ERFOLG: Abschuss von Wolf in Bludenz verhindert

Anfang des Jahres erhitzten Aufnahmen eines verirrten wolfähnlichen Tiers die Gemüter in Vorarlberg. Wie auf unsere Beschwerde hin, der Abschuss verhindert wurde und mehr – HIER!

Wolf

Auf einen Blick:

  • Ein vermeintlicher Wolf, der sich an den Stadtrand von Bludenz verirrt hatte, sollte getötet werden
  • Auf unsere Beschwerde hin, prüfte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg den Fall und entschied, dass ein Abschuss ungerechtfertigt sei
  • In Österreich werden Umwelt-NGOs immer noch um ihre Rechte bei Umweltangelegenheiten gebracht

Vermeintlicher Wolf sollte rechtswidrig abgeschossen werden

Ein vermeintlicher Wolf irrte Ende Jänner 2024 durch den Stadtrand von Bludenz und wurde dabei von einem Autofahrer gefilmt und verfolgt. Das gestresste Tier versuchte dem Motorenlärm und Scheinwerferlicht zu entkommen und wirkte verloren und verängstigt in der städtischen Umgebung. Dennoch wurde es über die Bezirkshauptmannschaft von der Landesregierung unmittelbar zum Abschuss freigegeben.

Wölfe sind selten und streng geschützt. Immer noch leben in ganz Österreich keine hundert Tiere, der Erhaltungszustand des ökologisch so wertvollen Tieres ist daher hierzulande sehr schlecht. Vor allem die illegale, europäische Naturschutzgesetze missachtende Bejagung macht ihren Beständen schwer zu schaffen. Dabei müsste laut europäischem Recht, entsprechend der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, jede Wolfstötung im Einzelfall geprüft und durch das Versagen anderer Hilfsmittel gerechtfertigt werden.

Für den Fall in Bludenz haben wir daher zusammen mit einer anderen Umwelt-NGO Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg eingereicht und darauf hingewiesen, dass der Schutz des Wolfes auch in besiedelten Gebieten gewährleistet werden muss. Zu diesem Schluss kam bereits der Europäische Gerichtshof in einem Urteil von 2020 (Rechtssache C-88/19 (ECLI:EU:C:2020:458)). Zwei von uns eingeholte und dem Gericht vorgelegte Gutachten stellten außerdem fest, dass der vermeintliche Wolf auch ein Hund sein könnte.

Würden Sie den Unterschied erkennen? Kleiner Tipp, nur das letzte Bild zeigt einen echten Wolf:

Aufhebung des Abschussbescheides ist ein Erfolg für den Artenschutz

Das Gericht bestätigte nun entsprechend der Vorjudikatur des Europäischen Gerichtshofs: Ein durchwandernder Wolf, der sich nachts in eine Stadtsiedlung verirrt, ist weiterhin geschützt und stellt keine automatische Bedrohung für uns Menschen dar. Dass Wölfe, wie andere Wildtiere, nachts leere Straßen nützen sei demnach kein Grund, sie zu töten.

Außerdem seien entsprechend der europäischen Gesetze, vor der Tötung eines streng geschützten Tieres alle anderen Hilfsmittel anzuwenden. Für einen Wolf bedeute dies das Besendern (um die Bewegungsdaten kontrollieren zu können) und Vergrämen. Beides wurde in Bludenz nicht einmal in Betracht gezogen, bevor das Tier zum Abschuss freigegeben wurde. Der Abschussbescheid wurde deshalb aufgehoben.

Dass der Wolf in Bludenz nicht einfach geschossen werden darf, ist ein Erfolg! Es zeigt, dass Natur- und Artenschutz auch in Österreich rechtlich durchgesetzt werden können. Das Österreich konsequent gegen Artenschutzmaßnahmen verstößt, ist aber leider traurige Realität. Nicht nur der Wolf, sondern auch andere streng geschützte Tiere (z.B. Fischotter und Eichelhäher) werden in vielen Bundesländern pauschal und ohne Einzelfallprüfung getötet.

Behörden umgehen Umweltorganisationen mit Verordnungen

Um zu verhindern, dass anerkannte Umweltorganisationen (wie Tierschutz Austria) juristisch gegen den Abschuss von Wolf und Co. vorgehen, wird versucht, uns die Mitsprache bei Umweltschutzbelangen zu verweigern, die wir laut der sogenannten Aarhus Konvention haben müssten. Indem statt Bescheiden, Verordnungen zur Tötung der Tiere erlassen werden hebelt man unsere Rechte aus und verstößt wissentlich gegen geltendes EU-Recht. Die EU ermittelt deshalb bereits mit einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich.

Auch aufgeweichter Schutzstatus würde für Österreich nichts ändern

Aktuell wird leider außerdem auf EU-Ebene angestrebt, den strengen Schutzstatus des Wolfes zu senken. Für Österreich würde das vorerst aber nichts an seinen Schutzverpflichtungen ändern, denn mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie haben wir uns dazu verpflichtet, einen günstigen Erhaltungszustand der Tiere in Österreich zu ermöglichen. Bevor dieser nicht erreicht ist, dürfen auch weniger streng geschützte Arten nicht ohne weiteres getötet werden (lesen Sie HIER wie die EU-Kommission den Schutzstatus des Wolfes senken will und welche Konsequenzen das hätte).

Für die Tiere bedeuten sowohl Abschussbescheide als auch Verordnungen eine Bejagung. Doch während anerkannte Umweltorganisationen bei Bescheiden mittels einer sogenannten Parteistellung eine gerichtliche Prüfung veranlassen können, wird uns bei Verordnungen dieses europäische Recht verwehrt (lesen Sie HIER mehr). Dass die Behörden keine Freude mit unserer Parteistellung haben, ist wenig verwunderlich: Viele Abschussbescheide wurden in der Vergangenheit aufgehoben, weil die Tötung streng geschützter Tiere voreilig und nicht gerechtfertigt war.

Ein wandernder Wolf ist keine Bedrohung

Um auf den Fall in Bludenz zurückzukommen: Keiner von uns lebt in einem völlig abgekapselten Raum. Um unser eignes Überleben auf diesem Planeten zu sichern, ist es unerlässlich, die Natur und ihre Ökosysteme wiederherzustellen und zu erhalten. Das bedeutet auch, dass aktuell verdrängte Tiere in ihre ursprünglichen Lebensräume zurückkehren dürfen, sollen und müssen. Diese Lebensräume sind aktuell oft getrennt und durch Straßen und Siedlungen zerschnitten.

Wildtierbegegnungen werden mit zunehmender Ausbreitung des Menschen und gleichzeitig stärkeren Naturschutzambitionen wahrscheinlicher. Das kann neben vielen Vorteilen zwar auch Risiken mit sich bringen, für uns besteht durch Wölfe aber keine Gefahr. In tollwutfreien Gebieten gab es trotz teils dichter Wolfsbesiedelung seit Jahrzehnten keine Angriffe auf Menschen (lesen Sie HIER, wie mehr Leute durch Selfies als Wölfe sterben) und Nutztiere können effektiv durch lang erprobte Herdenschutzmaßnahmen geschützt werden. Die Angst vor der Rückkehr der Wölfe ist also völlig unverhältnismäßig.

Abgesehen davon ist ein Wolf nur sehr schwer von wolfsähnlichen Hunderassen zu unterscheiden, wie dem Tschechoslowakischen Wolfshund, dem Tamaskan oder dem Saarlooswolfhund. Bei der hohen Anzahl an Haushunden und dem winzigen Anteil echter Wölfe, ist es um einiges wahrscheinlicher, einem entlaufenden Wolfshund als einem Wolf zu begegnen.

Fazit:

Aktuell versagt Österreich dabei, die eigene Biodiversität zu erhalten und wiederherzustellen. Wölfe sind streng geschützte Tiere und ihr Abschuss muss im Einzelfall geprüft und ausführlich begründet sein. Immerhin hat das Landesverwaltungsgericht in Vorarlberg nun entschieden, dass der Schutz des Wolfes auch in besiedelten Gebieten zu gewährleisten ist.

Umweltrecht gilt auch für Österreich und kann durchgesetzt werden – sofern Umwelt-NGOs nicht durch juristische Schlupflöcher behindert werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Behörden in Vorarlberg in Zukunft ebenfalls auf Verordnungen zurückgreifen, um NGOs juristisch mundtot zu machen.

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„Wolf von Bludenz darf nicht geschossen werden – Panorama – derStandard.at › Panorama“. Zugegriffen: 10. April 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.derstandard.at/story/3000000212889/wolf-von-bludenz-darf-nicht-geschossen-werden

„Vermutlich Wolf im Bludenzer Stadtgebiet unterwegs – Panorama – derStandard.at › Panorama“. Zugegriffen: 10. April 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.derstandard.at/story/3000000205453/offenbar-wolf-in-stadtgebiet-von-bludenz-unterwegs

K. Kotrschal und AG Wildtiere-Forum Wissenschaft & Umwelt, „Positionspapier Wolf Fakten zum Wolf: Die aktuelle Lage in Österreich“, Mai 2023. [Online]. Verfügbar unter: https://baer-wolf-luchs.at/wp-content/uploads/2022/05/OeZ_Wolfsmanagement_Empfehlungen_2021.pdf

„Vorschlag zur Änderung des internationalen Schutzstatus des Wolfs“. Zugegriffen: 10. Jänner 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_6752

„Umweltministerium wirft Bundesländern bei Wolfsabschuss Rechtsbrüche vor – Panorama – derStandard.at › Panorama“.

J. D. C. Linnell, E. Kovtun, und I. Rouart, „Wolf attacks on humans: an update for 2002–2020“, Jän. 2021.

Large Carnivore Initiative for Europe, „Assessment of the conservation status of the Wolf (Canis lupus) in Europe“, Strasbourg, Sep. 2022.

M. Kutal, M. Duľa, A. R. Selivanova, und J. V. López-Bao, „Testing a conservation compromise: No evidence that public wolf hunting in Slovakia reduced livestock losses“, Conserv Lett, 2023, doi: 10.1111/CONL.12994.

Europäische Kommission und N2K GROUP EEIG, „THE SITUATION OF THE WOLF (CANIS LUPUS) IN THE EUROPEAN UNION – An In-depth Analysis“, 2023.

G. Chapron u. a., „Recovery of large carnivores in Europe’s modern human-dominated landscapes“, Science (1979), Bd. 346, Nr. 6216, S. 1517–1519, Dez. 2014, doi: 10.1126/science.1257553.

F. M. Angelici und L. Rossi, Problematic Wildlife II: New Conservation and Management Challenges in the Human-Wildlife Interactions. Springer International Publishing, 2020. doi: 10.1007/978-3-030-42335-3.

IUCN, IUCN SSC guidelines on human-wildlife conflict and coexistence. International Union for Conservation of Nature, 2023. doi: 10.2305/YGIK2927.

J. D. C. Linnell, A. Trouwborst, und F. M. Fleurke, „When is it acceptable to kill a strictly protected carnivore? Exploring the legal constraints on wildlife management within Europe’s Bern Convention“, Nat Conserv, Bd. 21, S. 129–157, Sep. 2017, doi: 10.3897/natureconservation.21.12836.

Europäische Kommission, „Mitteilung der Kommission Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie“, Okt. 2021.

 

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