INTERVIEW: Vogelanprall – der unsichtbare Tod unserer Vögel

Es muss noch viel getan werden, bis unsere Städte endlich tiergerecht sind. Wir haben Benedikt Heger von der Wiener Umweltanwaltschaft gefragt, warum jährlich Millionen Vögel unbemerkt an unseren gläsernen Hausfassaden sterben und wie wir die Tiere retten können.

Was ist Vogelanprall und warum sehe ich keine toten Vögel unter meinem Fenster?

Vogelanprall bezeichnet die ungewollte Kollision eines Vogels mit einer, für die Tiere nicht wahrnehmbaren, Glas oder Plexiglasscheibe. Grundlegende Problematiken sind hierbei einmal die Durchsicht (ergo der Vogel nimmt die Scheibe nicht wahr, und kollidiert), sowie die Spiegelung (ein Vogel sieht die Reflexion eines scheinbaren Lebensraumes auf der Scheibe und kollidiert auf dem Weg dorthin).

Laut Schätzungen verschiedener Studien betrifft dieses Problem weltweit jährlich mehrere hundert Millionen Vögel. Die Entsorgung der toten Scheibenopfer ist durch die Natur mittels anderer Tiere wie Marder, Dachs oder Fuchs gut organisiert. Auch schaffen es die Scheibenopfer oft noch in ein nahes Gebüsch zu flattern, wo sie dann oftmals ihren Kopf-Verletzungen und dem Schock erliegen.

Welche Arbeit leisten Sie und die Wiener Umweltanwaltschaft, um gegen Vogelanprall vorzugehen?

Die Wiener Umweltanwaltschaft setzt sich seit vielen Jahren für einfache, leistbare und vor allem effektive Methoden ein, Scheiben vogelsicherer zu machen. Dies bewerkstelligen wir durch Öffentlichkeitsarbeit und Beratung, durch Vorträge, z.B. an Universitäten und Schulen, und durch die Unterstützung der Forschung an der biologischen Station Hohenau/Ringelsdorf. Im Rahmen von Naturschutzverfahren nutzen wir außerdem unsere Parteistellung, um bereits vorab auf potenzielle Problemfälle hinzuweisen und rechtlich bindende Auflagen für kritische Bauwerke durchzusetzen.

Welche Maßnahmen wären Ihrer Meinung nach notwendig, um Vögel besser vor Vogelanprall zu schützen?

Neben einem breiteren Bewusstsein der Öffentlichkeit bezüglich der Problematik und der passenden Lösungen fordert die Wiener Umweltanwaltschaft rechtlich klarere und strengere Regelungen für den Vogelschutz.

Vogelschutz sollte aber nicht nur durch die Verhinderung von Vogelanprall gelebt werden. Jede:r kann durch einfache Maßnahmen dazu beitragen, den Vögeln zu helfen, z.B. durch naturnahe Gartengestaltung, die Förderung von Insekten als wichtige Nahrungsquelle oder indem Katzen in der Vogelbrutzeit nicht ins Freie gelassen werden.

Ich habe Greifvogelsticker an meine Fensterscheibe geklebt, hilft das?

Greifvogelsticker sind leider wirkungslos. Als Privatperson hat man aber heutzutage glücklicherweise viele gute Möglichkeiten Scheiben mittels verschiedenster Streifen-, Punkt- oder Ast-Muster vogelsicher zu machen: Neben dauerhaften Bedruckungen mittels Siebdruckverfahren, lassen sich Scheiben auch nachträglich mit Vogelschutzfolien nachrüsten. Diese halten einige Jahre und sind kostengünstig.

Vogelschutzmarkierungen kann man sich aber ganz einfach auch selbst basteln: Man benötigt hierfür beispielsweise nur 5 mm-breite, undurchsichtige Klebestreifen oder Schnüre, welche man vertikal, im 95 mm-Abstand auf der Scheibe anklebt bzw. davorhängt. Einfache Anleitungen dafür finden sich auf der Homepage der Wiener Umweltanwaltschaft!

Besonders empfehlen wir auch die aktuelle Version unseres Vogelanprallfolders: hochwirksame Markierungen sind grün markiert und bieten wissenschaftlich zertifizierten, optimalen Schutz für unsere geflügelten Freunde. Den Folder finden Sie HIER, Bezugsquellen von Vogelschutzfolien finden Sie hier:

Vogelschutzfolien kaufen!

Welche Botschaft möchten Sie unseren Leser:innen mitgeben?

Man muss auch für effektiven Vogelschutz kein großes Budget aufwenden, keinen extremen Aufwand betreiben und keine großen Einbußen im Alltag erdulden. Selbst mit einfachen Haushaltsmitteln wie Schnüren oder Klebestreifen lässt sich so manche Vogelfalle entschärfen, ohne uns dabei merklich einzuschränken.

Aber auch Personen, die sehr hohe Ansprüche an Gestaltung und Gesamtbild stellen, finden in der heutigen Zeit mit modernsten Mustern und deren künstlerischer Gestaltung ideale Lösungen für jede Situation. Beispiele für schöne low– und high-Budget-Varianten gibt es viele. Es liegt nur an uns Menschen, aktiv zu werden und unsere Welt etwas sicherer für unsere gefiederten Mitbewohner zu machen.

 

 

Benedikt Heger MSc ist Fachreferent für Stadt- und Wildtierökologie in der Wiener Umweltanwaltschaft. Neben der Bearbeitung von Verfahren nach dem Naturschutz-, Nationalpark- sowie Jagd- und Fischereigesetz, beschäftigt er sich mit relevanten Naturschutzthemen, wie etwa dem Vogelanprall an Glasflächen.

 

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