Auf einen Blick
- Abschluss nach 25 Jahren Verhandlungen: Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten steht kurz vor der Ratifizierung und könnte bald in Kraft treten.
- Gewinne auf Kosten von Umwelt und Tieren: Während vor allem die Chemie- und Autoindustrie von den neuen Handelsregeln profitieren, drohen massive Nachteile für Tiere, Umwelt und Menschenrechte.
- Bedrohung für die heimische Landwirtschaft: Die heimische Landwirtschaft gerät durch das Abkommen unter Druck, da Produkte wie südamerikanisches Billigfleisch und mit verbotenen Pestiziden belastete Lebensmittel auf den europäischen Markt gelangen könnten.
- Demokratiepolitisch fragwürdiger Verfahrenstrick: Um das Abkommen trotz Widerstands durchzusetzen, könnte der Vertrag in zwei Teile „gesplittet“ werden, sodass der Handelsteil ohne nationale Parlamente beschlossen wird. Dies birgt weitreichende Risiken für die Demokratie.
- Zeit für klare Positionen: Wir fordern von der Politik eine Ablehnung des Abkommens, solange es Tierschutz- und Umweltstandards unterläuft.
Mercosur-Abkommen überraschend fertig verhandelt
Nach Jahrzehnten zäher Verhandlungen und fünf Jahren Stillstand verkündeten die EU und die Mercosur-Staaten abrupt am 6. Dezember 2024 eine endgültige Einigung über das Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Damit ist das Mercosur-Abkommen offiziell fertig verhandelt. Bevor es in Kraft tritt, muss es allerdings noch ratifiziert, also rechtsverbindlich bestätigt, werden.
- Der Begriff „Mercosur“ steht für den „Mercado Común del Sur“, den Gemeinsamen Markt des Südens, eine 1991 gegründete Zollunion aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, der Ende 2023 auch Bolivien beitrat.Mit rund 278 Millionen Einwohner:innen und 73 Prozent der Fläche Südamerikas ist Mercosur eine der größten Wirtschaftsräume der Welt. Die EU erhofft sich durch das Abkommen Zugang zu diesem riesigen Markt sowie Vorteile für europäische Exportunternehmen. Die geplante Freihandelszone soll Zölle senken und neue Märkte erschließen – allerdings vor allem zugunsten von Großkonzernen.
Billigfleisch gegen Pestizide und Verbrennermotoren
Grundsätzlich können Handelsverträge sinnvoll sein – vorausgesetzt, sie berücksichtigen soziale und ökologische Standards. Das Mercosur-Abkommen priorisiert jedoch wirtschaftliche Interessen von Großkonzernen und riskiert damit massive Risiken für Umwelt, Gesundheit und Tierschutz. Profiteure sind vor allem Auto-, Chemie- und Agrarkonzerne, die von einem erleichterten Handel mit Billigfleisch, Pestiziden, Zucker und Verbrennermotoren profitieren. Passend dazu fanden die Verhandlungen intransparent und mit nicht ausreichender Beteiligung aller Betroffenen statt; wesentliche Details des Abkommens wurden sogar erst durch Leaks bekannt.
Die Kehrseite dieses Deals könnte bedeuten, dass Tierleid, Umweltzerstörung und Gesundheitsgefahren erheblich zunehmen, während die Klimakrise weiter angeheizt wird. Kritische Punkte sind:
- Pestizide, die in Europa verboten sind
Chemieunternehmen wie Bayer nutzen bereits bestehende Regelungslücken, um gefährliche Pestizide in Länder mit schwachen Umweltauflagen zu exportieren. Diese Gifte finden vermehrt Anwendung in Südamerika, mit verheerenden Folgen für Umwelt, Grundwasser und die Gesundheit der Bevölkerung. Durch das Mercosur-Abkommen könnten Lebensmittel, die mit diesen Schadstoffen behandelt wurden, wieder auf den europäischen Markt gelangen. - Billigfleisch bedroht Umwelt und Landwirtschaft
Durch das Abkommen wird der Import von Rindfleisch und Soja aus Südamerika in die EU erleichtert. Beides ist eng mit Umweltzerstörung, wie der Abholzung des Regenwaldes, und niedrigen Produktionsstandards verbunden. Praktiken wie der Einsatz von Antibiotika und hormonellen Futterzusätzen sind in Europa verboten, doch in Südamerika Alltag. Dieses Billigfleisch gefährdet nicht nur den Tierschutz, sondern auch die Existenz heimischer Bäuerinnen und Bauern, die unter dem Preisdruck zu leiden haben.
Das 2022 beschlossene EU-Waldschutzgesetz weist erhebliche Lücken auf, die das Mercosur-Abkommen verschärfen könnte. Zum einen sind die Kontrollmechanismen fragwürdig, nach denen Importe aus gerodeten Wäldern verboten werden sollen.
Zum anderen schützt es nicht alle waldähnlichen Ökosysteme wie den Gran Chaco oder den Cerrado, die artenreichste Savanne der Welt. Diese Lebensräume sind essenziell für das Weltklima und werden weiterhin für die Produktion von Soja und Rindfleisch zerstört.
Außerdem greift das EU-Waldschutzgesetz nicht bei der Nachhaltigkeit verwendeter Futtermittel. Die Rinder, deren Billigfleisch nach Europa exportiert werden soll, werden dadurch weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Kraftfutter gefüttert, dass auf illegal abgeholzten oder abgebrannten Waldflächen angebaut wurde.
- Klimaschädliche Verbrenner statt nachhaltiger Mobilität
Während die EU ab 2035 das Ende von Verbrennungsmotoren plant, könnten europäische Automobilhersteller durch das Mercosur-Abkommen weiterhin klimaschädliche Fahrzeuge nach Südamerika exportieren. Das verlängert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und sabotiert eine grüne Wende.
Politischer Schachzug soll Abkommen durchsetzen
Bisher müssen gemischte Abkommen, die sowohl in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union als auch in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, einstimmig von allen EU-Mitgliedsstaaten sowie von einer einfachen Mehrheit im Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten bestätigt werden. Ein einziges Veto eines Mitgliedsstaats kann also ausreichen, um das Inkrafttreten eines solchen Vertrags zu verhindern.
Derzeit lehnen vor allem Polen und Frankreich das Abkommen offen ab, während Länder wie Deutschland, Spanien und Portugal es entschieden unterstützen.
In anderen Staaten, darunter auch Österreich, ist die politische Meinung gespalten. Zuletzt wurde das Abkommen hierzulande noch abgelehnt, da die Regierung durch einen Parlamentsbeschluss von 2019 verpflichtet wurde, die damalige Version des Vertrags nicht zu unterstützen.
Sollte der Vertrag jedoch wesentlich verändert werden, könnte diese Entscheidung aufgehoben werden. Stimmen dafür werden vor allem aus dem Wirtschaftssektor laut.
Während die EU-Kommission lange betonte, einen Konsens aller Mitgliedsstaaten anstreben zu wollen, zeigt das abrupte Ende der Vertragsverhandlungen eine neue Strategie: Um den Widerstand einzelner Länder zu umgehen, ist zunehmend wahrscheinlich, dass der Vertrag „gesplittet“ wird. Der politische Teil, das sogenannte Assoziierungsabkommen, würde demnach separat vom wirtschaftlichen Teil, dem Handelsabkommen, behandelt werden. Letzteres könnte dann durch eine qualifizierte Mehrheit im EU-Rat und eine einfache Mehrheit im EU-Parlament beschlossen werden.
- EU-Teil (Handelsabkommen)
Dieser Teil umfasst die Bereiche, die ausschließlich in die Zuständigkeit der EU fallen, wie etwa Zölle, Marktzugang, Wettbewerbspolitik und andere handelspolitische Fragen.
Der EU-Teil könnte ausschließlich auf EU-Ebene verabschiedet werden, ohne dass die nationalen Parlamente zustimmen müssen. En Veto eines einzelnen Mitgliedsstaats wäre damit nicht mehr möglich.
- Gemischter Teil (z. B. Investitionsschutz, Nachhaltigkeitskapitel)
Dieser Teil würde Themen abdecken, die in die geteilte oder nationale Zuständigkeit fallen, wie Investitionsschutz, geistiges Eigentum, öffentliche Beschaffung oder Umwelt- und Sozialstandards.
Dieser Teil müsste weiterhin als gemischtes Abkommen behandelt werden, das die Zustimmung sowohl der EU-Institutionen als auch der nationalen Parlamente erfordert.
Diese Vorgehensweise ist demokratiepolitisch höchst problematisch und könnte ein gefährlicher Präzedenzfall sein. Ein solcher „Verfahrenstrick“ könnte künftig öfter angewendet werden, um bestehende demokratische Prozesse zu umgehen. Das trifft letztlich uns alle: Auch Mitgliedstaaten, die heute vom Splitting profitieren, indem ihre Interessen durchgesetzt werden, könnten bei zukünftigen Entscheidungen selbst benachteiligt werden.
Fazit:
Das Mercosur-Abkommen zeigt, wie kurzfristige Wirtschaftsinteressen den Schutz von Umwelt, Klima und Tieren gefährden können. Es bietet Vorteile für wenige Großkonzerne, während langfristige Schäden für Mensch, Tier und Natur ignoriert werden. Wir fordern eine klare Ablehnung dieses Vertrags und plädieren für eine Handelspolitik, die ökologische und soziale Verantwortung in den Mittelpunkt stellt. Nur so können wir globale Herausforderungen wie den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität nachhaltig angehen.
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