EINKAUFSTEST: Billigfleisch ohne Gütesiegel – Mangelnde Tierschutzstandards im Lebensmittelhandel

Unser brandneuer Einkaufstest zeigt, dass bei Eigenmarken im Billigsegment der Supermärkte unabhängige Gütesiegel fehlen. Warum das ein massives Problem für Tierwohl und Transparenz ist, was die Supermärkte ändern müssen, welche Rolle die Politik spielt und mehr – HIER! 

Auf einen Blick:  

  • Tierschutz Austrias neuer Einkaufstest: Knapp 4 von 5 der verarbeiteten und etwa die Hälfte der unverarbeiteten Fleischprodukte von Billigeigenmarken tragen kein Gütesiegel
  • Billigprodukte ohne Gütesiegel: Damit gelten ausschließlich die Mindesttierwohlstandards der Herkunftsländer für die Produktion, die weit von einer artgerechten Tierhaltung entfernt sind 
  • Mindeststandards ohne kontrolliertes Tierwohl: Da Ställe gesetzlich im Durchschnitt nur alle 50 Jahre kontrolliert werden, kauft unsere Bevölkerung Produkte, bei denen selbst die Mindeststandards wahrscheinlich nie kontrolliert wurden  

Fehlende Gütesiegel bei Billigfleischprodukten 

Kein einziges Eigenmarken-Produkt im Billigsegment steht für Tierwohl, wie unser neuster Einkaufstest zeigt. Was bedeutet ein Gütesiegel? Welchen Siegeln kann ich vertrauen? Solche Fragen sind für das meiste Billigfleisch der Supermarkt-Eigenmarken von REWE und SPAR damit hinfällig.  

Österreicher:innen kaufen zwei Drittel ihrer Einkäufe ausschließlich bei Geschäften der Lebensmittelkonzernketten SPAR und REWE. Für unseren Einkaufscheck haben wir deshalb bei den Billigmarken Clever, S-Budget und Ich bin Österreich verarbeitetes und unverarbeitetes Fleisch von SPAR und REWE analysiert. Neben rohen Fleischstücken zählen zu unserem Check also Produkte wie Würstchen, Faschiertes, Extrawurst, Schinken etc.  

Wir sind quer durch Wien, Niederösterreich und das Burgenland gefahren, haben zahlreiche Filialen von Spar, Penny, Eurospar, Interspar, Billa und Billa Plus besucht und Produkte deren Eigenmarken „S-Budget“, „Clever“ und „Ich bin Österreich“ verglichen.  Aus Untersuchungen ist bekannt, dass gerade in den letzten Jahren der Anteil der billigeren Eigenmarken in regulären Supermärkten stark gestiegen ist, um mit Diskontern wie Hofer zu konkurrieren. Bei REWE liegt der Eigenmarken Anteil am Lebensmittelgesamtsortiment mittlerweile bei ca. 30 %, bei SPAR sind es sogar 40 % 

Bei über der Hälfte des unverarbeiteten Fleisches und sogar knapp 4 von 5 der verarbeiteten Produkte fehlen jegliche Gütesiegel. Anders ausgedrückt, ist das Fleisch lediglich unter gesetzlichen Mindeststandards produziert worden. Für Schweine, die am häufigsten gegessene Tierart in Österreich, bedeutet das ein kurzes, qualvolles Leben auf Vollspaltenböden, die Missachtung ihrer natürlichen Bedürfnisse und Futter, das aus gentechnisch verändertem, südamerikanischem Soja bestehen darf.  

Billigfleisch wird auch unterhalb österreichischer Mindesttierwohlstandards produziert 

In Österreich ist es weiterhin erlaubt, auch Produkte zu importieren, die im Ausland unterhalb der österreichischen Tierwohlstandards produziert worden sind. Bei den von uns gefundenen ungekennzeichneten Billigeigenprodukte der Lebensmittelketten war nicht bei allen klar ersichtlich, in welchem Land die Tiere vor ihrem Tod gehalten wurden.  

Erfreulich ist der seit Jahren rückläufige Fleischkonsum in Österreich. Mittlerweile liegt der Durchschnitt pro Kopf bei 57,6 Kg (Stand 2023), etwa 12 % weniger als vor 10 Jahren. Gleichzeitig steigt der Anteil der Bevölkerung, der sich als vegetarisch, vegan oder flexitarisch (d.h. mit gelegentlichem, aber reduziertem Fleischkonsum) bezeichnet.  

Parallel dazu wächst der Markt für pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten kontinuierlich und unterstreicht, dass pflanzenbasierte Ernährung zukunftsfähig ist. In nur zwei Jahren (zw. 2020 und 2022) stieg der Umsatz pflanzlicher Varianten von tierischen Produkten, wie Seitanschnitzel und Hafermilch, um 22 %.   

So absurd es klingt, für unterschiedliche Tierarten gibt es unterschiedliche Bedeutungen für das Wort „Herkunft“. Während bei Rindfleisch durch eine EU-weite Regelung klar ersichtlich sein muss, wo ein Tier geboren, gemästet, geschlachtet und zerlegt wurde, sieht die Sache bei Geflügel- oder Schweinefleisch schon wieder anders aus. Sofern es sich nicht um das AMA-Gütesiegel handelt, täuschen auch schöne rot-weiß-rote Flaggen. Oft werden damit lediglich letzte Produktionsschritte, wie das Verpackungsland, gekennzeichnet.  

Das heißt, nicht nur, dass den Konsumentinnen und Konsumenten mit ausländischen Waren größeres Tierleid verkauft wird, als es unten den österreichischen Mindeststandards ohnehin schon üblich ist. Die heimische Landwirtschaft steht damit in Konkurrenz mit einer Intensivtierhaltung, die unter noch widrigeren Lebensbedingungen für die Tiere noch billigere Massenware produziert.  

Preisdruck von Supermarktketten und Schlachthöfen wird auf Tiere abgewälzt  

Tierquälerei in der Intensivtierhaltung ist ein systemisches Problem, das nicht zuletzt aus dem Zwang heraus entstanden ist, immer mehr, immer billiger zu produzieren. Wenige wissen, dass neben den Supermarktketten auch die Schlachthöfe und Fleischverarbeiter entscheidend an der Fleischpreisbestimmung beteiligt sind. Da in Österreich nur eine winzige Hand voll Schlachthöfe den Markt dominieren, können sie durch ihre Größe und Verhandlungsmacht die Preise für Schweinefleisch und andere Fleischsorten beeinflussen.  

Wenn beispielsweise die Erzeugerpreise schwanken, etwa durch internationale Ereignisse wie Seuchenausbrüche (z.B. Afrikanische Schweinepest) oder einer veränderten Exportnachfrage, zahlen Großschlachthöfe den Landwirtinnen und Landwirte weniger pro Tier. Die Großschlachthöfe und Supermarktketten halten ihre eigenen Gewinnmargen auf diese Weise konstant, ohne dass die gestiegenen Kosten für die Fleischproduktion sie selbst oder Endverbraucher:innen in Supermärkten treffen.  

Doch nach der aktuellen Gesetzeslage werden landwirtschaftliche Betriebe, die keine freiwilligen Gütesiegelkriterien erfüllen, im Schnitt nur alle 50 Jahre auf ihre Tierwohlstandards kontrolliert. Das bedeutet, dass Betriebe, die ihre Ställe überbelegen oder anderweitig gegen Tierschutzvorgaben verstoßen, ein sehr geringes Risiko eingehen, erwischt zu werden.  

Besonders alarmierend ist der Befund des österreichischen Rechnungshofs, der Mitte dieses Jahres die Ineffizienz der Tierschutzkontrollen in der Intensivtierhaltung anprangerte und kritisierte, dass Betriebe, die Prämien für zusätzliche Tierwohlmaßnahmen erhalten, trotzdem nicht präferiert kontrolliert werden. Dies zeigt, wie tief das System versagt, wenn selbst Anreize für höhere Standards nicht ausreichend überprüft werden. Lesen Sie HIER, was der Rechnungshof kritisiert. 

Letztlich wird der Preisdruck auf die Tiere abgewälzt – mit fatalen Folgen für das Tierwohl. Aus Berichten von Whistleblowern der Fleischbranchen in Österreich wissen wir, dass bereits jetzt der Druck, möglichst günstig zu produzieren, viele Landwirtinnen und Landwirte zur Überbelegung ihrer Ställe drängt. Jeden Quadratmeter Vollspaltenboden müssen sich dann noch mehr Tiere teilen, als es ohnehin schon erlaubt wäre – ein massiver Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.  

Fazit: 

Der zunehmende Konsum von Billigfleisch fördert ein System, das Tierleid systematisch in Kauf nimmt, um den Profit zu maximieren. Die Verantwortung liegt bei der Politik, durch strengere gesetzliche Vorgaben und häufigere Kontrollen für einen Wandel zu sorgen, der auch die Landwirtinnen und Landwirte nicht auf der Strecke lässt. Gleichzeitig müssen pflanzliche Ernährungsweisen stärker beworben und gefördert werden. Sie bieten eine Möglichkeit, den Fleischkonsum nachhaltig zu reduzieren und den Druck auf Tier, Mensch und Umwelt zu senken.  

Nur durch einen systemischen Wandel, der eine Abkehr von der Billigfleischproduktion hin zu einer nachhaltigen und pflanzenbasierten Ernährungsweise sowie strengen gesetzlichen Vorgaben für Tierwohl und transparente Produktionsstandards ermöglicht, kann der Teufelskreis von Tierleid, Preisdruck und Konsumententäuschung durchbrochen werden. 

 

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Land schafft Leben. (2024). Report Lebensmittelkonsum in Österreich. 

Österreich – Konsum von Fleisch bis 2023 | Statista.  Abgerufen 9. Oktober 2024, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/287317/umfrage/fleischverzehr-in-oesterreich/ 

Pro-Kopf-Konsum von Fleisch nach Art in Österreich 2023 | Statista. Abgerufen 9. Oktober 2024, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/287351/umfrage/pro-kopf-konsum-von-fleisch-in-oesterreich-nach-art/ 

Global 2000, Vier Pfoten. 2021. Der Fleischatlas 2021. (Download: https://www.global2000.at/sites/global/files/Fleischatlas-2021.pdf) 

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