Auf einen Blick:
- Die EU hat sich das Ziel gesetzt, Tierversuche zu beenden, dennoch sinken hierzulande die Zahlen nicht
- Tierversuchsalternativen stehen vor einer Vielzahl an Herausforderungen, doch der Druck aus der Wissenschaftscommunity und der Bevölkerung steigt, Tierversuche endlich zu beenden
- Veranstaltungen wie der 3Rdays23-Kongress ermöglichen eine bessere Vernetzung und Kommunikation zwischen den Stakeholdern
Die EU hat sich verpflichtet, Tierversuche zu beenden
Die EU hat sich 2010 zu einem endgültigen Ausstieg aus Tierversuchen bekannt. Das bereits in den 50ern beschriebene 3R-Prinzip für mehr Menschlichkeit bei Tierversuchen wurde hierfür verpflichtend durch die EU-Richtlinie 2010/63/EU in europäisches Recht implementiert und besagt:
- Replace: wo immer möglich sollen Tierversuche teilweise oder vollständig ersetzt werden, z.B. mittels Zellkulturen oder sogenannter New Approach Methodologies (NAMs).
- Reduce: Die Anzahl der Tiere in den Versuchen sowie in der Zucht sollen reduziert werden, z.B. durch effektivere Statistik und verbesserte Methoden
- Refine: Tierwohl innerhalb eines Tierversuchs und der Zucht soll erhöht werden, z.B. durch bessere Haltungsbedingungen und Schmerzmittel.
In Österreich wurde die EU-Richtlinie von 2010 im Österreichischen Tierversuchsgesetz von 2012 umgesetzt. In allen Projektanträge, die eine wissenschaftliche Verwendung von Tieren vorsehen, muss seitdem das 3R-Prinzip berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass ausführlich zu rechtfertigen ist, warum ein Tierversuch nicht durch alternative Methoden ersetzt werden kann, wieso keine geringere Anzahl an Tieren möglich ist und durch welche Maßnahmen Stress, Schmerzen und Leiden vermindert werden.
Bevölkerung und Wissenschaft fordern endlich weniger Tierversuche
Doch obwohl das 3R-Prinzip seit über 10 Jahren gilt, ist die insgesamte Zahl der Tierversuche in Österreich über die letzten Jahre kaum gesunken. Über 200.000 Tierversuche werden hierzulande jährlich durchgeführt, ein Großteil davon für Grundlagenforschung und Medizin. Etwa 10 % der Versuche sind dabei mit starkem Leid für die betreffenden Tiere verbunden (lies HIER mehr über die Zahlen und Fakten hinter Tierversuchen).
Wie ein Vertreter der EU-Kommission den Teilnehmer:innen des Kongresses erklärte, hat auch die EU den Druck für einen Kurswechsel erkannt. Tierschutzorganisationen und renommierte Wissenschaftler:innen fordern Schulter an Schulter mit den europäischen Bürger:innen einen Ausstieg aus Tierversuchen – zuletzt mit der 1,4 Mio. Unterschriften schweren Europäischen Bürgerinitiativen „Save Cruelty Free Cosmetics“. Nicht nur ethische Probleme werden dabei angeprangert, auch die gesundheitlichen und wissenschaftlichen Vorteile für unsere Gesellschaft, die ein Fokus auf modernere Methoden als den Tierversuch bringen werden, sind für die wachsende Ungeduld verantwortlich.
Fehlende Kommunikation als großes Hindernis für eine tierversuchsfreie Zukunft
Wie bei den 3Rdays mehrfach präsentiert, können schon heute viele Tierversuche erfolgreich ersetzt, reduziert oder verfeinert werden. Doch einige Hindernisse stehen dem Fortschritt im Weg. Von den Teilnehmer:innen besonders betont wurden:
- Schlechte interdisziplinäre Kommunikation: In der heutigen Zeit des exponentiellen Wissenszuwachs ist es unmöglich geworden, als einzelne Person bei allen Innovationen auf dem neusten Stand zu bleiben. Fortschritt bei Tierversuchsalternativen erreicht dadurch oft nicht sofort die Personen und Institutionen, die von diesem neuen Wissen profitieren könnten.
- Mangelnde Bildungsmöglichkeiten: Alternativen zum Status Quo der Tierversuche müssen besonders der neuen Generation an Wissenschaftler:innen vermittelt werden. Doch leider fehlen in vielen Lehrplänen verpflichtende Lehrveranstaltungen dahingehend.
- Unzureichende Finanzierung von Projekten: Noch immer finden sich schneller und einfacher Sponsoren für herkömmliche Tierversuchs-Projekte. In den letzten 20 Jahren investierte die EU zwar über 2 Mrd. Euro in die Entwicklung alternativer Methoden, allerdings ist das nur ein Bruchteil der insgesamt geflossenen Gelder.
- Hoher Einfluss einzelner Personen: Sowohl bei Finanzierungsanträgen als auch bei der Veröffentlichung in Wissenschaftsjournalen müssen Projekte begutachtet und bewertet werden. Dabei genügt es, wenn einzelne Personen Methoden mit Tierversuchen präferieren, um mit ihrem Urteil Alternativen zu benachteiligen.
- Starre Regulierungen: Anders als neuerdings in den USA fordert die EU Tierversuche für eine Reihe von Anwendungen, zum Beispiel für die Zulassung neuer Medikamente, beim Konsumentenschutz oder für Umweltverträglichkeitsprüfungen. Alternative Methoden die häufig nicht nur bessere Ergebnisse liefern, sondern auch leichter durchzuführen sind, werden hingegen oft noch nicht anerkannt.
Internationale Vernetzung und Kommunikation als Potential für weniger Tierversuche
Besonders schwerwiegend ist das Kommunikationsproblem. Seien es Erfahrungen aus Tierpfleger-Kreisen, die nicht die Führungsebene erreichen, Tierschutzorganisationen, die nicht in Diskussionen eingebunden werden, oder Wissenschaftler:innen, die das Rad ihrer Methoden immer neu erfinden müssen – die 3R-Tage haben verdeutlicht, dass das Informationsnetzwerk zwischen den verschiedenen Stakeholdern noch erschreckend lückenhaft ist.
Doch während Kommunikation aktuell eine große Herausforderung darstellt, birgt sie auch extremes Potential. Bei den 3R-Tagen wurden nicht nur zahlreiche spannende Ansätze für die direkte Anwendung der 3Rs präsentiert, auch eine Vielzahl an Projekten und Institutionen konnten sich vorstellen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Stakeholder besser zu vernetzen und uns endlich dem Ziel der 3Rs, Tierversuche zu beenden, näher zu bringen.
Fazit:
Der 3Rdays-Kongress in Innsbruck konnte zeigen, welch enormes Potential in der Vernetzung verschiedener Stakeholder liegt. Politik, Wissenschaft und Institutionen sind nun gefordert, vorhandenes Wissen besser zu kommunizieren und umzusetzen. Dabei muss stets das allgemeine Ziel, aus Tierversuchen auszusteigen, an oberster Stelle stehen.
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