ERFOLG: Renaturierungsgesetz tritt in Kraft – was nun?

Der Krimi in Brüssel hat ein gutes Ende genommen! Das Renaturierungsgesetz zur Wiederherstellung unserer Natur wird noch diesen Monat in Kraft treten. Was das für uns bedeutet, warum die Donauinsel nicht abgerissen werden muss und mehr – HIER!

Auf einen Blick:

  • Das lang umkämpfte Renaturierungsgesetz tritt am 18.08. endlich in Kraft
  • Bis 2026 erarbeiten die Mitgliedstaaten welche Maßnahmen sie wo umsetzen wollen
  • Die Bevölkerung wird an der Planung und Umsetzung der Maßnahmen teilhaben
  • Österreich hat schon einige erfolgreiche Naturschutzprojekte, auf denen aufgebaut werden kann

EU könnte den Kampf gegen die Biodiversitätskrise gewinnen

Am 18. August tritt es endlich in Kraft: das EU-weite Renaturierungsgesetz. Damit hat die EU als erster kontinentalweiter Länderverband der Welt ein verbindendes Gesetz zur Wiederherstellung der Natur.  Zusammen mit den beiden EU-weiten Naturschutzgesetzen, der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und der Vogelschutz-Richtlinie, könnten wir den Kampf gegen die Biodiveristätskrise doch noch gewinnen!

Renaturierungsgesetz ist das Werkzeug für lange beschlossene Vereinbarungen

Verschiedene internationale Abmachungen der letzten Jahre widmen sich dem Klima- und Artenschutz. Das Pariser-Klimaabkommen von 2015, mit dem sich die Weltgemeinschaft zu längst überfälligen Klimazielen bekannte, und das Montreal-Artenschutzabkommen von 2022, mit dem endlich ambitionierter Arten- und Naturschutz vorangetrieben werden soll, sind nur zwei prominente Beispiele.

Da Biodiversität und Klimaschutz Hand in Hand gehen, braucht es starke Naturschutzgesetze, um die grüne und nachhaltige Wende rechtzeitig zu schaffen. Das Renaturierungsgesetz dient der EU dabei als Werkzeug, um die bereits beschlossene Ziele tatsächlich erreichbar zu machen. Gleichzeitig erfüllt es eine wichtige Vorbildfunktion für andere Staaten.

Fakt ist, dass ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur unbedingt notwendig ist. Die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie sind seit Jahrzehnten in Kraft, trotzdem schreitet die Biodiversitätskrise, also das Verschwinden zahlreicher Arten und Lebensräume, weiter voran. Noch immer verschlechtert sich bei vielen der Erhaltungszustand mehr, als sich bei anderen verbessert. Zwar wissen wir aus langjährigen Untersuchungen, dass uns die beiden bisherigen Naturschutzgesetze vor noch Schlimmerem bewahrt haben, aber auf Dauer hätte das nicht gereicht.

Renaturierungsgesetz gibt das Ziel vor, Mitgliedsstaaten den Weg

Das Renaturierungsgesetz setzt mehrere plakative Ziele, bis wann gewisse Anteile der Natur wiederhergestellt sein sollen. Der Fokus liegt dabei auf Ökosystemen, die ihre biologische Vielfalt verlieren und damit auch ihre natürlichen Funktionen und Dienstleistungen nicht mehr erbringen können, z.B. das Bestäuben von Nutzpflanzen oder die Gewährleistung von sauberem Wasser und frischer Luft. Darüber hinaus sollen bis 2030 auf Unionsebene insgesamt über 3 Milliarden neue Bäume gepflanzt und über 25.000 km freifließende Flüsse geschaffen werden. Ein Zweisäulen-Prinzip soll die Umsetzung der Ziele erleichtern:

1. Die Wiederherstellung GESCHÜTZTER geschädigter Ökosysteme:

  • Bis 2030: Auf mindestens 30 % der Gesamtfläche aller betroffenen geschützten Lebensraumtypen sollen Wiederherstellungsmaßnahmen gestartet sein.
  • Bis 2040: Auf mindestens 60 % dieser Flächen sollen Wiederherstellungsmaßnahmen gestartet sein.
  • Bis 2050: Auf mindestens 90 % dieser Flächen sollen Wiederherstellungsmaßnahmen gestartet sein.

 

2. Die Wiederherstellung ALLER geschädigter Ökosysteme:

  • Bis 2030: Auf mindestens 20 % der Land- und Meeresflächen der EU sollen Wiederherstellungsmaßnahmen gestartet sein.
  • Bis 2050: Für alle Ökosysteme, die der Wiederherstellung bedürfen, sollen Wiederherstellungsmaßnahmen gestartet sein.

Wichtig: Wiederherstellung heißt nicht, eine Landschaft wieder in den ursprünglichen Zustand, vor dem ersten Eingriff des Menschen, zurückzuversetzen! Natur ist laufend im Wandel und auch in stark bewirtschafteten Flächen oder mitten in der Stadt finden sich artenreiche Ökosysteme. Ziel des Gesetzes ist es, diese modernen Ökosysteme zu verbessern und so gegen Klimakrise und Artensterben zu wappnen.

Renaturierungsgesetz braucht gute Umsetzung und Partizipation

Der nächste wichtige Schritt sind die sogenannten Maßnahmenpläne der Mitgliedsstaaten. In den kommenden 2 Jahren müssen alle Mitgliedsstaaten ausführlich darlegen, wie sie mittel- und langfristig für Renaturierung auf ihrem Staatsgebiet sorgen wollen. Diese Pläne werden dann von der EU-Kommission und dem EU-Umweltbüro bewertet und falls nötig zur Verbesserung an die Staaten zurückgeschickt.

Jedes Land bestimmt selbst, wo und wie renaturiert wird

Entgegen vieler Fake News gibt das Renaturierungsgesetz zwar das Ziel, aber nicht den Weg vor. Die Mitgliedsstaaten selbst erarbeiten wo, wie und welche Maßnahmen gesetzt werden, um die Natur innerhalb der eigenen Grenzen wiederherzustellen.

Skurrile Gerüchte, etwa dass die EU fordert, die vor Jahrzehnten künstlich errichtete Donauinsel abzureisen, sind völlig aus der Luft gegriffen und sollen lediglich die Gemüter aufheizen.

Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass Naturschutzgesetze nur dann erfolgreich sind, wenn direkt und auf Augenhöhe mit allen Betroffenen gearbeitet wird. Deshalb ist im Renaturierungsgesetz dezidiert vorgeschrieben, dass verschiedene Interessengruppen, darunter lokale Gemeinschaften, indigene Völker, Landnutzer:innen, Umweltorganisationen und die breite Öffentlichkeit, bei der Erstellung der Maßnahmenpläne eingebunden sein müssen und diese dadurch nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch sozial akzeptabel und praktikabel gestaltet sein sollen.

6 Punkte können die Natur retten

Das Renaturierungsgesetz lenkt den Fokus der Mitgliedstaaten bei ihren Maßnahmenplänen auf 6 Kernaspekte. Zwar lässt das Gesetz den Mitgliedsstaaten frei, welche Maßnahmen sie konkret wo setzen wollen, aber essentiell ist, dass in diesen 6 Bereichen Verbesserungen eintreten sollen, da so der Zustand unserer Natur besonders effizient verbessert werden kann:

  1. Geschützte Lebensräume und Arten: Die Natura 2000-Schutzgebiete und die nach der FFH- und Vogelschutzrichtlinie geschützten Arten und Lebensräume sind von besonderem ökologischem Wert. Indem Schutzgebiete besser vernetzt und Erhaltungsmaßnahmen besser überwacht und koordiniert werden, kann hier noch viel verbessert werden.
  2. Feuchtgebiete und Moorböden: Obwohl Moore nur 3 % der weltweiten Landmassen einnehmen, speichern sie doppelt so viel klimaschädliches CO2 wie alle Wälder gemeinsam. Durch ihre Vernässung, zusammen mit der Wiederherstellung frei fließender, vernetzter Flüsse, wird viel für den Klima-, Arten und Naturschutz erreicht.
  3. Städtische Ökosysteme: Neben der Biodiversität, sind auch unsere Lebensqualität und Gesundheit vom Ausbau und der Wiederherstellung von städtischen Grünflächen, etwa Parks, Gärten, und urbanen Wäldern, abhängig. Außerdem soll die für Mensch und Tier schädliche Lichtverschmutzung endlich eingedämmt werden.
  4. Landwirtschaftliche Ökosysteme: Auch bewirtschaftete Flächen enthalten eine Fülle an wertvollen Arten. In landwirtschaftlichen Gebieten wird deshalb der Fokus auf die Erhaltung von Hecken, Feldrainen, kleinen Feuchtgebieten und anderen Landschaftselementen gelegt, die zur Biodiversität beitragen.
  5. Meeres- und Küstenökosysteme: In Ländern mit Meereszugang wird ein starker Fokus auf die Wiederherstellung von Korallenriffen, Seegraswiesen und anderen marinen Biotopen gelegt. Dazu gehört auch ein nachhaltigeres Fischereimanagement, das Überfischung verhindert.
  6. Bestäuberfreundliche Maßnahmen: Ein Großteil unserer Wild- und Kulturpflanzen sind von Bestäuber-Insekten abhängig. Indem Habitate bestäuberfreundlicher gestaltet werden und der Pestizideinsatz reduziert wird, soll das anhaltende Insektensteben aufgehalten werden (lesen Sie HIER mehr).

Fazit:

Um die staatenübergreifenden Ziele des Renaturierungsgesetz zu erreichen, muss jedes Land seinen Beitrag leisten. Den Mitgliedsstaaten ist freigestellt, wo sie welche Maßnahmen für die Natur setzen wollen, aber es wurden konkrete Schlüsselbereiche (etwa Moore und die Landwirtschaft) ausgemacht, wo Verbesserungen geschaffen werden müssen. Das bedeutet dass dort etwa eine andere Nutzung oder ökologischere Bewirtschaftung stattfinden soll.

Viele werden sich daran erinnern: Als das Renaturierungsgesetz auf der Kippe stand, haben zahlreiche Interessensgruppen, darunter auch wir, dazu aufgerufen, eine von engagierten Personen initiierten Petition zur Rettung des Gesetzes zu unterschreiben. Nachdem über 23.000 Personen diesen Aufrufen gefolgt sind und das Gesetz tatsächlich durch das Einlenken der Umweltministerin Leonore Gewessler beschlossen wurde, hat das Petitionskomitee nun einen Umsetzungsdialog gestartet.

Ziel des Umsetzungsdialog ist es, die Öffentlichkeit über die Inhalte des Gesetzes zu informieren und unterschiedlichste Menschen einzuladen, sich zu beteiligen. Die Ergebnisse werden dann als Ideensammlung, zur Vorarbeit für staatliche Maßnahmen, der Regierung präsentiert.

Besuchen Sie die Website des Umsetzungsdialogs für weitere Informationen und um zu erfahren, wie auch Sie Ihre Stimme einbringen können.

Dialog zur Umsetzung des Renaturierungsgesetzes!

Im Zuge des Renaturierungsgesetzes bleibt auch die ungebremste Bodenversiegelung eine enorme Bedrohungen für unsere Umwelt und Biodiversität. Unterstützen Sie unsere Petition, um den Schutz unserer wertvollen Böden weiter zu stärken und den Flächenfraß einzudämmen. Gemeinsam können wir die Zerstörung unserer natürlichen Lebensräume stoppen!

Zur Petition

Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, „Verordnung (EU) 2024/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2024 über die Wiederherstellung der Natur und zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/869“, Juli 2024. [Online]. Verfügbar unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1991/oj1/93

„Petition – Petition für das Renaturierungsgesetz“. Zugegriffen: 14. Juni 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.renaturierungsgesetz.at/

Renaturierung Umsetzungsdialog, „Der Inhalt des Renaturierungsgesetzes – YouTube“, 17. Juli 2024. Zugegriffen: 25. Juli 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=sFovElp5sIU

„Renaturierung Umsetzungsdialog“. Zugegriffen: 1. August 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.renaturierungsgesetz.at/

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