Natur in Gefahr: Wolfdebatte gefährdet hunderte Arten

Artenschutz in Gefahr! Die Europäische Union steht kurz davor, den nächsten Schritt zur Herabstufung des Wolfsschutzes zu gehen. Warum dieses Vorhaben weit über den Wolf hinausgeht, europäische Naturschutzgesetze umschreibt, hunderte Arten gefährdet und mehr – HIER!

Wolf Naturschutz Herdenschutz

Auf einen Blick:

  • Nächster Schritt gegen den Wolf: Die EU wird bei der Berner Konvention einen geringeren Schutzstatus für den Wolf beantragen
  • Europäischer Artenschutz im Visier: Um den Schutzstatus zu senken, muss auch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie aufgeweicht werden, über 400 Arten drohen dadurch ihren Schutz zu verlieren.
  • Trotzdem keine legale Wolfsjagt: Am Wolfsschutz in Österreich wird sich die nächsten Jahre nichts ändern, da trotzdem ein günstiger Erhaltungszustand erreicht und beibehalten werden muss
  • Landwirtinnen und Landwirte unter Druck: durch einen geringen Wolf-Schutzstatus könnten Förderungen für Herdenschutz weiter erschwert bzw. gekürzt werden

Naturschutzgesetze zu ändern, bringt zahlreiche Arten in Gefahr

Entgegen starken Protesten von Wissenschaft und NGOs ist die EU den nächsten Schritt gegangen und will den Wolfsschutz in der Berner Artenschutzkonvention senken. Indem in weiterer Folge jahrzehntelang erprobte Gesetze umgeschrieben werden sollen, kann die Wolfsdebatte zum Angriffspunkt für den gesamten europäischen Naturschutz werden.

September 2022 tötete ein Wolf das ungeschützte Pony Dolly von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ob das, oder der Druck ihrer Parteikolleginnen und Kollegen aus der Europäischen Volkspartei (= EU-Fraktion, der auch die ÖVP angehört) letztlich den Anlass gegeben hat, kann nur spekuliert werden.

Fest steht, dass Kommissionspräsidentin von der Leyen noch im selben Jahr eine leichtere Bejagung des Wolfs forderte und die EU mittlerweile im Eiltempo mehrere Schritte in diese Richtung gegangen ist.

Dabei wurde erst in diesem Sommer abermals von Europäischen Gerichtshof bestätigt, dass der Wolf nicht bejagt werden darf, solange sein nationaler Erhaltungszustand ungünstig ist. Auch ein geringerer Schutzstatus ändert daran nichts (lesen Sie HIER, wie wir einen der EuGH-Prozesse angestoßen haben und was die Urteile für den Artenschutz bedeuten).

Wie viele gefährdete Arten, ist der Wolf durch unterschiedliche Gesetze geschützt. Um den Wolfsschutz zu senken, müssen neben der Berner Konvention in zukünftigen Schritten auch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der EU, die nationalen Naturschutzgesetze und teils auch Jagdgesetze verändert werden. Das ist ein langer und aufwendiger Prozess, der noch Jahre dauern wird. Versprechen von Politiker:innen, den Wolf bald leichter bejagen zu dürfen, sind also schon allein bürokratisch nicht umsetzbar (lesen Sie HIER unser neustes Experteninterview und erfahren Sie, warum Herdenschutz die Zukunft des Wolfsmanagements ist).

EU möchte jahrzehntelang erprobte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie aufweichen

Doch die Auswirkungen für den europäischen Artenschutz könnten fatal sein. Ein entscheidender Pfeiler für den Schutz unserer Natur ist die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Sie zählt seit über 30 Jahren zu den entscheidenden Naturschutzgesetzen Europas und ist Grundlage für die meisten nationalen Naturschutzgesetze. Um den Schutzstatus des Wolfes zu senken, könnte genau dieser Schutzwall fallen.

Bisher kann in der FFH-Richtlinie der Schutzstatus von sogenannten „streng geschützten Arten“ nur bei Einstimmigkeit aller EU-Mitgliedsstaaten gesenkt werden kann. Dies gilt also nicht nur für den Wolf, sondern beispielsweise für seltene Schmetterlinge, Feldhamster, Ziesel, Fischotter und viele mehr.

  • EU will einen Antrag bei der Berner Konvention einreichen, dieser muss diskutiert und abgestimmt werden.

Zuletzt einigten sich die EU-Umweltminister:innen der Mitgliedsstaaten darauf, bei der 44. Sitzung des Ständigen Ausschusses der Berner Konvention im Dezember 2024 einen Antrag zur Herabstufung des Wolfsschutzstatus einzureichen. Der Ständige Ausschuss wird darüber diskutieren und abstimmen.

Um eine tatsächliche Änderung vorzunehmen, muss die Mehrheit der 49 Staaten plus die Europäische Union als eigenes Mitglied zustimmen. Interne Personen gehen jedoch davon aus, dass dieses Vorhaben durchgebracht wird.

  • Die FFH-Richtlinie droht geändert zu werden, um den Schutzstatus zu senken

Für eine Schutzstatusveränderung muss in der FFH-Richtlinie der Artikel 19 berücksichtigt werden. Dieser besagt, dass der Rat der EU-Mitgliedsstaaten bei streng geschützten Arten (also jenen, die im Anhang IV der FFH-Richtlinie gelistet sind) einstimmig zustimmen muss.

Um den Schutzstatus des Wolfes zu senken, soll Artikel 19 der FFH-Richtlinie an den Vertrag von Lissabon angepasst werden, um neben dem Rat der Europäischen Union auch das Europäische Parlament zu beteiligen. Damit ist künftig zwar eine weitere EU-Instanz eingebunden, doch wird auch die notwendige Einstimmigkeit des Rats gestrichen. Gewöhnliche Mehrheiten in Rat und Parlament könnten dann für eine Schutzstatusänderung unliebsamer Arten genügen und den Artenschutz stärker, denn je von politischen Machtverhältnissen abhängig machen.

Anders als für „geschützte Arten“ gelten bei einem strengen Schutzstatus besondere Auflagen für die Tötung der Tiere, etwa, dass anderweitige zufriedenstellende Lösung zuvor ausgeschöpft sein müssen. Für den Wolf wäre das beispielsweise präventiver Herdenschutz. Diese strenge Regelung ist einer der entscheidenden Gründe, wieso in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Arten ein Comeback feiern konnten.

Da es für die EU-Länder bisher schwierig ist, den rechtlichen Schutz zu senken und damit diese besonderen Auflagen zu umgehen, hatten NGOs in der Vergangenheit die Möglichkeit, die Tötung vieler gefährdeter Tiere abzuwenden. Heute wissen wir, dass durch die strenge FFH-Richtlinie trotz weltweiter Biodiversitätskrise zahlreiche Arten vor der Ausrottung bewahrt wurden.

Wolfsjagd bleibt verboten und Landwirtinnen und Landwirte verlieren Förderungen

Für den Wolfsschutz in Österreich würde ein herabgesetzter Schutzstatus nichts an der Bejagung ändern. Obwohl zahlreiche Politker:innen und Wolfsgegner:innen gerne behaupten, dass bald die Wolfsjagd eröffnet wird, muss entsprechend der nationalen und europäischen Naturschutzgesetze ein günstiger Erhaltungszustand der Tiere angestrebt und beibehalten werden – auch im Falle eines niedrigeren Schutzstatus. Von den dafür in Österreich notwendigen mehreren Hundert Wölfen bzw. einigen dutzend etablierten Rudeln sind wir noch weit entfernt.

Anerkannte Umweltorganisationen, wie Tierschutz Austria, haben laut der sogenannten Aarhus Konvention das Recht auf Mitsprache bei Umweltangelegenheiten. Die Aarhus-Konvention ist ein internationales Abkommen, und soll sicherstellen:

  • Zugang zu Umweltinformationen: Anerkannter UmweltNGOs haben das Recht, von Behörden Umweltinformationen zu erhalten, z.B. über Luftverschmutzung oder Wasserqualität.
  • Beteiligung der Öffentlichkeit: NGOs dürfen bei umweltrelevanten Projekten (z.B. Bau eines Kraftwerks) mitreden und Einwände einbringen.
  • Zugang zu Gerichten: NGOs können klagen, wenn Umweltgesetze verletzt werden, wie z.B. bei unzureichender Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projekts.

Leider wird genau dieses Recht in Österreich nach wie vor gebrochen! Lesen Sie HIER mehr, wie Österreich unser Mitspracherecht missachtet und warum den österreichischen Steuerzahler:innen deswegen Strafen in Millionenhöhe drohen.

Allerdings würde die in der FFH-Richtlinie genannte Verpflichtung nach ausgeschöpften Alternativlösungen zu Abschüssen wegfallen und könnte damit gravierende finanzielle Folgen für Landwirtinnen und Landwirte haben. Ohne die juristische Notwendigkeit für präventive Mittel bestünde schließlich auch kein Grund, Herdenschutz durch die Regierungen finanziell zu fördern.

Herdenschutz ist essenziell für Tierwohl, nicht nur, um Risse durch große Beutegreifer, sondern auch, um die weit schwerwiegenderen Verluste durch Abstürze, Krankheiten und Unwetter zu verringern. In Österreich arbeiten deshalb zahllose NGOs daran, die Politik dazu zu bewegen, endlich die bestehenden europäischen Fördermittel für Herdenschutz den Landwirtinnen und Landwirten zur Verfügung zu stellen.

Fazit:

Sollte die EU einer Herabstufung des Wolfes zustimmen, hätte dies weitreichende Folgen für den europäischen Artenschutz und wäre ein fatales Signal an alle Mitgliedstaaten. Damit steht das Vertrauen in die EU-weiten Bemühungen zum Erhalt der Biodiversität auf dem Spiel.

Wir setzen uns weiter dafür ein, dass der Schutzstatus des Wolfs sowie die strengen europäischen Naturschutzgesetze erhalten bleiben. Entscheidungsträger:innen müssen endlich wissenschaftliche Erkenntnisse und das langfristige Wohl von Natur und Mensch in den Vordergrund zu stellen – denn unsere Zukunft darf nicht verhandelbar sein.

Wenn Sie noch mehr erfahren wollen, können Sie bis 26.10.2024. unsere Diskussion zum Thema in der ORF-Mediathek nachschauen:

Zum Stream

Artenschutz durch ein Bundes-jagdgesetz!

Zusammen mit dem ökologischen Jagdverband, dem VGT und anderen Expertinnen und Experten fordern wir einen strengen Artenschutz in der österreichischen Jagd!

Volksbegehren unterstützen! 

Wenn Sie sich für Artenschutz einsetzen wollen, unterschreiben sie unser Volksbegehren für ein Bundeseinheitliches Jagdgesetz, wo wir auch noch andere wichtige Reformen fordern, um die Jagd ökologisch und tierschutzgerecht zu machen!

Sie wollen unseren WIldtieren helfen?

Unterstützen Sie uns mit einer Spende bei der Pflege unserer Wildtiere in Not oder übernehmen Sie eine individuelle Patenschaft für eines unserer anderen Tiere!

 

Europäischer Gerichtshof. (2024, Juli 29). Vorlage zur Vorabentscheidung – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43/EWG – Art. 2, 4, 11, 12, 14, 16 und 17 – Strenges Schutzsystem für Tierarten – Canis lupus (Wolf) – Jagdliche Nutzung – Bewertung des Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art -Erhaltungszustand ,ungünstig – unzureichend‘ der betreffenden Art – Mit der Wahrung oder der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser Art unvereinbare Nutzun…. https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=288835&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1

tirol.ORF.at. (2023, Juli 20). Herdenschutz mit guten Erfolgen. https://tirol.orf.at/stories/3216658/

Illmer, A. (2023). Die Vereinbarkeit von strengem Wolfsschutz und Almwirtschaft im Unionsrecht. https://www.juwiss.de/49-2023/

Kotrschal, K., & AG Wildtiere-Forum Wissenschaft & Umwelt. (2023). Positionspapier Wolf Fakten zum Wolf: Die aktuelle Lage in Österreich. https://baer-wolf-luchs.at/wp-content/uploads/2022/05/OeZ_Wolfsmanagement_Empfehlungen_2021.pdf

Liebmann, S. (2024). WÖLFE IM RECHT. Johannes Kepler Universität Linz.

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Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, Amtsblatt Nr. L 206 vom 22/07/1992 S. 0007 – 0050; Finnische Sonderausgabe: Kapitel 15 Band 11 S. 0114 ; Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 15 Band 11 S. 0114 ; (1992). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:31992L0043

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tirol.ORF.at. (2024, Oktober 1). Almsaison 2024: Mehr Licht als Schatten. https://tirol.orf.at/stories/3275311/

Trotz EuGH-Urteil gibt Tirol weiteren Wolf zum Abschuss frei. (o. J.). Abgerufen 9. August 2024, von https://kurier.at/chronik/tirol/trotz-eugh-urteil-gibt-tirol-weiteren-wolf-zum-abschuss-frei/402926455

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Wolf Alpine Group. (2023). The wolf Alpine population in 2020-2022 over 7 countries. Technical report for LIFE WolfAlps EU project LIFE18 NAT/IT/000972, Action C4.

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