AUF EINEN BLICK:
- Vier Fünftel der europäischen Lebensräume sind geschädigt. In Zukunft könnten wir deshalb unsere Lebensgrundlage verlieren.
- Das Renaturierungsgesetz soll nun künftig Flora und Fauna schützen, Ökosysteme wiederherstellen und uns alle vor den Folgen der Klimakrise bewahren
- Nach einer brodelnden Gegenkampagne von konservativen Parteien, drohte das Renaturierungsgesetz kurz vor seiner offiziellen Beschließung zu scheitern
- Schlussendlich siegte die Vernunft. Das Gesetz wird kommen und die Verhandlungen dafür können beginnen.
RENATURIERUNGSGESETZ NOTWENDIG, UM KLIMA- UND BIODIVERSITÄTSZIELE ZU ERREICHEN
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (EVP) hat zu Beginn ihrer Amtszeit 2019 den europäischen „Green Deal“ verkündet. Bis 2050 soll Europa damit der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden. Hand in Hand mit Klimaschutz geht immer auch die Rettung der Natur. Kreislaufwirtschaft, weniger Pestizide und saubere Energie spielen deshalb im Green Deal ebenso eine Rolle, wie der Erhalt und die Wiederherstellung von Ökosystemen.
Doch leider ist der Green Deal nicht rechtlich bindend. Zusätzliche Gesetze und Richtlinien auf europäischer und nationaler Ebene müssen die ambitionierten Ziele erst Stück für Stück in geltendes Recht umwandeln. Im März 2020 hat die Europäische Kommission ihre dazugehörige Biodiversitätsstrategie publiziert und geplante juristische Maßnahmen zum Stopp des Artensterbens dargestellt. Vier Fünftel der Lebensräume der EU sind bereits heute geschädigt. Einer der wichtigsten Punkte gegen das Artensterben ist daher die Renaturierung, also Wiederherstellung, bereits zerstörter Ökosysteme.
Entsprechend der Biodiversitätsstrategie wurde im Juni 2022 dann endlich auch ein konkreter Gesetzesentwurf vorgelegt, der Mitgliedstaaten zur Renaturierung ihrer Natur bis 2050 verpflichten soll: Das Renaturierungsgesetz. Wissenschaftler:innen und NGOs sehen das Renaturierungsgesetz als den größten Wurf im Naturschutz seit der Flora-Fauna-Habitats-Richtlinie (FFH-Richtlinie). Im Zuge des Renaturierungsgesetzes sollen Städte begrünt, trockengelegte Moore wieder vernässt, Meeresökosysteme instandgesetzt und Flüsse und Wälder naturnaher gestaltet werden. Um das Insektensterben und damit den Verlust unserer Bestäuber zu verhindern, müssen vor allem auch Äcker und Weiden insekten- und vogelfreundlicher gemacht werden.
KONSERVATIVE PARTEIEN VERBREITEteN FAKE-NEWS GEGEN RENATURIERUNGSGESETZ
Doch obwohl Europa euphorisch mit seinem Gesetzesentwurf zum Renaturierungsgesetz gestartet ist, spielte sich diese Tage nun in Brüssel ein Polit-Krimi sondergleichen ab. Plötzlich stand alles auf Messers Schneide. Dabei hat im Rat der Mitgliedsstaaten bereits eine Mehrheit für das Gesetzt gestimmt. Es fehlte also nur noch die Zustimmung des Parlaments.
Doch die konservative EU-Fraktion EVP ortete in dem Gesetzesvorschlag Nachteile für die Landwirtschaft und hat zusammen mit anderen Parteifraktionen eine verbissene Gegenkampagne gestartet. Besonders die deutschen Konservativen um Manfred Weber (EVP) wollten das Gesetz zur Rettung der Natur um jeden Preis verhindern. Sie verbreiteten seit Monaten europaweit Falschinformationen und behaupteten, Landwirtinnen und Landwirte würden enteignet und ganze Dörfer abgerissen werden, um Moore zu renaturieren. Sogar die Ernährungssicherheit Europas sei gefährdet.
Das ist natürlich totaler Unsinn. Über 6.000 Wissenschaftler:innen stellten sich in einem offenen Brief vehement gegen die Behauptungen der EVP. Klimareporte, Biodiversitätsreporte, Wirtschaftsreporte etc. haben wieder und wieder wissenschaftlich belegt, dass nicht Umweltschutz, sondern die Klimakrise und der Verlust an Biodiversität unsere Zukunft bedrohen. Eine Umstellung auf eine moderne, nachhaltige Landwirtschaft ist hingegen nicht nur nötig, sondern fördert auch unsere wirtschaftliche globale Stellung und ermöglicht es Klein- und Mittelbetrieben dauerhaft erfolgreich zu bestehen. Unterstützt wurden die Forschenden sogar von mehreren Großkonzernen.
RENATURIERUNGSGESETZ stand bis zuletzt AUF MESSERS SCHNEIDE
Das Renaturierungsgesetz muss also unbedingt Wirklichkeit werden. Durch den föderalen Einfluss konservativen Parteien aus Bundesländern und Gemeinden wurde auch in Österreich eine Zustimmung zum Renaturierungsgesetz zuerst verhindert. Obwohl sich die österreichische Bundesregierung eigentlich zu den Zielen des Green Deals und des Renaturierungsgesetzes bekenne, habe sich Österreich bei der Abstimmung im EU-Umweltministerrats enthalten müssen, so Umweltministerin Gewessler. Im Umweltministerrat wurde damit ohne Österreichs Stimme eine „Allgemeine Ausrichtung“ der Mitgliedsstaaten beschlossen, was als Mandat für spätere Verhandlungen mit dem EU-Parlament dienen soll.
Mit 44 zu 44 Stimmen gab es dann aber am 27. Juni auch im zuständigen EU-Umweltausschuss, trotz aller wissenschaftlichen Beweise, keine Mehrheit für das Renaturierungsgesetz. Seine Ablehnung stand kurz bevor.
Heute, am 12. Juli, fand die Abstimmung deshalb vor dem gesamten Parlament statt. Nach langem Bangen von zahlreichen Wissenschaftler:innen, NGOs und Aktivistinnen und Aktivisten hat schlussendlich doch die Vernunft gesiegt. 336 Abgeordnete stimmten für das Renatuierungsgesetz, 300 dagegen. Damit wurde der Gesetzesentwurf endlich auch im EU-Parlament abgesegnet. Auch wenn er damit noch nicht fertig beschlossen ist, wurde ein Meilenstein erreicht. Als nächstes kommen die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Mitgliedsstaaten, um sich auf einen finalen Gesetzestext zu einigen. Hier besteht die Möglichkeit noch weitere wichtige Punkte auszuarbeiten und bei entscheidenden Stellen nachzuschärfen.
- Es hilft der biologischen Vielfalt und schafft Platz für lokale Flora und Fauna.
- Ökosysteme wie Moore, Wälder und Auen speichern Kohlenstoff – Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel.
- Es schützt uns vor Naturkatastrophen (z.B. Dürren, Überschwemmungen).
- In der Natur können wir uns erholen. Das fördert unser Wohlbefinden. Gesundheit des Menschen