Wie gestalte ich die Eingewöhnungszeit für einen Angsthund?
Hunde aus dem Tierschutz haben eine mehr oder weniger prägende Geschichte. Viele von ihnen haben einiges mitgemacht, das Vertrauen zu uns Menschen verloren oder gelernt sich zu verteidigen. Einige – besonders Hunde aus dem Auslandstierschutz – haben ein Leben wie unseres nie kennengelernt. Das heißt: Sie kennen kein Gehen an der Leine, kein Leben in einer Wohnung, keinen Straßenverkehr, Aufzug oder öffentliche Verkehrsmittel, vielleicht auch keine Begegnungen mit anderen Hunden. Deshalb reagieren einige dieser Hunde sehr ängstlich und unsicher, wenn sie in unserer Umwelt zurechtkommen müssen.
Bedenke, dass dein neuer Begleiter (mitunter eine lange) Zeit im Tierheim verbracht und viel Stress erlebt hat. Was er jetzt braucht ist vor allem eines: Ruhe! Um anzukommen, um Vergangenes verarbeiten zu können, um sich an sein neues Leben gewöhnen zu können. Er muss seine neue Umgebung erst einmal kennen lernen und verstehen, dass du sein neuer Wegbegleiter sein wirst.
Es gilt, neue Regeln kennen zu lernen und vor allem Vertrauen zu fassen. Erwarte nicht zu früh zu viel von deinem Schützling. Und vor allem: Veranstalte nicht am ersten Tag eine Willkommensparty! Das würde deinen neuen Freund völlig überfordern. Gönne ihm eine angemessene Eingewöhnungszeit – die Bekanntschaft deiner Familie und Freunde kann er früh genug machen. Du hast Zeit!
Gestalte Spaziergänge in den ersten Tagen eher kurz, gehe dafür öfters. Dein Hund kann sich so langsam an seine neue Umgebung gewöhnen, ohne gleich völlig von den neuen Eindrücken erschlagen zu werden. Es ist nur zu verständlich, einem Hund nach so langem Tierheimaufenthalt nichts sehnlicher zu wünschen, als zu leben, zu laufen und Freude zu haben. Es ist allerdings zu bedenken, dass Hunde nach einer so langen Zeit in Isolation sehr sensibel und empfindlich auf jegliche Reize reagieren. Sie müssen sich erst langsam wieder an Normalität und eventuellen Trubel gewöhnen. Selbst ein Spaziergang im Grünen besteht aus einer Aneinanderreihung von aufregenden Reizen, die der Hund alle verarbeiten muss. Auch das kann überfordern. Weniger ist anfangs so viel mehr!
Sichere deinen Angsthund anfangs mit einem Sicherheitsgeschirr. Nicht selten sind neu übernommene Hunde völlig panisch aus ihrem Geschirr geschlüpft und bei ihren ersten Spaziergängen entlaufen. Sicherheitsgeschirre bekommst du maßgefertigt im Internet. Bei Fragen kannst du dich gerne auch an uns wenden!
Lasse deinen Neuankömmling nicht alleine im Garten. Gehe nur gemeinsam und an der langen Leine mit ihm raus. Es kommt immer wieder vor, dass Hunde durch Löcher im Zaun verschwunden oder sogar über Zäune gesprungen sind. Lasse deinen ängstlichen Neuankömmling auf keinen Fall ohne Leine laufen. Zu schnell kann er sich erschrecken und davonlaufen. Ein in Panik laufender Hund ist praktisch nicht einzufangen. Die Gefahr, dass er nie wieder auftaucht ist sehr groß. Leider nur allzu oft schon passiert.
Gewähre deinem neuen Gefährten anfangs unbedingt die nötige Distanz, die er braucht, um sich sicher fühlen zu können. Sollte er sich zurückziehen, lass ihn. Gib ihm Zeit sich in eigenem Tempo annähern zu können. Bitte kein Zwangskuscheln! Du stärkst sein Vertrauen in dich, wenn du seine Individualdistanz respektierst. Achte generell auf Stress-/Überforderungs-Symptome wie folgende:
- Beschwichtigungsgesten (wegdrehen, züngeln, über die Nase schlecken, Blickkontakt vermeiden, …)
- Knurren, tiefes Bellen, Zähne zeigen
- Übermäßiges Kratzen, starkes Hecheln
- Konstantes Belecken von sich selbst oder anderen (z.B. ständiges Hände lecken)
- Übertriebene Wachsamkeit
- Permanentes Anspringen, beknabbern und „übermäßige Freundlichkeit“
Kurz & knapp: Was ist bei der Eingewöhnung entscheidend?
- Ruhe, Ruhe, Ruhe
- Anfangs keine Besuche, Individualdistanz gewähren (kein „Zwangsbekuscheln“)
- Kurze Spaziergänge mit Sicherheitsgeschirr und langer Leine in gewohnter Umgebung
- Hunde nicht alleine im Garten lassen
- Zeichen von Stress und Überforderung beachten
- Nicht ableinen in der Anfangsphase
Infoblatt – Leitfaden Angsthund