Auf einen Blick:
- Europäische Gerichtshof: das strenge Wolfsjagdverbot in Österreich gilt und Wölfe sind keine jagdbare Art, solange ihr Erhaltungszustand ungünstig ist
- Unsummen an Steuergeldern fließen in die Abwicklung und Erstellung von rechtswidrigen Wolfs-Abschuss-Verordnungen, statt in Herdenschutz
- Die EU würde Herdenschutz zu 100 % finanzieren, doch Österreich riskiert stattdessen ein Vertragsverletzungsverfahren
- Österreich hat in wenigen Monaten mehr Wölfe rechtswidrig abgeschossen als das wolfsreiche Deutschland in 20 Jahren
Richtungsweisende Urteile des Europäischen Gerichtshofs für den Artenschutz
Letzten Monat fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) gleich zwei richtungsweisende Urteile in Bezug auf Artenschutz und den Erhalt des Wolfs. In einem von uns mit-angestoßenen Verfahren wurde entschieden, dass das geltende Wolfsjagdverbot in vollem Umfang weiterhin aufrecht ist (lesen Sie HIER, wie wir Österreich vor den Europäischen Gerichtshof gebracht haben). Nur wenige Tage später folgte in einem anderen Verfahren die Entscheidung, dass Wölfe nicht als jagdbare Arten in Jagdgesetzen geführt werden dürfen, sofern ihr nationaler Erhaltungszustand als „ungünstig“ eingestuft wird.
In Österreich zählt der Wolf offiziell erst als neu einwandernde Art und hat damit keinen günstigen Erhaltungszustand. Schätzungsweise 1.000 Exemplare müssten für einen günstigen Erhaltungszustand dauerhaft in Österreich leben, Rudel bilden und sich erfolgreich fortpflanzen. Dem gegenüber stehen die nur 104 Tiere, die Österreich im vergangenen Jahr durchwanderten, größtenteils als Durchzügler. Von den 6 im Vorjahr noch nachgewiesenen Rudeln (= Elterntiere mit ihren Jungen), konnten heuer bisher nur noch 3 gefunden werden. Die Angst ist groß, dass die übrigen Opfer von Wildtierkriminalität geworden sind.
Abschüsse statt Herdenschutz kosten Unsummen an Steuergelder
Zahlreiche Europarechtsexperten bekräftigen, dass Österreich spätestens durch diese EuGH-Urteile, von der Abschusstaktik auf professionellen Herdenschutz umschwenken muss, um die Landwirtschaft zu unterstützen und Nutztiere zu schützen. Auch das mantraartig vorgebrachte Abschussargument, Herdenschutz sei unfinanzierbar, wies der EuGH entschieden zurück.
Österreich hat selbst entschieden, den Wolf streng zu schützen
Statt zu versuchen, jeden Wolf abzuschießen, der unzureichend geschützte Tiere verletzen könnte, muss in Österreich endlich die Art von Artenschutz umgesetzt werden, zu der wir uns bereits mit der Berner Artenschutzkonvention und dann erneut mit der darauf aufbauenden Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie bekannt haben. Das bedeutet, erst als letzten Ausweg, wenn alle anderen Maßnahmen gescheitert sind, darf ein Einzeltier getötet werden.
Abkommen zu missachten, oder, wie aktuell auf EU-Ebene versucht wird, hinterher zu ändern, vergeudet lediglich Zeit, Energie und Geld, die besser in Herdenschutzmaßnahmen investiert worden wären (lesen Sie HIER, wie gegen den Willen der Bevölkerung, der Schutzstatus des Wolfes in Gefahr ist). Glücklicherweise werden Urteile, wie die des EuGHs, Vorhaben gegen den Artenschutz deutlich erschweren.
Notwendige Herdenschutzmaßnahmen, wie Zäune, Hirten und Hirtenhunde sowie das Einpferchen in der Nacht, finanziert die EU bis zu 100 %. Österreich müsste dieses Angebot nur endlich nützen. Andere EU-Länder setzen diese Gelder seit Jahren ein. Frankreich forderte für den Zeitraum 2023-2027 beispielsweise ca. 175 Mio. Euro, um das Hirtenwesen bzw. den Herdenschutz auszubauen und zu festigen.
Hingegen sind die Kosten, um die rechtswidrigen Wolfabschüsse in Österreich aufrechtzuerhalten, enorm. Kärnten allein hat durch das Kärntner Alm- und Weideschutz-Gesetz, das aktuell die Grundlage zum Abschuss der Wölfe ist, einen personalmäßigen Mehraufwand von mehr als EUR 177.000 pro Jahr im Vergleich zur vorherigen Rechtslage. Geändert wurde diese ohnehin nur, um uns NGOs dabei einzuschränken, rechtlich gegen Wolfsabschüsse vorzugehen (lesen Sie HIER, wie österreichische Regierungen NGOs um ihre Beteiligungsrechte bringen).
Landesregierungen ignorieren EuGH-Urteil – wir zeigen an
Unsere Empörung war groß, als mehrere Landesregierungen in Anschluss an die Urteilsverkündung des EuGH sogar öffentlich bekräftigten, weiter wie bisher Wölfe abzuschießen und die Landwirtschaft beim Herdenschutz im Stich zu lassen. Nachdem nur wenige Tage später in Tirol mehrere abgestürzte Rinder tot aufgefunden wurden, fiel der Verdacht sofort auf den Wolf. Unverzüglich, ohne Einzelfallprüfung und ohne vorangegangenen ausreichenden Herdenschutz, wurde ein Wolf zum Abschuss freigegeben.
Wir nahmen den konkreten Fall zum Anlass und zeigten u.a. den Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP), Georg Dornauer (SPÖ) und Josef Geisler (ÖVP) wegen Amtsmissbrauch, grob fahrlässiger Schädigung des Tierbestandes einer zu schützenden Art und Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen an. Weitere Anzeigen folgen für die Landesregierungen in Salzburg, Vorarlberg und Kärnten, sofern diese ihr rechtswidriges Handeln nicht endlich einstellen.
In 20 Monaten wurden mehr Wölfe abgeschossen als in Deutschland in 20 Jahren
Deutschland hat eine weit größere Wolfs-Population als wir in Österreich, trotzdem werden weit weniger Wölfe zum Abschuss freigegeben. Über 1.300 Wölfe in über 180 Rudel streiften laut dem bundesweiten, professionellen Wildtiermonitoring durch unser Nachbarland. Im Zuge von Managementmaßnahmen, bei denen ein Tier unbedingt getötet werden muss, wurden seit 1991 nur 17 Wölfe abgeschossen.
In Österreich werden die Zahlen zu den offiziell getöteten Tieren erst seit kurzem öffentlich zugänglich gemacht. Die erschreckende Erkenntnis: Von Beginn 2023 bis Juni 2024 wurden 20 sogenannter „Risiko-„ und „Schadwölfe“ abgeschossen. Die meisten davon in Kärnten und Tirol, wo jeweils heuer kein einziges Rudel nachgewiesen werden konnte. In nicht einmal 20 Monaten haben wir in Österreich also mehr Wölfe getötet, also Deutschland in über 20 Jahren. Das hierzulande nicht einmal versucht wird, andere Lösungen zu finden, ist damit offensichtlich.
Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnden Beteiligungsrechten für NGOs bei Umweltverfahren
Nicht nur, dass durch Österreichs Umgang mit dem Wolf geschützte Tiere abgeschossen, Nutztiere überflüssig in Gefahr gebracht und Steuergeldzahler:innen belastet werden, Österreich droht auch ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission. Sollte Österreich dabei verurteilt werden, wäre ab der Urteilsverkündigung für jeden Tag der Säumnis ein Zwangsgeld zu zahlen (derzeit für Österreich: € 2.788 bis € 167.280 pro Tag) sowie einen Pauschalbetrag für die Nichtumsetzung (derzeit für Österreich: € 2.312.000).
Vertragsverletzungsverfahren im Umweltbereich sind für Österreich aber nichts Neues. Bereits in der Vergangenheit brauchte es oft erst die Androhung von Strafe durch die EU, bis sich Österreich an gemeinsam beschlossene Verträge hielt. Seit 2014 läuft auch bereits ein Vertragsverletzungsverfahren, weil Österreich die Aarhus-Konvention, mit der Personen (in Österreich nur anerkannte Umweltorganisationen) Zugang zu Umweltverfahren bekommen müssten, missachtet (lesen Sie HIER, wie Österreich unsere Rechte bricht).
Erst letzten Juli wurden dann abermals zwei neue Verfahren im Umweltbereich gestartet. Diesmal, weil Österreich Regelungen der Wasserrahmenrichtlinie für saubere Gewässer sowie der Abfallsammel- und Recyclingziele nicht korrekt oder vollständig umsetzt. Wie die Urteile durch den EuGH zeigen, wird es wohl nicht lange dauern, bis auch zum Artenschutz ein Vertragsverletzungsverfahren gestartet wird.
Fazit:
Mit unserem Einsatz für den Wolf kämpfen wir für den gesamten Artenschutz in der EU. Die beiden Urteile des EuGHs sind für alle Mitgliedsstaaten richtungsweisend, dass Artenschutz nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden darf, andernfalls drohen teure Vertragsverletzungsverfahren. Für den Wolf muss Österreich nun endlich professionellen Herdenschutz für seine Landwirtinnen und Landwirte ermöglichen und so den Mensch-Tier-Konflikt entschärfen.
Artenschutz durch ein Bundes-jagdgesetz!
Zusammen mit dem ökologischen Jagdverband, dem VGT und anderen Expertinnen und Experten fordern wir einen strengen Artenschutz in der österreichischen Jagd!
Wenn Sie sich für Artenschutz einsetzen wollen, unterschreiben sie unser Volksbegehren für ein Bundeseinheitliches Jagdgesetz, wo wir auch noch andere wichtige Reformen fordern, um die Jagd ökologisch und tierschutzgerecht zu machen!
Sie wollen unseren WIldtieren helfen?
Unterstützen Sie uns mit einer Spende bei der Pflege unserer Wildtiere in Not oder übernehmen Sie eine individuelle Patenschaft für eines unserer anderen Tiere!
BMUV: Der Wolf in Deutschland. (o. J.). Abgerufen 10. August 2024, von https://www.bmuv.de/themen/artenschutz/nationaler-artenschutz/der-wolf-in-deutschland/ueberblick-der-wolf-in-deutschland
Entnahme Beutegreifer – Österreichzentrum. (o. J.). Abgerufen 10. August 2024, von https://baer-wolf-luchs.at/monitoring/entnahme-beutegreifer
Entwicklung der Wolfspopulation seit 2000 – DBBW. (o. J.). Abgerufen 10. August 2024, von https://www.dbb-wolf.de/Wolfsvorkommen/territorien/entwicklung-diagramm
Herdenschutz mit guten Erfolgen – tirol.ORF.at. (o. J.). Abgerufen 9. August 2024, von https://tirol.orf.at/stories/3216658/
Liebmann, S. (2024). WÖLFE IM RECHT. Johannes Kepler Universität Linz.
Mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich – news.ORF.at. (o. J.). Abgerufen 10. August 2024, von https://orf.at/stories/3364697/
Statistik der Todesursachen – DBBW. (o. J.). Abgerufen 10. August 2024, von https://www.dbb-wolf.de/totfunde/statistik-der-todesursachen
Tierschützer zeigten Landesregierung an – tirol.ORF.at. (o. J.). Abgerufen 9. August 2024, von https://tirol.orf.at/stories/3266732/
Trotz EuGH-Urteil gibt Tirol weiteren Wolf zum Abschuss frei. (o. J.). Abgerufen 9. August 2024, von https://kurier.at/chronik/tirol/trotz-eugh-urteil-gibt-tirol-weiteren-wolf-zum-abschuss-frei/402926455
Wolf – Verbreitung Österreich – Österreichzentrum. (o. J.). Abgerufen 9. August 2024, von https://baer-wolf-luchs.at/verbreitungskarten/wolf-verbreitung