Teil 1: Kranz zum Fischotter – Der Otter und die Jagd

Fischotter sind steng geschützt, trotzdem haben einige Bundesländer wieder mit der Jagd auf die wendigen Wasserkünstler begonnen. Wildökologe und Fischotterexperte Dr. Andreas Kranz erklärt das Warum hinter der Fischotterjagd, entlarvt gängige Mythen und zeigt auf, wo uns der Fischotter einen Spiegel vorhält.

Otter

Warum polarisiert der Fischotter so stark, er ist doch auch nur Teil des Ökosystems?

Ja, der Fischotter ist ein Teil und ich würde sagen ein ganz wichtiger Teil der Fließgewässerökosysteme. Aber Angler:innen haben ihre Eigeninteressen, die sie entsprechend verteidigen. Gewässer mit Fischotter haben zum Beispiel weniger große Fische als solche ohne Otter. Wenn die Anglerschaft keine fangfähigen Fische, also keine über 25 cm, mehr vorfindet, ist der Unmut verständlicherweise groß. Gejagt werden Fischotter daher letztlich, weil viele Angler:innen und Fischzüchter:innen dies lautstark fordern und die Politik diesem Wunsch nun nachgegeben hat.

Wie und wo werden Fischotter in Österreich gejagt?

Otter werden in Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg im Winter geschossen bzw. in Totschlagfallen gefangen. Den Rest des Jahres dürfen sie in Lebendfallen gefangen werden. Führende Weibchen wären dann wieder frei zulassen, um dem auch im Jagdgesetz verankerten Mutterschutz gerecht zu werden.

Aber Fachkundige wissen, dass Fischotter zu jeder Jahreszeit Junge bekommen können und dass die Jungtiere dann ein Jahr lang auf die Fürsorge des Muttertiers angewiesen sind. Wenn man Otter schießt oder in Totschlagfallen fängt, weiß man das Geschlecht im Vorhinein nicht. Die Folge ist, dass führende Weibchen getötet werden und deren Jungtiere dann elend verhungern. Auch Otter nur im Winter zu töten, bewahrt also weder die Muttertiere noch die verwaisten Jungtiere vor dem Tod. Das zeigt wieder einmal, wie scheinheilig die gepriesene Weidgerechtigkeit der Jagd ist.

Was befürchten Fischotter-Gegner:innen?

Sie befürchten Schäden durch den Fischotter. Diese Schäden treten primär dort auf, wo eine Erwartungshaltung bezüglich Nutzung des Menschen besteht. Frisst der Otter Fische im Forellenteich, so ist das für die Teichwirtschaft natürlich ein finanzieller Schaden. Die Fische im Fluss gehören so wie Reh und Hirsch zwar niemandem, aber Fischereiausübungsberechtigte haben das Recht sich diese Fische anzueignen. Entweder sie gehen selbst angeln, vergeben Angellizenzen oder verpachtet das Gewässer. Wenn nun die Fische weniger werden – und dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen – dann sucht man nach einem Grund, einem Schuldigen.

Zweifelsohne frisst der Otter also Fische, die Angler:innen gerne selbst fangen würden. In den Oberläufen etwa, also nahe den Quellen der Gewässer, gibt es von Natur aus nur wenige Fischarten, zum Beispiel die Forelle und die Äsche. Beide sind sowohl für den Otter als auch für uns Menschen interessant, wodurch sich der Konflikt zuspitzt. Hinzu kommt, dass der Otter Fische in schmalen Gewässern, besonders Bäche bis zu 12 m Breite, leichter erbeutet. Verstärkt wird der Jagderfolg durch diverse Restwasserstrecken. Das sind Abschnitte in Fließgewässern, bei denen wegen menschlicher Nutzungen weniger Wasser fließt. Wenn nur noch ein Viertel des Wassers im Bachbett ist, jagt es sich einfach leichter.

Behebt der Abschuss der Fischotter denn das Problem von sinkenden Fischbeständen?

Bislang wurden drei Entnahmeexperimente durchgeführt und die haben gezeigt, dass die Entnahme von Ottern zu keinen steigenden Fischbeständen führt. In diesen Fällen waren andere Faktoren für den Fischbestand wichtiger als der Otter, aber das muss nicht immer so sein. Bei den nun legalisierten Eingriffen in den Otterbestand fehlt aber ein gezieltes Monitoring und man wird nie wissen, ob und welchen Effekt es auf den Fischbestand gehabt hat.

Außerdem ist der Fischotter Teil unseres Ökosystems und bringt ökologische „Vorteile“. Otter erbeuten beispielsweise auch große Forellen, die ihrerseits vermehrt kannibalistisch unterwegs sind und Jungfische der eigenen Art fressen. Der Otter führt hier zu einem Ausgleich: Durch das Fressen dieser älteren Forellen gibt es mehr Jungfische und die Alterspyramide der Fische wird natürlicher. Auch bei der Äsche hat jüngst eine Studie erste Hinweise gebracht, dass der Otter für die Gesundheit der Art wichtig sein dürfte, da er im Winter und darauffolgendem Frühjahr speziell schwachwüchsige, schlecht ernährte Individuen frisst.

Dieses Nützlings-Schädlings-Denken, eine Herangehensweise, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollte, widerstrebt mir zwar. Aber feststeht, dass die Präsenz des Fischotters uns Menschen, insbesondere die Angler:innen und Fischereirechtsinhaber:innen, zu einer ökologischeren Bewirtschaftung zwingt.

Der Fischotter ist doch geschützt, warum darf er überhaupt bejagt werden?

Das stimmt, der Fischotter ist EU-weit geschützt, dadurch ist er knapp dem Aussterben entronnen. Die natürliche Wiederausbreitung des Otters – er wurde in Österreich nirgends durch den Menschen angesiedelt – hat nun dazu geführt, dass er vom Bundesland Salzburg ostwärts wieder flächendeckend verbreitet ist und demnach erstmals wieder mehrere Tausend Individuen in Österreich leben. Vor diesem Hintergrund werden nun, so das Argument von Politik und Verwaltung, „ein paar Otter“ zum Abschuss frei gegeben. Gegenwärtig dürfen in Österreich jährlich über 200 Otter entnommen werden. Ob das tatsächlich nur irrelevant wenige Individuen sind, ist fraglich, dazu fehlt es an Forschung.

Zudem wird angezweifelt, ob die Entnahme legal ist. Unter gewissen Umständen sind zwar auch Eingriffe in geschützte Tierbestände erlaubt, es herrscht aber Uneinigkeit, ob diese Umstände vorliegen oder nicht – wir kennen diese Diskussion ja auch bei den Wölfen. Hier müssen gerichtliche Entscheidungen fallen. Für NGOs ist es aktuell nur sehr schwierig bis unmöglich, gegen Entnahmeverordnungen vorzugehen (Lesen Sie HIER wie Artenschutz in Österreich systematisch umgangen wird!).

Wie steht es um Forschung und Monitoring des Fischotters in Österreich?

Das Glas ist sprichwörtlich halb voll bzw. halb leer. Gemessen an anderen Tierarten wie zum Beispiel dem selteneren Iltis steht es um Otterforschung und Monitoring gut. Aber gerade im Bereich der Otterbejagung, der Auswirkung auf die Otterbestände und die Fischbestände gibt es viel Luft nach oben. Mit der jagdlichen Entnahme der Otter bewegen wir uns etwa auf völligem wildökologischem Neuland. Um hier die Auswirkungen auf den Otterbestand zu erheben, wären anspruchsvolle Monitoring-Programme nötig. Aber wie bereits erwähnt, fehlen die in dem meisten Fällen.

Die Landesverwaltung hat aktuell auch keine Ahnung wie viele Jungotter, Männchen oder Weibchen getötet wurden, denn in Kärnten sind die geschossenen Otter bis jetzt bei den Jäger:innen verblieben – eine neue Trophäe, mit der man sich gerne rühmt. Vielleicht will man das aber auch gar nicht so genau wissen, denn dann gäbe es Daten, wie viele säugende Muttertiere getötet werden und wie oft damit gegen den Mutterschutz verstoßen wird.

Was sind Ihre Ängste und Befürchtungen bezüglich der Fischotterjagd?

Nun, für viele ist es wohl ein Albtraum, dass die noch vor gar nicht langer Zeit in Österreich vom Aussterben bedrohten Otter wieder bejagt werden. Haben wir aus der Vergangenheit nichts gelernt? Ich befürchte außerdem, dass Otter abgeschossen werden, während sich unsere Fischbestände weiter verschlechtern und niemandem geholfen ist. Zum Glück sind weder Fang noch Abschuss der Otter leicht zu bewerkstelligen. Die Otter lernen schnell und werden wieder sehr vorsichtig. Das steckt ihnen nach Jahrhunderten der intensiven Verfolgung noch im Blut.

Dr. Andreas Kranz ist als Wildökologe selbständig tätig und beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit dem Fischotter, seiner Ausbreitung, seinen Auswirkungen auf die Fische und den Möglichkeiten eines gemeinsamen Miteinanders von Fischotter und Mensch.

 

Sie möchten erfahren, warum Österreichs Fischbestände tatsächlich sinken und warum der Fischotter zum Sündenbock gemacht wird? Dann lesen sie HIER auch den 2. Teil unseres spannenden Interviews mit Andreas Kranz.

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