Billigfleisch in der Gastro – Und warum Herkunft nicht alles ist

Lebensmittelkennzeichnung von tierischen Produkten ist in aller Munde. Ein besonders heikler Teil der Debatte dreht sich um die Herkunfts- und Haltungskennzeichnung in der Gastronomie. Wir erklären, warum Österreichs Gastronomie ein Problem mit Billigfleisch hat, warum auch der Landwirtschaftssektor eine Kennzeichnung begrüßt, und was geschehen muss, damit wir Tierwohl im Restaurant garantiert wissen können.

Österreich bewegt sich, aber eine Haltungskennzeichnung fehlt

2021 haben fast 416.000 Menschen in Österreich das Tierschutz-Volksbegehren unterschrieben. Zentrale Forderung war mehr Transparenz für tierische Produkte. Dazu gehören eine einheitliche Herkunfts- und Haltungskennzeichnung, wodurch nicht nur der Ort der Geburt, Mast und Schlachtung von Nutztieren, sondern auch ihre Lebensumstände standardisiert und transparent nachvollziehbar gemacht werden müssen [1].

Die österreichische Regierung hat schließlich angekündigt für Milchprodukte, Eier und Fleisch nachzuschärfen und noch in der derzeitigen Regierungsperiode eine Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Produkten und bei Speisen, die in Einrichtungen für Gemeinschaftsverpflegung ausgegeben werden, einzuführen. Letzteres umfasst beispielsweise staatliche Krankenhäuser und Pensionistenheime, die über Großküchen versorgt werden, oder öffentliche Schulen mit eigener Schulküche [2]. Obwohl noch Kritik besteht (so müssen in verarbeiteten Speisen zum Beispiel erst ab einem Mindestgehalt von 50 % Herkunftsangaben zu verwendeten tierischen Produkten gemacht werden), ist die verpflichtende Herkunftskennzeichnung damit im Regierungsprogramm angekommen [3].

Doch leider reicht eine Herkunftskennzeichnung alleine nicht aus. Auch in Österreich gehaltene Tiere leben meist in industriellen Mastbetrieben und erfahren dort eine ähnlich schlechte Behandlung wie außer Landes. 2017 haben nach dem Made-in-Country-Index 85 % der befragten ÖsterreicherInnen Produkte aus heimischer Produktion als positiver, als aus ausländische Produktion wahrgenommen [4]. Schuld sind geschickte Marketingstrategien. Oft übersehen wird dabei, dass unsere aktuellen Mindeststandards der konventionellen Tierhaltung bei weitem keine tiergerechte Haltung bedeuten. Österreich erlaubt beispielsweise noch bis 2040 die Schweinehaltung auf Vollspaltenböden [5]. Bedenkt man, dass in Österreich rund 97 Prozent der heimischen Schweine aus konventioneller Haltung und Mast stammen, wird ersichtlich, wie wenig Aussagekraft durch ein reines Herkunftssiegel geschaffen wird [6]. Hinzukommen regelmäßige tierquälerischen Skandale bei AMA-Gütesiegelbetrieben [7] – Tierquälerei made in Austria.

Bio-Gastro fordert Herkunfts- UND Haltungskennzeichnung!

Während in Österreichs Supermärkten aktuell ein wahrer Siegeldschungel herrscht (lies HIER mehr), legen Gastronomie und Gemeinschaftsküchen also kaum offen, wie die Tiere, aus denen angebotene Speisen bestehen, gehalten worden sind oder woher sie stammen. Beides entspricht laut einer Meinungsumfrage von 2021 des Gallup-Instituts, nicht den Wünschen der österreichischen Bevölkerung: Für 9 von 10 Befragten hat eine Kennzeichnung nach Haltungsbedingungen eine hohe Wertigkeit und fast 70 % gaben an, dass für sie eine Haltungskennzeichnung ebenso wichtig wie eine Herkunftskennzeichnung sei [14].

Vier große Supermarktketten haben heuer eingelenkt und arbeiten gerade an einer Branchenlösung, um zumindest für Fleisch eine zusätzliche Haltungskennzeichnung zu ermöglichen [15]. Und auch im Gastronomiesektor werden Forderungen nach Herkunfts- UND Haltungskennzeichnungen laut. Die Interessenvertretung der österreichischen Biogastronomen, “Die BiowirtInnen”, und die “Ramsauer Bioniere” erarbeiteten letztes Jahr einen eigenen Verordnungsentwurf, wonach die Umsetzung einer einheitlichen Kennzeichnung auch in der Gastronomie problemlos möglich sei [6].

Nur freiwillige Herkunfts- und fehlende Haltungskennzeichnung in der Gastro

Wie auffällt, richten sich die geplanten Änderungen der Regierung zudem nicht an einen der größten Verbraucher tierischer Lebensmittel in Österreich: Die Gastronomie. Dabei fordert auch der Landwirtschaftssektor dringen zumindest eine Herkunftskennzeichnung, um Preisdumping zu reduzieren und BäuerInnen mehr Hebel bei Preisverhandlungen zu geben etc. Eine Online-Umfrage unter LandwirtInnen ergab, dass vor allem „gleiche Produktionsstandards für Importprodukte“ (66 %) und die lange versprochene „Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie“ (63 %) gefordert werden [8].

Der überwiegende Teil des Gastronomiesektors hingegen pocht auf eine freiwillige Herkunfts- und Haltungskennzeichnung und lehnt jegliche Verpflichtung darüber hinaus dezidiert ab [9]. Das ist wenig überraschend, wo doch ein Großteil der heimischen Gastronomie billigere Ware, aus dem Ausland importiert [10]. Das führt beispielsweise zu folgendem absurden Szenario: Wer glaubt, dass Tiere nur bei einer Überproduktion, also wenn sich ein Land bereits vollständig selbstversorgen kann, exportiert werden, irrt. Zuletzt wurden jährlich 38.000 Kälber als Schlachtvieh hauptsächlich nach Italien und Spanien exportiert. Zur gleichen Zeit wurde aber Fleisch von umgerechnet ca. 85.000 Kälbern aus den Niederlanden importiert. Die Niederlande sind europäische Spitzenreiter in der industriellen Kälbermast. Fast jedes dritte europäische Kalb wird dort gemästet, geschlachtet und zu Billigpreisen wieder exportiert [11]. Regionale LandwirtInnen in Österreich hingegen geraten unter Preisdruck und können oft kaum erfolgreich wirtschaften. Die Folge sind schwindende Klein- und Mittelbetriebe und ein immer stärkerer Fokus auf Massentierhaltung [12].

Das Freiwilligkeit allein nicht ausreicht, zeigt auch ein kürzlicher Schnitzel-Check der Vier Pfoten bei verschiedenen österreichischen Nobel-Restaurants. Betrachtet wurden 13 Wiener Restaurants, die laut dem Delikatessen-Magazin falstaff die besten Wiener Schnitzel in Wien zubereiten würden. Bei 9 der 13 Lokale wurde in den Speisekarten jedoch weder zum verwendeten Fleisch noch zu den, für die Panier benötigten Eier Angaben zur Herkunft oder der Haltung gemacht. Auch keines der übrigen 4 Lokale lieferte vollständige Angaben über Haltung und Herkunft der tierischen Produkte. Selbst auf der Website der Betriebe warum im besten Falle lückenhafte Informationen zu finden [13]. Von einem “Original Wiener Schnitzel in Spitzenqualität“ kann also wohl kaum die Rede sein.

Fazit:

Österreich braucht endlich eine transparente Kennzeichnung tierischer Produkte nach Haltung UND Herkunft. Dafür muss auch der Sonderstatus der Gastronomie endlich fallen. Auf jeden Fall ist ein Umdenken in der österreichischen Bevölkerung nicht mehr zu leugnen. Mit deiner Stimme können wir den Druck auf EntscheidungsträgerInnen weiter erhöhen, um endlich eine transparente und tierwohlbedachte Fleischwirtschaft zu ermöglichen.

Hilf auch du und unterschreibe HIER unsere Petition für mehr Transparenz!

Wie will die Regierung Herkunftskennzeichnung umsetzen?

Geplant sind drei Verordnungen. Im Dezember 2021 wurde bereits die als “Lückenschluss-Verordnung” bekannte „Verordnung über die verpflichtende Weitergabe von Informationen zur Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern entlang der Lieferkette von Lebensmittelunternehmen“ kundgemacht. Damit werden Lebensmittelunternehmen, die Rohwaren oder Halbfertigprodukte für die Weiterverarbeitung liefern, verpflichtet, die Herkunft ihrer Produkte offenzulegen, um in Zukunft eine lückenlose Rückverfolgen zu ermöglichen.

Die beiden übrigen, sich noch in Begutachtung befindenden Verordnungen, sollen zum einen die Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milchprodukten und Eiern „als primäre Zutat in verpackten Lebensmitteln“ oder „als primäre Zutat in Speisen in der Gemeinschaftsverpflegung“ regeln. Damit müssen zukünftig Primärprodukte, das sind Lebensmittel, die zu mindestens 50 % aus Milch, Eiern oder Fleisch bestehen, nach ihrer Herkunft gekennzeichnet werden [2].

 

[1] Ökoreich.at. Das Elend der Martini-Gänse: Fast immer gestopft und lebendig gerupft. 05.11.2021. https://www.oekoreich.com/medium/das-elend-der-martini-gaense-fast-immer-gestopft-und-lebendig-gerupft (aufgerufen: 11.2022)

[2] Süddeutsche Zeitung. Hägler M. Das arme Federvieh. 26.11.2010. https://www.sueddeutsche.de/panorama/gaense-daunen-und-lebendrupf-das-arme-federvieh-1.1028568-0#seite-2 (aufgerufen: 11.2022)

[3] Institute of Animal Law of Asia. Zihao Yu. Animal Law in China. 22.09.2020. https://www.ialasia.org/projects/animal-law-in-china (aufgerufen: 11.2022)

[4] Vier Pfoten. TROTZ EU-WEITEM VERBOT: BRUTALER LEBENDRUPF VON GÄNSEN IN POLEN WEITERHIN ÜBLICH. 02.11.2022. https://www.vier-pfoten.at/unsere-geschichten/pressemitteilungen/2022/november/lebendrupf-von-gaensen-in-polen-weiterhin-ueblich (aufgerufen: 11.2022)

[5] Ökoreich. Blutige Federn: Woher die Daunen für unsere Textilien stammen. 04.10.2022. https://www.oekoreich.com/medium/blutige-federn-woher-die-daunen-fuer-unsere-textilien-stammen (aufgerufen: 11.2022)

[6] OTS.at. VIER PFOTEN Umfrage: 80 Prozent wollen Kennzeichnung der Martinigans nach Herkunft und Haltungsform. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211028_OTS0021/vier-pfoten-umfrage-80-prozent-wollen-kennzeichnung-der-martinigans-nach-herkunft-und-haltungsform-anhang (aufgerufen: 11.2022)

[7] Nachhaltige Tierhaltung Österreich. Daten und Fakten.  https://www.nutztier.at/daten/ (aufgerufen 11.2022)

[8] Kurier.at. Gegen Stopfgänse: Österreicher wollen Haltungskennzeichnung. 28.10.2021. https://kurier.at/freizeit/essen-trinken/gegen-stopfgaense-oesterreicher-wollen-haltungskennzeichnung/401786180 (aufgerufen: 11.2022)

[9] Weidegans. Unsere Weidegänse.   https://www.weidegans.at/wissenswertes/unsere-weideg%C3%A4nse/  (aufgerufen: 09.11.2022)

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