Fische singen, gebrauchen Werkzeuge und kümmern sich um ihre Freunde
Leider herrschen nach wie vor gängige Vorurteile über unsere wasserliebenden Mitlebewesen. Sätze wie „Du isst also keine Tiere und was ist mit Fisch?“, kennt wohl jede Person, die auf Fleisch verzichtet. Mitgefühl mit Kälbchen oder Ferkel zu haben, scheint nachvollziehbar zu sein. Hingegen lösen Fische – glitschig, schuppig und so gar nicht menschlich, wie sie sind – anscheinend kaum Empathie aus.
Dabei sind Fische in all ihrer evolutionären Vielfalt genauso wenig stumm und vergesslich, wie ihr Denken primitiv ist. Etwa ein Viertel bis die Hälfte aller Knochenfische kommuniziert und koordiniert sich über Geräusche: Fische brummen, klicken, summen und singen [2]. Goldfische erinnern sich mindestens 5 Monate lang zurück an vergangene Ereignisse und Karpfen erkennen einen bestimmten Angelköder auch nach Jahren wieder [3]. Manche Fische pflegen auch Beziehungen zueinander, die über das übliche Paarungsverhalten hinausgehen. Kaninchenfische sind beispielsweise dafür bekannt, abwechselnd im Korallenriff vor Feinden Schmiere zu stehen, damit ein befreundeter Artgenosse ungestört nach Futter suchen kann [4]. Und ja, mache Fischtaxa, zum Beispiel Papageienfischen, nutzen sogar Werkzeuge, wodurch einmal mehr gezeigt wurde, dass nicht nur wir Affen zu Werkzeuggebrauch in der Lage sind [5, 6].
Da scheint es geradezu absurd, dass die Frage, ob Fische Schmerz empfinden können, tatsächlich noch bis zu Beginn dieses Jahrhunderts hitzig debattiert worden ist [7]. Schmerz ist eine der basalsten Empfindungen und von unübersehbarem evolutionärem Wert. Vereinfacht ausgedrückt: Wer nicht fühlen kann, was schädlich für das eigene Leben ist, und von selbst dazu angehalten wird, solche schädlichen Einflüsse zu meiden, überlebt nicht. Selbst Mikroben, Pflanzen, Pilze und Amöben fliehen instinktiv vor schädlichen Reizen [8]. Da diese Lebewesen kein Nervensystem besitzen, das mit einem tierischen vergleichbar wäre, kann (wenn überhaupt) wohl hier eine Debatte angesiedelt werden, ob diese Vermeidungsreaktionen einer Schmerzreaktion gleichzusetzen sind.
Fische fühlen Schmerz, reagieren darauf und versuchen ihn zu linden
Fische hingegen, besitzen nicht nur ein Nervensystem, das überdies wie bei uns von Hirn und Rückenmark gesteuert wird. Über ihren ganzen Körper verteilt finden sich Schmerzrezeptoren, die denen von uns Menschen erstaunlich ähnlichsehen. Die Wissenschaft spricht davon, dass diese Rezeptoren „evolutionär konserviert“ worden sind. Das heißt, bereits sehr früh, als sich Fische und Menschen noch nicht in ihrem evolutionären Weg getrennt und stattdessen noch als derselbe Vorfahre gelebt haben, müssen Schmerzrezeptoren und Schmerzwahrnehmung wichtig genug gewesen sein, damit auch alle Nachkommen damit ausgestatten worden sind [7, 9].
Studien konnten weiters zeigen, dass Fische sehr wohl auf Schmerzen reagieren und Situationen vermeiden, die Schmerz verursachen. So wurde beobachtet, dass Fische, deren Mäuler durch Angelhaken verletzt worden waren, weniger Nahrung aufnehmen als unverletzte Artgenossen und dass sie, wie wir, auch gerne zu Schmerzmitteln greifen. Wer sich nun wundert, wie das möglich sein soll, hier die Erklärung: In einem raffinierten Experiment wurden Fische vor die Wahl gestellt, entweder in ein, dem natürlichen Lebensraum des Tieres angepasstes, oder in ein leeres Aquarium zu schwimmen. Verletzte Tiere wählten letzteres, obwohl ihnen dort keine Deckung und keine Nistmöglichkeiten geboten wurden. Warum? Weil dort ein Schmerzmittel dem Wasser zugeben wurde, das den Tieren Schmerzlinderung gewährte. Gesunde Fische hingegen präferierten, wie zu erwarten, das artgerecht eingerichtete Becken [10].
Angeln bedeutet viel Tierleid und fällt trotzdem nicht unter das Tierschutzgesetz
Man mag von solchen Experimenten halten was man möchte, doch zeigen sie eindrücklich, dass Fische nicht nur Schmerzen spüren, sondern sie auch aktiv zu verhindern suchen. Solch feinfühlige Wesen an ihren empfindlichen Mäulern aus dem Wasser zu ziehen, kann also niemals tiergerecht sein.
Leider scheinen Argument über ihre Schmerzfähigkeit und Intelligenz nicht auszureichen, um Fischen einen angemessenen Schutz zukommen zulassen. Obwohl die Schlachtung von Speise- und Futterfischen mittlerweile in der Tierschutz-Schlachtverordnung geregelt wird [11], ist die Angelfischerei, ebenso wie die Wildjagd, nach wie vor sowohl von der Tierschutz-Schlachtverordnung als auch vom österreichischen Tierschutzgesetz ausgenommen [1]. Stattdessen wir die juristisch nicht geregelte „Weidgerechtigkeit“ verlangt, die bundeslandspezifisch ausgelegt werden kann. Kleinere Fische dürfen demnach meist erschlagen werden. Größere müssen betäubt werden, beispielsweise durch Schläge auf den Kopf, ehe sie durch einen Kiemen- oder Herzstich getötet werden dürfen. Beides erfordert Können und Erfahrung. Zudem kann sich eine schnelle Betäubung als schwieriger herausstellen, als gedacht. Fische empfinden schon Stress, sobald sie aus dem Wasser gezogen werden. Ihre schleimige Haut und ihr panisches Zappeln sorgen leider oft zusätzlich dafür, dass Schläge nicht an der richtigen Stelle treffen und der Leidensweg der Tiere verlängert wird.
Tierfreundliches Angeln?
Für viele Aktivitäten gibt es tierfreundliche Anpassungen. Leider müssen wir Angel-Fans hier enttäuschen. Auch bekannte Catch-and-Release-Praktiken, bei denen Fische nach dem Fang wieder freigelassen werden, verletzen die Tiere oft maßgeblich und führen bei bis zu 30 % zum Tod [12]. Wir empfehlen daher, komplett auf Angelsport zu verzichten, und sich tierfreundlichere Hobbies zu suchen. Birding, also das Beobachten freier Vögel, erlebte beispielsweise zuletzt einen wahren Boom, bei dem ebenfalls die Nähe zur Natur gepriesen wird – und das ganz ohne die schönen Tiere ihrem Lebensraum zu entreißen.
[1] RIS. Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Tierschutzgesetz, Fassung vom 09.11.2022. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20003541 (aufgerufen: 11.2022)
[2] Ladich F. Fish bioacoustics. Curr Opin Neurobiol. 2014 Oct;28:121-7. doi: 10.1016/j.conb.2014.06.013. Epub 2014 Jul 23. PMID: 25062472. [1] It’s Official: Fish Feel Pain: https://www.smithsonianmag.com/science-nature/fish-feel-pain-180967764/
[3] Salena MG, Turko AJ, Singh A, Pathak A, Hughes E, Brown C, Balshine S. Understanding fish cognition: a review and appraisal of current practices. Anim Cogn. 2021 May;24(3):395-406. doi: 10.1007/s10071-021-01488-2. Epub 2021 Feb 17. PMID: 33595750.
[4] Brandl, S., Bellwood, D. Coordinated vigilance provides evidence for direct reciprocity in coral reef fishes. Sci Rep 5, 14556 (2015). https://doi.org/10.1038/srep14556
[5] Brown, C. (2012), Tool use in fishes. Fish and Fisheries, 13: 105-115. https://doi.org/10.1111/j.1467-2979.2011.00451.x
[6] Jones, A., Brown, C. and Gardener, S. (2011) Tool use inthe spotted tuskfish,Choerodon schoenleinii.Coral Reefs30, 865.
[7] Sneddon L U. Evolution of nociception and pain: evidence from fish models. 23.11.2019. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0290
[8] Spektrum.de. Lexikon der Biologie: Chemotaxis. https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/chemotaxis/13362 (aufgerufen: 10.2022)
[9] Sneddon L U, Braithwaite V A, Gentle M J. Do fishes have nociceptors? Evidence for the evolution of a vertebrate sensory system. 07.06.2003. https://doi.org/10.1098%2Frspb.2003.2349
[10] Sneddon, L.U. (2020). Can Fish Experience Pain?. In: Kristiansen, T., Fernö, A., Pavlidis, M., van de Vis, H. (eds) The Welfare of Fish. Animal Welfare, vol 20. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-41675-1_10
[11] Ris. Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Tierschutz-Schlachtverordnung, Fassung vom 09.11.2022. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20009315 (aufgerufen: 11.2022)
[12] Hiking & Fishing. DesMarais M. Does Catch And Release Hurt Fish? The Studies. https://hikingandfishing.com/catch-and-release-fishing/ (aufgerufen: 11.2022)