Feldhamster sind streng geschützt aber vom Aussterben bedroht
In Österreich sind Feldhamster nur in Wien, Niederösterreich und im Burgenland zu finden. Obwohl Feldhamster ursprüngliche Steppentiere sind, leben sie aus Ermangelung natürlicher Lebensräume als Kulturfolger und sind auf ein Leben in Feldern, Brachen, Weingärten, Freizeitflächen und auf Friedhöfen angewiesen [2]. Doch die einheimischen Feldhamster-Bestände gehen etwa seit den 1970ern erheblich zurück und folgen damit dem traurigen Trend anderer Länder.
Mittlerweile werden Feldhamster sowohl durch die Berner Konvention als auch durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie unter Schutz gestellt. Das Wiener Naturschutzgesetzt setzt letztere auf nationaler Ebene um und verbietet alle Formen des Fangens oder der Tötung, ungeachtet der angewandten Methode, sowie die absichtliche Störung der Tiere und die Beschädigung oder Vernichtung ihrer Fortpflanzungs- oder Ruhestätten [3]. Zwar gelten die quirligen Tiere damit auf internationaler, wie auch nationaler Ebene als streng geschützt, doch weiterhin erholen sich ihre Bestände nicht. Im Gegenteil, die Weltnaturschutzunion (IUCN) listet Feldhamster seit 2020 in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet als akut vom Aussterben bedroht [4].
Untersuchungen haben weiters leider gezeigt, dass auch die Bestände hierzulande trotz der vielfältigen Gesetze und Verordnungen nicht ausreichend geschützt sind. In einer von der 22. Magistratsabteilung Wien in Auftrag gegebenen Studie von 2020 wurde der Gesamtzustand der Feldhamster, vor allem hinsichtlich der Populations- und Habitatsqualität, sogar in die schlechteste Kategorie eingestuft. Innerhalb der letzten 10 Jahre sind dabei mehrere Hamster-Vorkommen komplett verloren gegangen. Für andere Gebiete wird prognostiziert, dass ohne spezifische Schutzmaßnahmen auch dort noch innerhalb der nächsten fünf Jahre keine Feldhamster mehr zu finden sein werden [3]. Mittlerweile wird der globale Gesamtbestand auf 20.000 bis 25.000 Tiere geschätzt [2]. In der Bundeshauptstadt leben schätzungsweise noch etwa 3.000 wilde Feldhamster. Umso wichtiger ist also ein angemessener Schutz in ihren verbliebenen Verbreitungsgebieten [3].
Feldhamster in Wien verlieren ihren Lebensraum, werden gejagt und vergiftet
In den Städten drohen den Feldhamstern nicht nur (un-)natürliche Feinde, wie Hunde und Katzen. Vor allem die zunehmende Lebensraumzerstörung durch intensive Landwirtschaft und die illegale Bejagung durch den Menschen zählen zu den Hauptursachen für den anhaltenden starken Rückgang der Feldhamster-Populationen [2].
Besonders problematisch ist die Rattenbekämpfung in Wien. Seit Jahren warnen TierschützerInnen davor, dass mit den handelsüblichen Rattenboxen, auch Feldhamster vergiftet werden [5]. Entsprechend, der Wiener Rattenverordnung, wonach bereits bei der Gefahr eines Rattenbefalls, Maßnahmen zur Bekämpfung zu ergreifen sind, werden diese Fallen in der Regel schon im Verdachtsfall eingesetzt [6]. Sie funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Die Tiere kriechen in die Box und nagen dort an einem wohlriechenden Giftköder. Damit andere Ratten nicht lernen, die Fallen zu meiden, setzt der Tod erst verzögert ein. Das hat aber auch zur Folge, dass das Gift langsam wirkt und sich Vergiftungssymptome über Stunden bis Tage ziehen können. Herkömmliches Rattengift hemmt die Vitamin-K-Synthese in der Leber und stört dadurch die Blutgerinnung. Die vergifteten Tiere verbluten innerlich und leiden dadurch an Atemnot, Hämatomen in den Gelenken und unter der Haut, Blutungen aus allen Körperöffnungen sowie Schockzuständen [7].
Tierschutz Austria belegt: Rattenbekämpfung mit Gift tötet Feldhamster
Anfang des Jahres konnte Tierschutz Austria durch eine toxikologische Analyse der Veterinärmedizinischen Universität München einen eindeutigen Beweis dafür liefen, dass entgegen Beteuerungen aus der Schädlings-Bekämpfungs-Branche, auch Feldhamster durch Rattenboxen zu Tode kommen. Nachdem wir von einer aufmerksamen Dame einen verendeten Hamster erhalten hatten, stellten TierärztInnen in München fest, dass das Tier unwiderlegbar an Giften, die in Rattenködern verwendet werden, verstorben war.
Wir haben gehandelt und konnten bereits erreichen, dass ein amtswegiges Prüfungsverfahren bei der Volksanwaltschaft eingeleitet wurde. Dabei wird nun geprüft, ob die aktuelle Wiener Rattenverordnung im Widerspruch zum strengen Schutzstatus der Feldhamster durch das Naturschutzgesetzt und die Flora-Fauna-Habitats-Richtlinie der EU steht. Das amtswegige Prüfungsverfahren ist noch anhängig. Weiteres hat uns die 28. Magistratsabteilung der Stadt Wien Anfang September zugesichert, dass zumindest im 10. Bezirk, wo ein besonders hohes Feldhamster-Vorkommen festgestellt wurde, auf öffentlichen Flächen keine Rattengiftköder mehr ausgelegt werden. Leider mussten wir am Anfang November zusammen mit dem ORF feststellen, dass auch dort nach wie vor Rattenboxen aufgestellt werden. Auf Nachfrage wurde abermals bestätigt – diesmal durch die 22. Magistratsabteilung – dass sich darum gekümmert werde und die Giftboxen entfernt werden würden [8].
Schaue hier unseren Beitrag beim ORF Bürgeranwalt:
Wien braucht einen Hamsteraktionsplan!
Das Schicksal des Feldhamsters steht symbolhaft für viele österreichische Arten. Der österreichische Biodiversitätsrat hat Mitte November ein Barometer präsentiert, das übersichtlich Österreichs Biodiversitätspolitik, also die Maßnahmen und vor allem die Einhaltung beschlossener Ziele für den Schutz heimischer Arten, bewertet. Wenig überraschend, erzielt Österreich leider nur in einem der 19 Indikatoren ein zufriedenstellendes Ergebnis. Der Biodiversitätsrat sieht darin eine gefährliche Stagnation im Schutz der biologischen Vielfalt [9]. Die Europäische Umweltagentur hat bereits 2020 festgestellt, dass sich mehr als 80 % der durch die Natura 2000 Richtlinie geschützten Arten und Lebensräume in einem mangelhaften Zustand befinden [10]. Daran hat sich wenig geändert, worauf die Europäische Kommission Anfang September Österreich eindringlich dazu aufgefordert hat, EU-Naturschutzvorschriften endlich in nationalem Recht besser umzusetzen [9].
Glücklicherweise gibt es bereits eine ganze Liste an Vorschlägen, wie Wien wieder Feldhamster-freundlicher gemacht werden können. In einem durch die 22. Magistratsabteilung der Stadt Wien in Auftrag gegeben Bericht der Universität Wien wurde ein eigener Maßnahmenplan vorgestellt, um es kurz-, mittel- und langfristig zu ermöglichen, die Feldhamster-Populationen Wiens bezirksabhängig zu retten [3].
Tierschutz Austria setzt sich zudem schon seit Jahren für eine Überarbeitung der aktuell gültigen Rattenverordnung ein. Das Auslegen von Giftködern im Freien, vor allem in den Bezirken mit dem höchsten Feldhamstervorkommen (10., 11., 21. und 22.), muss verboten werden. Wir fordern zudem, dass die Überprüfung, ob Rattenbefall vorhanden ist, unabhängig durch Wildtier-ExpertInnen zu erfolgen hat. Damit können nicht nur Unwissenheit, sondern auch wirtschaftliches Interesse, als Grund für eine Rattenköderauslegung in Feldhamstergebieten, ausgeschlossen werden.
Rechtlich, muss zur Schädlingsbekämpfung außerdem zuerst auf mildere Mittel zurückgegriffen werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel bauliche Mängel, die zu einem erhöhten Rattenbestand führen können (z.B. undichte Kanalrohre), zuerst behoben werden müssen, bevor tödliche Giftköder ausgelegt werden dürfen [8]. Ein Blick in andere Länder kann hilfreiche neue Technologien für gemäßigte Maßnahmen aufzeigen. In vielen US-Städten wird bereits erfolgreich die „Pille für Ratten“, ein von der Umweltschutzbehörde zugelassenes Verhütungsmittel für Ratten, eingesetzt [11].
Fazit:
Feldhamster sind vom Aussterben bedroht und müssen anhand verschiedener Gesetze streng geschützt werden. Gleichzeitig hat Wien mit der Handhabung der Rattenpopulationen zu kämpfen. Fest steht, dass die aktuelle Rattenbekämpfung nicht auf die aktuelle Weise fortgesetzt werden kann, da sonst Feldhamster und andere Tiere durch die Giftköder zu Grunde gehen. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass endlich ein handfester Hamster-Aktionsplan umgesetzt wird.
[1] National Geographic. Dell’Amore C. World’s rarest wild hamster is now critically endangered. 16.07.2020. https://www.nationalgeographic.com/animals/article/common-hamster-named-critically-endangered-europe (aufgerufen: 11.2022)
[2] Komposch B. Bestandserfassung und -evaluierung des Feldhamsters (Cricetus cricetus) im Jahr 2015 im Stadtgebiet Wien. 20.03.2016.
[3] Hoffmann I. Vorkommen und Erhaltungszustand des Feldhamsters (Cricetus cricetus) 2020.
[4] Banaszek, A., Bogomolov, P., Feoktistova, N., La Haye, M., Monecke, S., Reiners, T. E., Rusin, M., Surov, A., Weinhold, U. & Ziomek, J. 2020. Cricetus cricetus. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T5529A111875852. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T5529A111875852.en. (aufgerufen: 11.2022)
[5] OTS. Tierschutz Austria. Tierschutz Austria erstattet Anzeige in Giftboxen-Causa. 30.11.2021. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211130_OTS0153/tierschutz-austria-erstattet-anzeige-in-giftboxen-causa (aufgerufen: 12.2022)
[6] RIS. Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend die Bekämpfung der Ratten (Rattenverordnung). 28.04.2005. https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Gemeinderecht/GEMRE_WI_90101_S410_000/GEMRE_WI_90101_S410_000.html (aufgerufen: 12.2022)
[7] Rattengift Fachportal. Rodentizide Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren. https://www.rattengifte.net/wirkstoffe (aufgerufen: 12.2022)
[8] ORF. Sendung: Bürgeranwalt: Rattenbekämpfung in Wien. 19.11.2022.
[9] Netzwerk Biodiversität Österreich. Biodiversitätsrat. Barometer der Biodiversitätspolitik in Österreich 2022. 16.11.2022. https://www.biodiversityaustria.at/biodiversitaetsrat/ziele-aufgaben/barometer-2022/ (aufgerufen: 11.2022)
[10] European Environment Agency. State of nature in Europe: a health check. Zuletzt verändert: 15.04.2021. https://www.eea.europa.eu/themes/biodiversity/state-of-nature-in-the-eu (aufgerufen: 11.2022)
[11] USA Today NEWS. Elbeshbishi S. Some of America’s most rat-infested cities are trying rodent birth control. Will it work? https://eu.usatoday.com/story/news/nation/2022/06/12/rat-birth-control-after-poison-ban/7512605001/ (aufgerufen: 12.2022)