendung öffentlicher Gelder kontrolliert. Er prüft, ob Bund, Länder, Gemeinden und staatliche Unternehmen Steuergelder wirtschaftlich und sinnvoll einsetzen. Auch Organisationen, die viele staatliche Förderungen erhalten, können überprüft werden.

Der Rechnungshof erstellt dabei öffentliche Berichte mit Verbesserungsvorschlägen, die dem Nationalrat und den betroffenen Stellen vorgelegt werden. Dafür darf er alle notwendigen Dokumente, Akten und Rechnungen einsehen, Mitarbeitende befragen etc. Abgesehen davon, wenn er bei einem Missbrauchsverdacht vom Nationalrat mit einer Sonderprüfung beauftragt wird, entscheidet der Rechnungshof selbst was geprüft wird.

Vorneweg: Förderungen und Kontrollen für die Landwirtschaft sind sehr komplex, besonders mit Fokus auf Tierwohl. Die EU macht Gesetze für die Mitgliedsstaaten, der Bund legt sie auf nationales Recht für Österreich um und die Bundesländer sollen die Umsetzung sicherstellen. Auf allen Ebenen sind dabei unterschiedliche Ämter und Behörden involviert mit teils  verschiedenen Zuständigkeiten – dass allein das schon kompliziert genug ist, bezweifelt niemand.

 

Doch der Rechnungshofbericht zeigt auf, an welchen teils lächerlich einfachen Problemen unser aktuelles System scheitert:

Um landwirtschaftliche Förderungen in Österreich zu bekommen, müssen bundeseinheitlich vorgegebene Anforderungen erfüllt werden. Zwar wurden diese Vorgaben 2023 etwas verschärft, doch noch immer werden Projekte mit besonders hohen Tierwohlstandards dabei nicht priorisiert.

Die vom Rechnungshof untersuchten Länder Steiermark und Oberösterreich fördern bisher sämtliche Projekte, die lediglich Mindestanforderungen erreichen und damit nichts zu verbessertem Tierwohl beitragen. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass die Budgets schnell ausgeschöpft waren und aufgestockt werden mussten. Bereits in einem früheren Bericht hat der Rechnungshof deshalb dringend empfohlen, das Länderbudget einzuhalten, indem vorrangig Projekte mit besonders hohen Tierwohlstandards gefördert werden sollen.

Generell gilt in Österreich nur eine mickrige Kontrollquote von 2 Prozent – anders ausgedrückt dauert es 50 Jahre, um jeden landwirtschaftlichen Nutztierbetrieb ein einziges Mal zu kontrollieren!  Bei einer durchschnittlichen betrieblichen Nutzungsdauer von 20 – 40 Jahren für einen Schweinestall ist die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt jemals Tierwohl überprüft wird winzig. Doch wie der Rechnungshofbericht nun zeigt, wird selbst diese winzige Quote nicht erreicht.

Der Rechnungshof kritisierte darüber hinaus scharf die Auswahl der Betriebe, die vor Ort kontrolliert werden sollen. Obwohl beispielsweise für ein höheres Platzangebot als Tierwohl-Maßnahme Förderungen vergeben werden, spielt das bei der Auswahl der zu kontrollierenden Betriebe keine Rolle. Dabei kann gerade diese Maßnahme leicht rückgängig gemacht und der Profit gesteigert werden, indem mehr Tiere auf gleicher Fläche gehalten werden.

Eigentlich existiert in Österreich ein bundesweites Informationssystem, wo auch Daten zu Tierschutzkontrollen eingespeist werden und woraus die Bundesregierung ihre Tierschutzberichte für sich und die EU erstellt. Doch wie der Rechnungshof aufdeckte, ist dieses System lückenhaft und unvollständig. Landes- und Bundesregierungen konnten dem Rechnungshof sogar nicht einmal die genaue Zahl aller Tierhalter:innen in Österreich mitteilen!

Neben unzureichenden Informationen zur Anzahl der Halter:innen wird auch nicht erfasst, ob und wie ein Strafverfahren gegen Missstände ausgegangen ist. Anlassbezogene Tierschutzkontrollen, die beispielsweise durch Hinweise aus der Bevölkerung oder durch NGOs initiiert wurden, verstauben teils als ungesehene „Einzelfälle“ in irgendwelchen Akten – Statistiken der Länder und Transparenz für die Öffentlichkeit fehlen. Und sogar dezidiert bei Kontrollen zu erhebende Daten, wie das Alter eines Stalls, können nicht in das aktuelle System eingefügt werden.

Darüber hinaus und in Zeiten von Digitalisierung und KI kaum zu glauben: in manchen Bundesländern werden für Tierschutzkontrollen teilweise immer noch ausgedruckte Papierformulare per Post an die zuständigen Stellen geschickt, was die Bearbeitung und Auswertung der Daten natürlich erheblich erschwert. Kein Wunder also, dass in den untersuchten Bundesländern Steiermark und Oberösterreich nicht einmal die Hälfte aller Kontrollen fristgerecht bearbeitet werden konnten.

Theoretisch können bei Verstößen gegen Tierwohlstandards und Förderungsbestimmungen alle Unterstützungsgelder gestrichen werde. Der Rechnungshofbericht hat hingegen gezeigt, dass es bundesweit meist gerade mal zu einer mageren Kürzung von 3 % der Fördergelder kommt. Während des gesamten Untersuchungszeitraums von 2018 bis 2022 wurde lediglich eine einzige Person vollständig von Förderungen ausgeschlossen!

Besonders frustrierend: Selbst wenn Kontrollen durchgeführt, Missstände korrekt gemeldet und die Personen dafür verurteilt wurden, erreichen diese Information teils nicht die für Förderungen zuständige Stelle. Selbst an für Tierquälerei verurteilte Tierhalter:innen können daher weiter Tierwohl-Förderungen ausbezahlt werden!

Die zahlreichen Übergangsregelungen und Ausnahmen bei Mindeststandards führen zu einer unnötigen Komplexität, die laut Rechnungshofbericht oft weder von den Tierhalter:innen selbst noch von den Kontrollorganen vollständig überblickt wird.

So ist beispielsweise die Anbindehaltung bei Rindern seit 2005 verboten – dennoch gibt es bis Ende 2029 Ausnahmeregelungen, die es vielen Betrieben ermöglichen, ihre Tiere weiterhin ohne genügend Auslauf und Bewegungsmöglichkeiten zu halten. Auch bei der umstrittenen Schweinehaltung auf Vollspaltenböden gibt es großzügige Ausnahmeregelungen, die das Leid der Tiere unnötig verlängern (lesen Sie HIER wie der Verfassungsgerichtshof die Übergangsfrist zu einem Verbot kippte und warum trotzdem kein Aus der Vollspaltenbodenhaltung in Sicht ist).

Fazit:

Der Bericht des Rechnungshofes zeigt eindrücklich, dass das derzeitige System der Nutztierkontrollen und -Förderungen dringend reformiert werden muss. Eine Vielfalt an unkoordinierten Akteuren und unterschiedlichen Vorgaben führt dazu, dass die ohnehin schon geringen Tierschutzbestimmungen kaum durchgesetzt werden.

Wir fordern daher:

  1. Eine strikte Priorisierung von Projekten, die das Tierwohl nachweislich verbessern.
  2. Häufigere und gezieltere Kontrollen.
  3. Härtere Sanktionen bei Verstößen gegen Tierschutzvorgaben.
  4. Eine Abschaffung von ungerechtfertigten Übergangsregelungen und Ausnahmen.
  5. Transparenz für die Öffentlichkeit statt Kriminalisierung von NGOs.

 

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„Tierschützer kontern Vorwürfen: ‚Völlig absurd‘“. Zugegriffen: 5. September 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.msn.com/de-at/nachrichten/other/tiersch%C3%BCtzer-kontern-vorw%C3%BCrfen-v%C3%B6llig-absurd/ar-AA1pARm1

„Steirische Jungbauern – Stoppt Stalleinbrüche durch radikale Aktivisten“. Zugegriffen: 5. September 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://steirischejungbauern.at/stoppt-stalleinbrueche-durch-radikale-aktivisten/

„Aufdeckungen“. Zugegriffen: 5. September 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://vgt.at/projekte/aufdeckungen/index.php

„ÖVP wollte hastig den Hausfriedensbruch-Paragrafen verschärfen – Gesellschaft – derStandard.at › Panorama“. Zugegriffen: 5. September 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.derstandard.at/story/2000109464835/oevp-wollte-hastig-den-hausfriedensbruch-paragrafen-verschaerfen

„Kriminalisierung der Tierschützer – Österreich – derStandard.at › Panorama“. Zugegriffen: 5. September 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.derstandard.at/story/1304553706799/das-aktuelle-buch-kriminalisierung-der-tierschuetzer

Rechnungshof, „Landwirtschaftliche Nutztierhaltung – F­örderungen und Tierschutzkontrollen“, 2024. [Online]. Verfügbar unter: www.rechnungshof.gv.at

 

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