Ende der Eintagsküken – oder doch nicht?

Sogenannte Eintagsküken sind Söhne der Legehennen. Sie sterben bereits an ihrem ersten Lebenstag, weil sich ihre Aufzucht finanziell nicht rentiert. Nun soll eine Tierschutz Novelle in Österreich Abhilfe schaffen, aber wird das Problem damit wirklich behoben?

Schlüpfendes Küken

Eintagsküken sind eine Folge der intensiven Landwirtschaft

Seit der Intensivierung der Landwirtschaft in den 60ern werden unterschiedliche Hühnerrassen für die Eier- und die Fleischproduktion gezüchtet. Während für die Hühnermast beide Geschlechter verwendet werden können, sind männliche Hochleistungs-Legehühner die klaren Verlierer. Sie setzten nur langsam Fleisch an und legen natürlich auch keine Eier. Weil sich ihre Aufzucht damit finanziell nicht lohnt, ist es leider gängige Praxis, männliche Küken nach ihrem Schlupf auszusortieren und zu töten [2].

Bilder von Küken, die in einem riesigen Fleischwolf lebendig zerkleinert werden, gehen immer wieder durch die Presse. Dennoch werden vielerorts ausgesonderte Küken am Fließband kistenweise in Zerkleinerungsmaschinen geworfen oder in CO2-Gaskammern geschifft. Da der Tod beim sogenannten Kükenschreddern sehr schnell eintritt, gilt damit das EU-Gesetz der Betäubungspflicht als erfüllt und die Tötungsmethode als rechtens. Gleiches gilt für die Vergasung in CO2-Gaskammern, obwohl hier sogar ein deutlich längerer Leidesweg in Kauf genommen wird [2].

 

Vergasung bleibt in Österreich für 73 % der Küken erlaubt

Zumindest in Österreich ist das berüchtigte Kükenschreddern bereits seit Längerem ausgesetzt [2], die Tiere wurden deshalb aber nicht länger am Leben gelassen. Noch 2019 sind etwa 8,4 Mio. der 18 Mio. geschlüpften Legehuhnküken vergast worden. Nur etwa 11 % der männlichen Küken wurden aufgezogen. Diese stammten meist aus biologischer Haltung [2]. Dort werden entsprechend einer Branchenvereinbarung schon seit 2016 keine Küken mehr getötet [4, 5]. Glücklicherweise tut sich auch außerhalb der Bio-Branche viel in Österreich. Kurz bevor 2022 durch eine Novelle im Tierschutzgesetz das Kükentöten, für andere Zwecke als die Futtergewinnung, verboten wurde {7, 8], beschloss die gesamte Geflügelbranche bereits freiwillig auf das Kükentöten zu verzichtet [6].

Die Tierschutzgesetz-Novelle wird ab 2023 gültig, doch leider gibt es bei der Novelle zwei Haken. Erstens, sowohl die Tierschutz-Novelle als auch die Branchenlösung der konventionellen Geflügelmast sieht vor, dass Küken weiterhin für die Futtermittelgewinnung getötet werden dürfen [7]. 2019 wurden nur etwa 16 % der toten Küken zur Tierverwertung gebracht und dort zu organischem Dünger, Tierfutter etc. verarbeitet. Fast Dreiviertel und damit der bei weitem überwiegende Teil der Tiere diente schon damals als Futterküken in Greifvogelstationen, Zoos etc. [2] 73 % der 8,4 Mio. 2019 getöteten Küken wären damit auch heute noch legal zu vergasen. Es droht also, dass das Problem der Eintagsküken durch die Nachfrage als Futtermittel nur verschoben, aber nicht gelöst wird.

Des Weiteren wurde in der Novelle festgesetzt, dass das Aussortieren von Küken im Embryonalstadium bis zum 14. Bebrütungstag, wenn auch ab dem 7. Bebrütungstag nur unter Betäubung, erfolgen darf [7]. Am 7. Bebrütungstag entwickelt sich das Schmerzempfinden der Embryonen. Markttaugliche Methoden zur sogenannten In-Ovo-Geschlechtsbestimmung, also der Erkennung männlicher Küken bereits während der Brut [siehe Schon gewusst], sind aktuell aber erst ab dem 8./9. Bebrütungstag zuverlässig anwendbar [6, 9]. Sofern die Methoden nicht noch weiter verbessert werden, sind damit in Österreich betäubende Maßnahmen vor der Tötung der Küken in den Eiern notwendig. Wie genau diese zu erfolgen haben, ist hingegen nicht geklärt.

EU-weites Verbot des Kükentötens möglich

In Deutschland empfinden 67 % der Bevölkerung das Töten mittlerweile als sehr problematisch [3]. Passend dazu regt sich glücklicherweise endlich in vielen europäischen Ländern ernsthafter Widerstand gegen das Töten der Eintagsküken. Mehrere Nationen haben sich bereits verpflichtet das Kükentöten zu beenden. Besonders viele Bio-Branchen setzen bereits auf alternative Lösungen [12, 18].

Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass hier ein Schritt weiter gegangen wird als in Österreich. Seit 2022 ist das Töten von Eintagsküken ausnahmslos verboten, eine Sonderregelung für Futterküken gibt es nicht. Ab 2024 soll auch das Töten von Embryonen nach dem 6. Bebrütungstag verboten werden [17], um damit das Problem der Schmerzempfindung zu umgehen. Man hofft jedoch, dass bis dahin markttaugliche In-Ovo-Geschlechtsbestimmungs-Methoden zur Verfügung stehen werden [10]. Eine flächendeckende Umstellung auf eine weniger intensive Geflügelwirtschaft ist hingegen nicht vorgesehen.

Um EU-weit eine einheitliche Lösung zu finden, wurde die EU-Kampagne „Chick and Duckling Culling in the European Union“ ins Leben gerufen. Von 2023 bis 2025 ist eine Überarbeitung der EU-Rechtsvorschriften zum Tierschutz in der Landwirtschaft geplant, im Zuge dessen das Kükentöten EU-weit verboten werden könnte. Hier setzt die Kampagne an und diskutiert zusammen mit EU-Minster:innen über nachhaltigere Lösungen. Die Kampagne fordert zumindest eine EU-weite Umstellung auf In-Ovo-Geschlechtsbestimmungs-Methoden, anstatt der aktuellen Tötungspraktiken [19].

 

Wir fordern extensive Landwirtschaft statt In-Ovo-Geschlechtsbestimmung

Auch wir von Tierschutz Austria sind natürlich am Kampf gegen Eintagsküken beteiligt und unterstützen die Chick and Duckling Culling-Initiative, um EU-weit ein Verbot des Kükentötens zu erreichen. Wir lehnen aber die In-Ovo-Geschlechtsbestimmung ab. Sie stellt zwar für viele Staaten eine Verbesserung zum aktuellen Status Quo dar, doch auf lange Sicht, werden Probleme der intensiven Landwirtschaft damit nur umgangen. Daher fordern wir, über die Kampagnenziele der EU-Initiative hinaus, auch keine Förderung der In-Ovo-Geschlechtsbestimmung, sondern eine Umstellung auf eine nachhaltigere und extensive Geflügelwirtschaft mit Zweinutzungsrassen [siehe Schon gewusst].

 

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Pro & Contra: In-Ovo-Geschlechtsbestimmung, Bruderhahnenmast und Zweinutzungsrassen

Es wurde bereits eine Reihe möglicher Lösungen ausgearbeitet, die teils auch bereits in Anwendung sind. Besonders die In-Ovo-Geschlechtsbestimmung, Bruderhahnenmast und die Nutzung von Zweinutzungsrassen werden von NGOs, Politik und Landwirtschaft diskutiert. Bei der In-Ovo-Geschlechtsbestimmung soll das Geschlecht der Embryonen noch vor dem Schlüpfen bestimmt werden. Männliche Eier werden daraufhin aussortiert und können für andere Lebensmittel oder Werkstoffe weiterverarbeitet werden. Die Wissenschaft setzt hier auf unterschiedliche Ansätze [1, 9]. Doch obwohl viel Geld und Hoffnung in die Erforschung von In-Ovo-Geschlechtsbestimmungen investiert werden, sind aktuelle markttaugliche Verfahren erst zu einem Zeitpunkt während der Brut möglich, wo die Embryonen bereits Schmerzempfindung entwickelt haben [9]. Anstatt Eintagsküken sterben demnach leidfähige Embryonen [10]. Außerdem bleiben Probleme der intensiven Landwirtschaft erhalten, wie überzüchtete Lege- und Masthühner produziert, die unter Qualzuchtmerkmalen leiden. Zusätzlich machen die anspruchsvolle Technologien der In-Ovo-Geschlechtsbestimmung Betriebe von den Anbietern der jeweiligen Geräte abhängig [11].

Die Bruderhahnenmast stellt eine Querfinanzierungsmöglichkeit dar. Die Brüder von Legehennen werden etwa 8 bis 10 Wochen lang aufgezogen, legen dabei aber nur wenig und langsam an Gewicht zu. Da Geschmack und Textur ihres Fleisches außerdem nicht mit herkömmlichem Polet-Fleisch oder Suppenhühnern vergleichbar sind, werden die Tiere stattdessen billig zu Tierfutter verarbeitet. Um das entstandene finanzielle Defizit auszugleichen, wird die Aufzucht der Bruderhähne durch höhere Eier- und Junghennenpreise querfinanziert. Beim Endverbraucher äußert sich dies in einem Aufschlag von wenigen Cent pro Ei [4, 5]. Doch obwohl die Hähne deutlich länger leben, wird auch hier das Problem der intensiver Geflügel- und Eierwirtschaft nicht gelöst [18. Manche Wissenschaftler:innen argumentieren zudem, dass bei der Bruderhahnenmast letztlich schwer kalkulierbare Zusatzkosten durch Umweltfolgen entstünden, da die Tiere gefüttert, in temperierten Stallungen untergebracht und ihre Exkremente entsorgt werden müssen.

Eine Lösung, die diese Probleme umgehen könnte, ist die Rückkehr zu Zweinutzungsrassen [11, 12]. Vor der Intensivierung der konventionellen Tierhaltung war es üblich Rassen zu züchten, deren Hähne für die Mast und Hennen für die Eierproduktion verwendet werden konnten. Der aktuelle Trend von unterschiedlichen Zuchtlinien entstand dadurch, dass die Leistungen in Fleisch- und Eierproduktion negativ korrelieren. Das bedeutet, je besser Hühner Fleisch ansetzten, desto weniger Eier produzieren sie und umgekehrt. Zweinutzungsrassen sind damit immer ein Kompromiss und können meist nicht die gleiche Leistung erbringen wie dezidierte Lege- oder Masthühner [2, 9]. Doch Zweinutzungsrassen erlauben, dass sich sowohl Fleisch als auch Eier wirtschaftlich selbst tragen können und nicht auf Subventionierungen oder Querfinanzierung angewiesen sind [12].

[1] Krautwald-Junghanns ME, Cramer K, Fischer B, Förster A, Galli R, Kremer F, Mapesa EU, Meissner S, Preisinger R, Preusse G, Schnabel C, Steiner G, Bartels T. Current approaches to avoid the culling of day-old male chicks in the layer industry, with special reference to spectroscopic methods. Poult Sci. 2018 Mar 1;97(3):749-757. doi: 10.3382/ps/pex389. PMID: 29294120.

[2] Land schafft Leben. WARUM WERDEN EIN-TAGESKÜKEN GETÖTET? – DIE WICHTIGSTEN FAKTEN. 2021. Download: https://www.landschafftleben.at/bildung/factsheets/Fakten-Ein-Tages-Ku%CC%88ken-%28c%29%20Land%20schafft%20Leben.pdf

[3] Busse M., Kernecker M.L., Zscheischler J., Zoll F., Siebert R. Ethical Concerns in Poultry Production: A German Consumer Survey About Dual Purpose Chickens. J. Agric. Environ. Ethics. 2019;32:905–925. doi: 10.1007/s10806-019-09806-y. [CrossRef] [Google Scholar]

[4] Bio Austria. Der Hahn, die Henne und das Ei- Neue Entwicklung am Eiersektor. https://www.bio-austria.at/a/bauern/bruderhahn-neue-entwicklung-am-eiersektor/ (aufgerufen: 08. 2022)

[5] Die Eiermacher. Der Hahn, die Henne und das Ei. https://www.eiermacher.at/der-hahn-die-henne-und-das-ei/ (aufgerufen: 08. 2022)

[6] Landwirtschaftskammer Österreich. Männliche Küken: Österreich baut Vorreiterrolle aus. 25. 01. 2022. https://www.lko.at/m%C3%A4nnliche-k%C3%BCken-%C3%B6sterreich-baut-vorreiterrolle-aus+2400+3575456 (aufgerufen: 08. 2022)

[7] Parlament. BGBl. I Nr. 118/2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 130/2022. https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40245981/NOR40245981.html (aufgrufen: 08. 2022)

[8] APA OTS. ZAG – Zentrale Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Geflügelwirtschaft. Geflügelverband ZAG: Tierwohl-Paket setzt neue Maßstäbe in der Geflügelhaltung. 01. 07. 2022.  https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220701_OTS0207/gefluegelverband-zag-tierwohl-paket-setzt-neue-massstaebe-in-der-gefluegelhaltung (aufgerufen: 08. 2022)

[9] Verbraucherzentrale Brandenburg. Tötung von Eintagsküken vorbei – aber nur in Brütereien in Deutschland. 24.02.2022. https://www.verbraucherzentrale-brandenburg.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/toetung-von-eintagskueken-vorbei-aber-nur-in-bruetereien-in-deutschland-11924 (aufgerufen: 08. 2022)

[10] Reithmayer C, Mußhoff O. Consumer preferences for alternatives to chick culling in Germany. Poult Sci. 2019 Oct 1;98(10):4539-4548. doi: 10.3382/ps/pez272. PMID: 31162613. [https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0032579119479741?via%3Dihub

[11] Utopia. Zweinutzungshuhn und Bruderhahn: Diese Initiativen wollen das Kükentöten stoppen. 10.01.2022. https://utopia.de/ratgeber/eier-bruderhahn-zweinutzungshuhn/ (aufgerufen: 08. 2022)

[12] Ökologische Tierzucht gGmbH. Kükentöten vermeiden, aber wie?. Newsletterausgabe September 2017. Download: https://brudertier.bio/oetz_newsletter-1709_mail.pdf.

[13] Hammershøj M, Kristiansen GH, Steenfeldt S. Dual-Purpose Poultry in Organic Egg Production and Effects on Egg Quality Parameters. Foods. 2021 Apr 19;10(4):897. doi: 10.3390/foods10040897. Erratum in: Foods. 2022 Jan 24;11(3): PMID: 33921822; PMCID: PMC8072786.

[14] Schweizer Bauer. Eier von Gentech-Hühnern verpönt. 18.04.2022. https://www.schweizerbauer.ch/tiere/eier-von-gentech-huehner-verpoent/ (aufgerufen: 08. 2022)

[15] transparenz Gentechnik. Nach dem Verbot des Kükentötens: Optische CRISPR-Biomarker statt komplizierte Tests im Ei. https://www.transgen.de/tiere/2694.kuekentoeten-alternative-genome-editing.html (aufgerufen: 08. 2022)

[16] umweltnetz-schweiz.ch. Kükenschreddern verboten – Das Töten geht weiter. https://www.umweltnetz-schweiz.ch/themen/tierschutz/3650-k%C3%BCuekenschreddern-verboten-das-toeten-geht-weiter.html (aufgerufen: 08.2022)

[17] Bundesregierung Deutschland. Kükentöten wird verboten. 14.12.2021. https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/kuekentoeten-wird-verboten-1841098 (aufgerufen: 08. 2022)

[18] Peta. Bruderhahn-Initiativen: Augenwischerei auf Kosten der Tiere. 21.03.2022. https://www.peta.de/themen/bruderhahn-initiativen-verbrauchertaeuschung/ (aufgerufen: 08. 2022)

[19] L214. Stop Grinding and Gassing campaign. https://www.stopgrindingandgassing.eu/ (aufgerufen: 12.2022)

 

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