Auf einen Blick
- Wir sind maßgeblich von Insekten abhängig, denn u.a. rund 75 % unserer Kulturpflanzen werden durch Insekten bestäubt
- Weltweit kommt es zu einem extremen Insektensterben, vor allem durch Lebensraumverlust und Pestizideinsatz
- Ein Gesetzesvorschlag der EU, um bis 2030 den Einsatz der Pestizide zu reduzieren, scheiterte zuletzt
Menschen haben das 6. Große Massenaussterben zu verantworten
Wir leben mitten im 6. Massenaussterben. Seit Beginn der Erdgeschichte gab es nur 5 solcher Phasen, wo in relativ kurzer Zeit viele Arten für immer verschwunden sind. Die Ursachen waren meist verschieden, doch das 6. Massenaussterben haben wir Menschen uns selbst und unserem Umgang mit der Natur zuzuschreiben. Arten sind auch schon vor unserer Zeit ausgestorben, doch die aktuelle Rate liegt etwa um das 10- bis 10.000-fache über diesen normalen Aussterbewerten.
Besonders stark trifft es unsere Insektenwelt. Rund 60 % aller Arten zählen zu den Krabbeltieren und weltweit dokumentieren Wissenschaftler:innen ein ähnliches Bild: In Deutschland verschwanden in nicht einmal drei Jahrzehnten über Dreiviertel der Fluginsekten, in Schottland im ähnlichen Zeitraum rund zwei Drittel. In den USA hat sich der Bestand des charakteristischen Monarchfalters innerhalb von 20 Jahren um 90 % reduziert und selbst im Regenwald von Puerto Rico ist die Insektenbiomasse rapide gesunken.
In unseren Köpfen hat sich dabei vor allem das Bienensterben als medienwirksamer Begriff etabliert, wenn auch nicht nur unsere allseits bekannte Honigbiene damit gemeint ist. Zwar ist die Honigbiene vom Insektensterben betroffen – in verschiedenen Teilen der Welt, ob USA, Europa oder Asien, stellen Imker:innen immer häufiger ein erhöhtes Bienensterben in ihren Stöcken fest. Besonders bedenklich ist aber das Verschwinden unserer Wildbienenarten. Wildbienen sind unglaublich vielfältig (allein in Österreich gibt es rund 700 Wildbienen- und Hummelarten) und übernehmen den Großteil der Bestäubung unserer Pflanzen. Leider sind viele Arten auch hierzulande vom Aussterben bedroht.
Unser Überleben hängt an Insekten
Was manche scheinbar nicht wahrhaben wollen: Unser Überleben hängt am Überleben der Insekten. Rund 75 % unserer Nutzpflanzen und 90 % der wildblühenden Pflanzenarten sind auf die tierischen Bestäuber angewiesen. Eine Welt ohne Insekten, wäre eine Welt ohne Blumen und Früchte. Ohne sie gebe es weder Erdäpfel noch Tomaten, Erdbeeren oder Kirschen.
Insekten erhalten unsere Ökosysteme und die übrige Artenvielfalt. Über ihre Bestäuber-Tätigkeiten hinaus, zersetzen sie Kadaver, verdauen abgestorbene Pflanzenteile und sind selbst Nahrungsgrundlage für andere Tiere. Ohne Insekten verstummen zum Beispiel auch viele unserer liebsten Vögel, wie Amsel, Blaumeise und Gartenrotschwanz.
Insekten sterben durch Lebensraumverlust und Pestizide
Die Ursachen für das Insektensterben sind komplex, aber oft schon lange bekannt und hängen meist eng mit unserer Landwirtschaft und Landnutzung zusammen. Einige der Hauptgründe sind:
- Lebensraumverlust und Lebensraumumwandlung: Intensive Landwirtschaft, Urbanisierung und die damit einhergehende Umweltverschmutzung zerstören viele Lebensräume der Insekten.
- Pestizide und Düngemittel: Agrarstoffe schädigen Insektenpopulationen direkt durch ihre Giftigkeit oder indirekt durch die Zerstörung ihrer Nahrungsquellen und Lebensräume.
- Klimawandel: Insekten sind besonders anfällig für Veränderungen bei Temperatur und Niederschlag, die ihre Fortpflanzungsraten beeinflussen können. Außerdem werden ihre Lebensräume verändert und Nahrungsquellen beeinträchtigt.
- Einführung invasiver Arten: Nicht-heimische Arten stehen mit heimischen Insekten oft in Konkurrenz um Lebensräume und Nahrung. Außerdem verstärken invasive Arten den Jagddruck auf heimische Insekten und übertragen fremde Krankheiten, an die die Tiere nicht angepasst sind.
- Lichtverschmutzung: Künstliches Licht in der Nacht stört die natürlichen Verhaltensweisen von Insekten, einschließlich ihrer Fortpflanzung und Orientierung. Es beeinträchtigt die Entwicklung, Bewegung und Nahrungssuche und erhöht die Wahrscheinlichkeit, entdeckt und gefressen zu werden.
Zum einen verschwinden also immer mehr Flächen für Insekten: Es gibt immer weniger Weiden und Streuwiesen, an den Ackerrändern fehlen Hecken oder Blühstreifen. In Siedlungen und Gewerbegebieten werden zunehmend Flächen versiegelt und naturbelassene Brachflächen seltener. Privatgärten, die fast vollständig aus einem perfekt gestutzten Rasen oder Steinen bestehen, sind für die meisten Insekten eine lebensfeindliche, obwohl teils grüne Wüste.
Zum anderen ist der massive Einsatz von Agrarstoffen ein wesentlicher Faktor für das Insektensterben: Durch den Einsatz von Herbiziden (Unkrautvernichtungsmittel) werden Futterpflanzen vieler Insekten vernichtet. Durch Düngemittel gelangt zusätzlicher Stickstoff in die Ökosysteme, wodurch Tiere und Pflanzen, die auf magere Böden angepasst sind, verdrängt werden. Insektizide (Insektenbekämpfungsmittel) greifen die Insekten sogar direkt an.
Pestizidverordnung zur Rettung der Artenvielfalt ist gescheitert
Die EU wollte bis 2030 den Einsatz von giftigen Pestiziden halbieren, um das Artensterben zu stoppen und den europäischen Zielen zum Schutz unserer Natur und Zukunft gerecht zu werden. Zuvor hatten 195 Staaten, darunter auch die Mitgliedstaaten der EU, im Globalen Biodiversitätsabkommen von Montreal beschlossen, gemeinsam das Artensterben bis 2030 zu stoppen. Eines der 23 Ziele dabei ist die deutliche Reduzierung von Pestiziden.
Anfang Februar 2024 kam dann der Schock: Die dafür nötige neue Pestizidverordnung wurde von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zurückgezogen, nachdem eine Abstimmung im EU-Parlament letzten Jahres scheiterte. Zwar kündigte die Präsidentin an, einen neuen Entwurf erarbeiten zu wollen, doch ist fraglich, wann und ob dies geschehen werde. Die Pestizidverordnung droht damit für immer in der Schublade zu versinken.
Was tun gegen das Insektensterben?
Um das Insektensterben zu stoppen, braucht es eine Landwirtschaft, die weniger Pestizide einsetzt, auf gewisse Stoffe ganz verzichtet und Platz lässt, für wichtige Lebensräume. Bis die EU endlich doch noch Pläne durchsetzt, um ihr Ziel von deutlich weniger Pestiziden zu erreichen, kann es aber leider noch dauern.
Einzelpersonen können immerhin durch die eigenen Kaufentscheidungen Einfluss nehmen und zu biologisch angebauten Produkten greifen. In unseren Gärten und Balkonen sollten wir natürlich auf Pestizide verzichten und Blumen pflanzen, die sich als Nahrungsquelle für Insekten eignen.
Der Naturschutzbund Österreich hat einen ausgiebigen Praxisleitfaden mit Tipps, Tricks und wichtigen Infos zur Insekten-Soforthilfe erarbeitet:
Bali, G. P. K., & Kaleka, A. S. (2022). Potential Reasons for Insect Decline. Global Decline of Insects [Working Title]. https://doi.org/10.5772/INTECHOPEN.100065
Cardoso, P., Barton, P. S., Birkhofer, K., Chichorro, F., Deacon, C., Fartmann, T., Fukushima, C. S., Gaigher, R., Habel, J. C., Hallmann, C. A., Hill, M. J., Hochkirch, A., Kwak, M. L., Mammola, S., Ari Noriega, J., Orfinger, A. B., Pedraza, F., Pryke, J. S., Roque, F. O., … Samways, M. J. (2020). Scientists’ warning to humanity on insect extinctions. Biological Conservation, 242. https://doi.org/10.1016/J.BIOCON.2020.108426
Europäisches Parlament, Aubert, G., & Dudley, N. (2023). BRIEFING: Progress on implementing the Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework.
IPBES. (2019). Global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. https://doi.org/10.5281/ZENODO.6417333
IPCC. (2023). CLIMATE CHANGE 2023 Synthesis Report Summary for Policymakers. https://doi.org/10.59327/IPCC/AR6-9789291691647.001
Owens, A. C. S., Cochard, P., Durrant, J., Farnworth, B., Perkin, E. K., & Seymoure, B. (2020). Light pollution is a driver of insect declines. Biological Conservation, 241, 108259. https://doi.org/10.1016/J.BIOCON.2019.108259
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Umweltbundesamt, Wolfgang, R., Zulka, K. P., & Götzl, M. (2020). Insekten in Österreich – Artenzahlen, Status, Trends, Bedeutung und Gefährdung.