Fledermäuse sind gleich aus mehreren Gründen äußerst spannende Tiere. Gleich vorneweg, trotz ihres pelzigen Erscheinungsbilds sind Fledermäuse keine Mäuse, sondern gehören zu den Flattertieren. Noch ist sich die Wissenschaft uneins, ob sie damit Verwandte der Affen und Riesengleiter oder eher der Paarhufer, Wale, Unpaarhufer und Raubtiere sind. Fest steht, dass sie als einzige Säugetiergruppe das aktive Fliegen gemeistert und sich bestens auf ein Leben in der Luft angepasst haben [1]. Ihre Knochen sind dünn und leicht, Unterarm-, Mittelhand und Fingerknochen stark verlängert, um dazwischen die hauchdünne Flughaut zu spannen. Ein scharfes Gehör, das eine präzise Orientierung über Echolotung ermöglicht, lässt sie sogar in vollkommener Dunkelheit flinke Beutetiere aus der Luft erhaschen.
Fledermäuse stellen etwa 20 % aller Säugetiere
Weltweit gibt es über 1400 Fledermausarten. Besonders tropische Arten haben spannende Anpassungen entwickelt [2], beispielsweise Thyroptera tricolor, die sich mit Saugnäpfen statt Daumen an glatte Blätter haften können [3], oder Dyacopterus spadiceus, die zu der winzigen Gruppe von Tierarten gehören, in der auch Männchen Milch produzieren, um ihre Jungen zu säugen [4]. Wenig überraschend, sind die kleinen Flattertiere nach den Nagetiere folglich die diverseste Säugetiergruppe [5]. In Europa hingegen kommen nur 38 Fledermausarten, in Österreich sogar nur 28 vor. Leider zählt jede einzelne zu den bedrohten Säugetieren und braucht strenge Schutzmaßnahmen. Mit unserer Rettungsaktion haben Tierschutz Austria und alle HelferInnen also auch einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz geleistet [2].
Übrigens, da sich viele Fledermausarten in Sommer- und/oder Winterkolonien zusammenfinden, entstehen oft riesige Schwärme. In Österreich werden gelegentlich 1.000 – 2.000 Weibchen in sogenannten Wochenstuben, also Kolonien, in denen die Tiere ihre Jungen zur Welt bringen und aufziehen, gezählt. Klingt nach viel? Ist aber noch nichts gegen die mehr als 20 Mio. Tiere die in manch anderen tropischen Quartieren zusammen kommen. Damit bilden Fledermäuse die größten Land-Wirbeltierkolonien der Erde, die in ihrer Zahl sogar die größten Vogelschwärme übersteigen [2]. Wenig überraschend also, sind etwa 20 % aller derzeit vorhandenen Säugetiere Fledermäuse [5].
Fledermäuse und Zoonosen
Fledermäuse rücken aber auch noch wegen anderen Eigenschaften zunehmend in den wissenschaftlichen Fokus. WissenschaftlerInnen vermuten schon lange, dass die flinken Tiere eine große Rolle in der Ausbreitung von Zoonosen, also Krankheiten die vom Tier auf den Menschen übertragen werden, spielen. Man geht heute davon aus, dass etwa zwei Drittel aller Infektionskrankheiten ursprünglich bei anderen Tierarten entstanden und direkt oder über Umwege auf den Menschen übergesprungen sind [mehr dazu hier!]. Fledermäuse führen dabei so gut wie jede Liste der verdächtigen Ursprungsarten an [6].
Trotzdem sind im Falle der Fledermäuse heute viele Übertragungswege immer noch nur kaum oder gar nicht verstanden. Zwar wird vermutet, dass oft mit Kot verschmutzter Boden oder verunreinigte Lebens- oder Trinkwasservorräte eine Rolle spielen, aber sichere Nachweise für eine Herkunftsrekonstruktion zu finden, bleibt schwierig. Fakt ist, dass häufig große Ähnlichkeiten zwischen den Genomen (neuartiger) menschlicher Viren und bekannter Virusstämme in Fledermäusen gefunden werden [7]. Größtenteils gesicherte Hinweise für einen Ursprung bei Fledermäusen gibt es bei Filoviren (verantwortlich für z.B. Marburgfieber und Ebola), Henipaviren (bekannt z.B. für die tödlichen Hendra- und Nipah-Virus-Infektionen) sowie Coronaviren (Auslöser für SARS und MERS sowie natürlich die aktuelle Corona-Virus-Pandemie). Selbst Tollwut kann durch einige Fledermausarten übertragen werden, wenn auch direkte Ansteckungen nur in Ausnahmefällen dokumentiert sind. Außerdem deuten einige Forschungsergebnisse darauf hin, dass auch ältere Zoonosen, beispielsweise Mumps und Masern sowie Hepatitis B und C ursprünglich von Fledermäusen stammen könnten [8]. Ihr Immunsystem scheint dabei erstaunlich gut mit Viren aller Art klar zu kommen. So gut sogar, dass Fledermäuse mit Ebola, Tollwut oder Corona infiziert sein können, ohne die geringsten Symptome zu entwickeln [9].
Fledermäuse werden alt, aber altern nicht
Obwohl also manche der für uns tödlichsten Krankheiten innerhalb von Fledermauskolonien zirkulieren, erstaunen die Tiere mit ihren langen Lebensspannen. Selbst in freier Wildbahn, wo härtere Lebensbedingungen zu einer reduzierten durchschnittlichen Lebenserwartung führen, werden häufig Arten gefunden, die mehrere Jahrzehnte alt werden können. Die nur 7 Gramm schweren Myotis brandtii Fledermäuse, erreichen beispielsweise über 40 Jahre [9]. Eine ungewöhnlich lange Zeit, wenn man bedenkt, dass andere Säugetiere vergleichbarer Größe, selbst in optimaler und stressfreier Umgebung, selten mehr als ein halbes Jahrzehnt alt werden [gtB.]. Normalerweise korreliert die Lebensspanne einer Art mit ihrem Gewicht – je größer, desto älter. Myotis brandtii lebt damit etwa sieben Mal so lang, wie es ihr Körpergewicht vorhersagen würde. Viele Fledermäuse werden daher zu den sogenannten „langsamen“ Säugetieren gezählt und fallen trotz ihres niedrigen Körpergewichts in dieselbe Lebensdauer-Kategorie wie Menschen. Modellrechnungen haben gezeigt, dass anders als lange vermutet, weder die fliegende Lebensweise noch der Winterschlaf, die alleinigen Gründe für die Langlebigkeit der Flattertiere sein können [8].
Zu der langen Lebenserwartung kommen noch andere verblüffende Beobachtungen. Fledermäuse scheinen beispielsweise unter einem ungewöhnlich geringen Krebsrisiko zu leiden. Auch typische Seneszenz-Erscheinungen, also altersbedingte Erkrankungen, oder eine verringerte Fruchtbarkeit, werden nur selten festgestellt. Kaum verwunderlich also, dass WissenschaftlerInnen sich erhoffen, durch die moderne Fledermausforschung tiefere biologische Einblicke und vielleicht auch Antworten auf bis jetzt unlösbare medizinische Probleme finden zu können [9].
Quellen:
[1] NABU. Stammen Fledermäuse von Vögeln ab?. https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/fledermaeuse/wissen/12585.html (aufgerufen: 05.2022)
[2] http://www.fledermausschutz.at/start.htm (aufgerufen: 05.2022)
[3] Riskin, Daniel K. & Racey, Paul A. (2009). “How do sucker-footed bats hold on, and why do they roost head-up?”. https://doi.org/10.1111/j.1095-8312.2009.01362.x
[4] Francis, C.M.; Anthony, E.L.P.; Brunton, J.A.; Kunz, T.H.; Lactation in male Dyacopterus spadiceus; 1993; Bat Research News 34(4): 108; https://eurekamag.com/research/032/109/032109125.php
[5] Rodhain, F. “Chauves-souris et virus: des relations complexes” [Bats and Viruses: complex relationships]. Bulletin de la Societe de pathologie exotique (1990) vol. 108,4 (2015): 272-89. doi:10.1007/s13149-015-0448-z https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7097034/
[6] O’Shea, T. J., Cryan, P. M., Cunningham, A. A., Fooks, A. R., Hayman, D. T., Luis, A. D., Peel, A. J., Plowright, R. K., & Wood, J. L. (2014). Bat flight and zoonotic viruses. Emerging infectious diseases, 20(5), 741–745. https://doi.org/10.3201/eid2005.130539 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4012789/#R1
[7] Wang LF, Anderson DE. Viruses in bats and potential spillover to animals and humans. Current Opinion in Virology. 2019 Feb;34:79-89. DOI: 10.1016/j.coviro.2018.12.007. PMID: 30665189; PMCID: PMC7102861. https://europepmc.org/article/med/30665189
[8] Mandl, J. N.; Schneider, C.; Schneider, D. S.; Baker, M. L.; Going to Bat(s) for Studies of Disease Tolerance; 2018; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6158362/
[9] Gorbunova, V.; Seluanov, A.; Kennedy, B. K.; The World Goes Bats: Living Longer and Tolerating Viruses, Cell Metabolism;Volume 32, Issue 1,
2020, Pages 31-43, ISSN 1550-4131, https://doi.org/10.1016/j.cmet.2020.06.013. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1550413120303144