GAP-Strategieplan braucht größeren Fokus auf Klima-, Umweltschutz und Tierwohl
Der bei der Europäischen Kommission eingereichte österreichische Strategieplan für die Umsetzung der gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) kam Ende März nach genauer Begutachtung mit einem 32-seitigen „Observation Letter“ und 251 Anmerkung zurück. Empfohlen wurden unter anderem eine stärkere Pestizidreduktion und größerer Fokus auf Klima- und Umweltschutz. Tierwohl hat das österreichische Landwirtschaftsministerium nicht einmal definiert. Wir forderten daher alle Parteien auf, im Agrarministerrat am 6. Mai den österr. GAP Strategieplan gemäß dem Observation Letter“ und seinen 251 Anmerkung der EU-Kommission ins Visier zu nehmen.
Was ist GAP eigentlich und welche Ziele werden damit verfolgt?
GAP steht für die Gemeinsame Agrarpolitik – „Gemeinsam“, weil es die gesamte EU betrifft und „Agrarpolitik“, weil dort die Rahmenbedingungen und die Gesetze für die Landwirtschaft festgelegt werden. Seit 1962 treffen sich die Mitgliedsländer, um gemeinsam über die Ziele der GAP zu entscheiden [1]. Ebenso entscheiden sie über die Förderungen, die LandwirtInnen in der EU erhalten. Die GAP wird aus den Mitteln des EU-Haushalts auf europäischer Ebene finanziert und verwaltet. Prinzipiell wird die Gemeinsame Agrarpolitik der EU alle sieben Jahre. Nachdem sich die Mitgliedstaaten, EU-Parlament und EU- Kommission aber nicht rechtzeitig auf eine gemeinsame Regelung einigen konnten, gilt für die Jahre 2021 und 2022 eine Übergangslösung. Ab Januar 2023 beginnt dann eine verkürzte Förderungsperiode bis 2027.
Inwiefern betrifft mich die GAP?
Die GAP stellt nicht nur prinzipiell sicher, dass bezahlbare Lebensmittel, die zu gewissen Mindeststandards produziert werden, in der EU zur Verfügung stehen, sondern legt den Rahmen dafür fest. Klima-, Umweltschutz und Tierwohl sind mittlerweile die wichtigsten Anforderungen an die GAP [2]. Jede/r Einzelne kann daher als KonsumentIn von Fleisch, Milch und Eiern die Nachfrage und das Angebot in der Landwirtschaft mitbestimmen, indem er tierische Lebensmittel ausschließlich aus nachhaltiger und artgerechter Tierhaltung kauft und vermehrt auf pflanzliche Ernährung setzt.
Agrar- und Ernährungswende
Bei der nationalen Ausgestaltung der GAP muss Österreich deutlich nachbessern. Dafür braucht es dringend eine Agrar- und Ernährungswende. Die aktuelle Ausrichtung der Landwirtschaft auf immer mehr Produktion zu international wettbewerbsfähigen Preisen verursacht hohe Treibhausgasemissionen, gefährdet durch Antibiotikaeinsatz die Gesundheit, beschleunigt das Höfesterben und zerstört Märkte für Bauern im globalen Süden. Es muss eine Reduktion der Tierbestände, die Bindung der Tierzahlen an die lokale Futterfläche und eine Steuer auf tierische Lebensmittel geben, um eine tierwohlgerechte Haltung mit existenzsichernden Erzeugerpreisen zu ermöglichen. Darüber hinaus ist es relevant, das EU-Lebensmittelsystem nachhaltig zu gestalten, die Nachhaltigkeit in alle Maßnahmen im Bereich der Lebensmittelpolitik zu integrieren und das Tierwohl mehr in den Vordergrund zu rücken. In diesem Zusammenhang stellen die Förderungen der pflanzlichen Ernährung und ausschließlich biologischen Landwirtschaft, die auf artgerechter Tierhaltung und Biodiversitätsmaßnahmen beruht, eine wesentliche Voraussetzung dar.
Tierwohl
Um im Agrarbereich noch viel zügiger Verbesserungen der Haltungssysteme in Richtung Tierwohlstandard umzusetzen, müssen die Landwirte beim Umbau der Stallanlagen finanziell stärker unterstützt werden. Qualvolle Haltungsbestimmungen im Tierschutzgesetz im Bereich der Nutztiere (Vollspaltenböden, Ausnahmen bei der Anbindehaltung, Eingriffe ohne Narkose, etc.) müssen durch die Novelle des Tierschutzgesetzes endlich entfallen. Tierbestandszahlen sollten, nicht nur im Hinblick auf den Tierschutz, auch aus ökologischen Gründen und aus Gründen des Klimaschutzes, von allen westlichen Industriestaaten verkleinert werden. Die Entwicklung der Tierbestände hat sich an ökologischen Kriterien und der Größe der hierzulande verfügbaren Fläche zu orientieren. Gleichzeitig sind jedoch auch Biodiversitätsflächen zu erhalten.
Zudem muss Österreich endlich eine verpflichtende, einheitliche Tierwohlkennzeichnung nach Haltungssystemen einführen, damit die KonsumentInnen sich ohne Irreführungen beim Einkauf klar für Tierwohl entscheiden können. Bei einer Umfrage, die im Auftrag von Tierschutz Austria (© Wiener Tierschutzverein) 2021 durchgeführt wurde, konnte bestätigt werden, dass sich 87 Prozent der Befragten ÖsterreicherInnen eine entsprechende Kennzeichnung nach Haltungsform bei tierischen Lebensmitteln im heimischen Handel wünschen [3]. Diese Tierhaltungskennzeichnung sollte den Transport und die Schlachtung umfassen. Lebendtiertransporte nur bis zum nächstgelegenen Schlachthof und Kühltransporte müssen subventioniert werden. Hof-Schlachtungen und das System des fahrenden Schlachthofes sind rechtlich und hygienetechnisch zu ermöglichen und nicht zu verhindern.
Förderprogramme und Flächenprämien
Bislang fördert die EU-Betriebe nach Fläche, also je größer der Bauernhof desto höher ist die Summe der Förderung, wodurch eine Massentierhaltung vorangetrieben wird. Jedoch sollten Betriebe, die biologischen Standards umsetzt und auf das Tierwohl achten, mehr Förderungen erhalten. Eine Abschaffung der Flächenprämie ist somit dringend notwendig. Förderprogramme für Landwirtschaftliche Betriebe, die die Tierhaltung beenden und auf den Anbau pflanzlicher Proteinquellen umstellen, sind einzuführen. Das gilt auch für Industriebetriebe, die pflanzliche Proteine zur Lebensmittelproduktion oder pflanzliche Alternativen herstellen.
Reform der Mehrwertsteuer
Die Herstellung tierischer Produkte verbraucht ein Vielfaches an Ressourcen im Gegensatz zu pflanzlichen Produkten. Anerkannte Studien bestätigen, dass eine stetig wachsende Bevölkerung nicht mit Produkten von Nutztieren ernährt werden kann [4]. Durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19% für Tierprodukte und eine Reduktion auf 7% für pflanzliche Lebensmittel, ist die Nachfrage nach tierischen Produkten zu reduzieren. Für pflanzliche Milchalternativen wie Mandel-, Soja- oder Reismilch müssen KonsumentInnen noch immer doppelt so viel Umsatzsteuer bezahlen wie für Kuhmilch. Dies geschieht, weil Kuhmilch als Grundnahrungsmittel (10% USt), Pflanzenmilch jedoch als Getränk (20% USt) eingestuft wird.
Der Erhalt der Biodiversitätsflächen ist ein Muss
Pestizide schädigen die Umwelt und belasten die menschliche Gesundheit, wie inzwischen vielfältig wissenschaftlich dokumentiert. Der Erhalt der Biodiversität, der durch anhaltende Einsetze von Pestiziden nicht gewährleistet ist, ist unumgänglich. Der Rückgang von Bienen, Schmetterlingen, Amphibien, Reptilien, Fischen, Vögeln und Wildkräutern ist alarmierend. Jährlich sterben etwa 50.000 Arten aus. Der Erhalt und Wiederaufbau der Vielfalt an Ökosystemen, der Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt ist ein notwendiges Ziel, europa- und weltweit. Die Reduzierung und gänzliche Vermeidung des Pestizideinsatzes ist somit dringend erforderlich.
Der Verlust der Lebensräume muss durch entsprechende nationale ökologische Raumordnungsgesetze angehalten werden. Dazu braucht es auch neue Gesetze zur Umnutzung von Grasland und Weideflächen. Als Nutzungsoptionen bieten sich zum Beispiel Lebensraumschutz durch Streuobstwiesen und der Erhalt von urtümlichen Wäldern an. Auch die Umwidmung in ein Naturschutzgebiet durch den Staat, der das Land renaturiert, wäre eine Option.
Quellen:
[3] https://www.tierschutz-austria.at/haltung-ist-uns-nicht-wurscht/
[4] https://dgvn.de/meldung/eine-zukunftssichere-ernaehrung-ist-pflanzenbasiert