Auf einen Blick:
- Aus dem Blut schwangerer Stuten wird ein Hormon für die Massentierhaltung hergestellt
- Viele Pferde sind bei der Blutabnahme Tierquälerei ausgesetzt
- Die EU plant kein Produktions- oder Importverbot von Pferdehormonen
- Bio-Produkte werden ohne Pferdehormone hergestellt
Blut schwangerer Stuten für die intensive Tierhaltung
Was wie ein Verschwörungsmythos klingt, ist in der intensiven Tierhaltung gang und gäbe: Pharmakonzerne gewinnen in fernen Ländern ein wertvolles Hormon aus dem Blut schwangerer Pferde – sogenannter Blutstuten. Anderen Nutztieren verabreicht, erhöht sich ihre Fruchtbarkeit und damit der Profit der Massentierhaltung. Doch bei Equinem Choriongonadotropin, kurz eCG, handelt es sich um kein wirres Märchen [1].
Mitte des letzten Jahrhunderts wurden die vielfältigen Wirkungsweisen von eCG bei Nutztieren entdeckt. Vor allem Schweine bekommen dadurch mehr und häufiger Nachwuchs. Indem eCG den Zyklus der Tiere beeinflusst, werfen Mütter zur selben Zeit und können schon kurze Zeit nach der Trennung von ihren Jungen abermals besamt werden. Das Hormon beschleunigt damit die Arbeitsabläufe in den Betrieben deutlich. Mittlerweile zählt eCG zu den am häufigsten in der intensiven konventionellen Landwirtschaft eingesetzten Hormonen weltweit [2].
Auch in Österreich darf eCG für die konventionelle Tierzucht eingesetzt werden. Während in der EU, Hormonpräparate für Mastzwecke verboten sind, sind Stoffe für die Tierzucht oder zu therapeutischen Zwecken erlaubt [3]. Die österreichische Hormonverordnung von 2009 regelt daher dezidiert, dass zugelassene Präparate dazu eingesetzt werden dürfen, zum Beispiel Paarungszyklen von Nutztieren zu synchronisieren [4]. In der Bio-Landwirtschaft ist hingegen der Einsatz von eCG und anderen Hormonen gänzlich verboten [5].
Schlechte Haltungsbedingungen und hohe Todesrate
NGOs und Wissenschaftler:innen kritisieren seit Jahren den Umgang mit den Blutstuten [1]. Bereits vor fast 10 Jahren deckte die Tierschutzorganisation Animal Welfare Foundation e.V. in einer breit angelegten Recherche die Lebensbedingungen der Pferde in Uruguay und Argentinien auf, Hauptproduzenten von eCG. Auf manchen der Farmen verenden pro Saison 25-30 % der Stuten durch Missstände bei der Haltung und die Blutabnahme selbst. Den Tieren werden über 2 Monate hinweg wöchentlich mehrere Liter Blut abgenommen, was nicht nur zu gefährlicher Blutarmut, sondern auch zu einem tödlichen Blutmangelschock führen kann [6].
Höchst problematisch ist auch der Umgang mit den Fohlen [1]. Bei einer Tragedauer von ca. 11 Monaten können Stuten nur einmal pro Jahr zur eCG-Gewinnung eingesetzt werden. Um die Mutter zweimal jährlich zu besamen und die eCG-Ausbeute damit zu steigern, werden Fohlen in einer späten Phase der Schwangerschaft häufig schmerzhaft chemisch oder mechanisch abgetrieben. Nach drei bis fünf Schwangerschaften fällt bei den Pferden die eCG-Konzentration im Blut schließlich ab und sie werden geschlachtet [6].
Jährlich bluten zehntausende Stuten für die eCG-Produktion
Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit jährlich zehntausende Blutstuten für die eCG-Produktion eingesetzt werden [1]. Der Großteil der europäischen Pharmakonzerne bezog bis vor kurzem eCG aus Südamerika. Fast 10.000 Pferde kommen allein dort jährlich zum Einsatz. Mittlerweile wurde Island mit seinen 5.000 Blutstuten zu einem Hauptlieferanten der EU [7]. Doch auch in Russland, der Mongolei und China werden tausende Tiere zur eCG-Produktion gehalten [1].
Dass darüber hinaus auch heimlich Pferde ausgebeutet werden, kann nicht ausgeschlossen werden. Selbst in Deutschland wurde letztens der Fall einer illegalen Blutstutenfarm bekannt. Ohne Bewilligung verkaufte ein Haflingergestüt in Thüringen seit mehr als 30 Jahren Blut der eigenen Zuchtstuten an Pharmakonzerne. Konsequenzen gab es kaum [6].
Island steigt auf zum neuen Blutstutenland
Nach den Aufdeckungen durch die Animal Welfare Foundation e.V. stoppte ein Großteil der europäischen Pharmafirmen zwar den Import von eCG aus Südamerika, doch die Konzerne fanden mit Island einen europäischen Anbieter. Dort werden seit über 40 Jahren halbwilde Pferde fast unbemerkt für die eCG-Produktion eingesetzt. Das Blut der Stuten ist dabei mittlerweile wertvoller als ihr Fleisch. Fast 120 Farmen halten insgesamt bereits über 5000 Blutstuten (Stand 2018). Durch die steigende Nachfrage plant Island für die kommenden Jahre, die Haltung auf über 20.000 Tiere auszubauen [7], [8].
Ob eCG nun aus Island oder Südamerika stammt, macht für die Pferde kaum einen Unterschied. Die Animal Welfare Foundation e.V. hat in den letzten Jahren auch in Island grausame Aufdeckungen gemacht, die den Lebensbedingungen der Stuten in Südamerika stark ähneln. Das Jahr über leben die Tiere meist in großen unbeaufsichtigten Herden, ohne Tierärztliche Versorgung, regelmäßige Impfungen, etc. Nur für die Blutabnahme werden die Stuten zusammengetrieben. Man fixiert sie mit Brettern in engen Boxen und bindet die Köpfe unnatürlich hoch, um für die Blutabnahme besser an die Halsvene zu kommen [7].
Die halbwilden Islandpferde sind Menschen kaum gewöhnt und das Einfangen und Blutabnehmen versetzt die Tiere in Panik. Viele verletzen sich selbst und verenden an mangelnder medizinischer Versorgung. Auch basale Hygienestandards, wie der Einsatz ausschließlich steriler Nadeln oder eine sorgfältige Wundversorgung ist nicht immer gewährleistet [1].
Kaum Regulationen für eCG-Produktion & EU will nicht handeln
Tierschützer:innen fordern, dass sowohl der Import als auch die Produktion und Verwendung von eCG verboten werden. Ein guter Anlass wäre die Überarbeitung der Tierwohl-Legislatur der EU bis Ende dieses Jahres [7]. Doch auf Anfrage gab die EU-Kommission bereits bekannt, dass man weder vorhabe, die Produktion noch die Verwendung von eCG zu verbieten. Inwieweit ein Importverbot aus Ländern mit schlechten Haltungs- und Produktionsbedingungen vorgesehen ist, beließ die Kommission unbeantwortet [9].
Aktuell fehlen für Blutstuten in den meisten Ländern bindende Vorschriften. Innerhalb der EU fällt die eCG-Produktion zwar unter die EU-Tierversuchsrichtlinie (2010/63/EU), sprich der Einsatz von Blutstuten wird gehandhabt wie ein Tierversuch [7]. Doch bis jetzt haben sich daraus nur wenige Konsequenzen für europäische Blutfarmen ergeben.
Die Haltungsbedingen der Tiere außerhalb der EU unterliegen wiederum den dortigen Tierschutz- und Haltungsgesetzen und variieren damit stark je nach Ursprungsland. Die erlaubte Maximalmenge abgenommenen Blutes, einzuhaltende Hygiene- und Versorgungsvorschriften, die Verwendung der Fohlen etc., werden deshalb oft willkürlich von den eCG-Betrieben festgelegt [1].
Blutfarmen in Island könnten endlich verboten werden
Immerhin könnte die tierschutzwidrige eCG-Produktion in Island bald gestoppt werden. Island ist zwar kein Mitglied der EU, gehört aber zur Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und zusammen mit der EU zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Für den EWR gelten die EU-Rechtsvorschriften und somit auch die EU-Tierversuchsrichtlinie. Folglich muss Island auch als Nicht-EU-Staat, die EU-Vorschriften zur eCG-Produktion als Tierversuch befolgen [8]!
Nachdem die grausamen Praktiken in Island bekannt geworden sind, haben mehrere internationale NGOs, darüber Beschwerde bei der EFTA-Überwachungsbehörde ESA eingereicht. Diese wurde aktiv und bestätigte, dass Island gegen die Tierversuchsrichtlinie der EU verstoße. Die isländische Regierung versuchte zwar sich 2022 aus der Bredouille zu ziehen, indem per Verordnung der Einsatz von Blutstuten nachträglich legalisiert werden sollte. Doch auch hier kritisierte die ESA Island scharf [8].
Die Behörde forderte die isländische Regierung zu einer Stellungnahme auf, anhand derer beurteilt werden wird, ob gegen Island sogar ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wird. Sollte Island seinen Kurs beibehalten und es zu einer Verurteilung kommen, drohen dem Land sehr hohe Strafen [8].
Fazit:
Blutstuten sind ein globales Problem, bei dem sich die intensive Landwirtschaft weltweit von dem Hormon der Tiere abhängig gemacht hat. Durch Recherchen und Aufdeckungsarbeit wächst der Druck auf die Politik, endlich gegen Tierquälerei bei der eCG-Produktion vorzugehen, doch noch ist der politische Widerstand groß. Zumindest in der Bio-Branche kommt kein eCG zum Einsatz. Wer sicher sein will, die Qual von Blutstuten nicht zu unterstützen, sollte deshalb zu Bio greifen oder auf nicht-tierische Alternativen ausweichen.
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[1] X. M. Vilanova, N. De Briyne, B. Beaver, und P. V. Turner, „Horse welfare during equine chorionic gonadotropin (eCG) production“, Animals, Bd. 9, Nr. 12. MDPI AG, 1. Dezember 2019. doi: 10.3390/ani9121053.
[2] B. D. Murphy, „Equine chorionic gonadotropin: an enigmatic but essential tool“, 2012.
[3] Europäischer Rat, „RICHTLINIE 96/22/EG DES RATES vom 29. April 1996 über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkung und von β-Agonisten in der tierischen Erzeugung und zur Aufhebung der Richtlinien 81/602/EWG, 88/146/EWG und 88/299/EWG“, 1996.
[4] Bundesministers für Gesundheit, „Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über die Anwendung von bestimmten Stoffen mit hormonaler oder thyreostatischer Wirkung und von Beta-Agonisten in der tierischen Erzeugung (Hormonverordnung 2009)“, 2009.
[5] BIO Austria, „Produktionsrichtlinien Fassung März 2018“, 2018. [Online]. Verfügbar unter: www.bio-austria.at
[6] Animal Welfare Foundation, „Blood Farms“. https://www.animal-welfare-foundation.org/en/projekte/blood-farms (zugegriffen 7. September 2023).
[7] Eurogroup for Animals, „Exploiting mares to increase animal production“, Okt. 2022.
[8] Ärzte gegen Tierversuche e.V. und C. Gericke, „Island droht ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Blutstuten – Ärzte gegen Tierversuche“, 11. Mai 2023. https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/news/island-droht-ein-vertragsverletzungsverfahren-wegen-blutstuten (zugegriffen 7. September 2023).
[9] EU Kommission und Kyriakides, „Answer to a written question – Future EU rules on the import and use of equine chorionic