Interview: Anna Loupal – Amphibienwanderung im Fokus

Lebensraumzerstörung, Straßen und Pestizide machen unseren Amphibien schwer zu schaffen. Anna Loupal, vom Naturschutzbund Wien, koordiniert regionalen Amphibienschutz in unserer Hauptstadt. Wie Amphibienrettungen ablaufen, warum es auch mal gefährlich werden kann und mehr – HIER!

Warum sind unsere Amphibien bedroht?

Lebensraumzerstörung spielt eine große Rolle. Wir zerstören Wälder und Gewässer. Amphibien haben sehr unterschiedliche Strategien entwickelt, um sich fortzupflanzen, aber im Kern brauchen sie alle Wasser. Manche Arten, wie die Wechselkröte, sind sogar auf neu entstehende Tümpel angewiesen. Die finden sich heute immer seltener.

Das nächste Problem ist die Lebensraumzerschneidung, also zum Beispiel Straßen, die Wanderruten der Tiere unterbrechen. Amphibien wie die Erdkröte überwintern im Wald und marschieren dann viele Kilometer bis zu ihren Tümpeln. Da müssen sie über alle Straßen hinweg. Bei einer vielbefahrenen Hauptstraße käme ohne menschliche Hilfe so gut wie kein Tier heil hinüber.

Hinzu kommen Pestizide. Amphibien nehmen viele Stoffe direkt über die Haut auf, auch Sauerstoff für ihre Atmung. Jede Kleinigkeit, die nicht in ihr System passt, richtet aber leider großen Schaden an.

Außerdem gibt es viele Krankheiten, die sich gerade durch Klimawandel und Globalisierung immer weiter ausbreiten. Der Chytridpilz zum Beispiel führt weltweit zu einem Massenausstreben der Amphibien. Er ist furchtbar ansteckend und frisst die Haut der Tiere regelrechten auf. Bei uns in Österreich wurde er auch schon nachgewiesen, welche Auswirkungen er hier hat, wissen wir aber noch nicht. In anderen europäischen Ländern macht er leider schon große Probleme.

Warum brauchen Amphibien gerade zu bestimmten Zeiten Schutz?

Die Fortpflanzungszeit ist die wichtigste Zeit für Amphibienschutz. Die Hin-Wanderung zu den Gewässern ist dabei am heikelsten und die Tiere dabei zu schützen, am effektivsten für die gesamte Art.

Ein einfaches Beispiel: Ein Erdkrötenweibchen legt im besten Fall bis zu 6000 Eier. Stirb dieses Weibchen gehen also 6.000 potenzielle Nachkommen verloren. Wenn von diesen 6.000 Eiern, etwa die Hälfte bis zum Jungtieralter überlebt und dann von den 3.000 Jungtieren, 2.000 Tiere auf der Straße überfahren werden, haben es immerhin noch 1.000 Nachkommen geschafft.

Wie funktioniert Amphibienschutz an den Straßen?

Dafür gibt es drei Methoden: Die einfachste, vor allem, wenn man nicht weiß ob und wie viel gewandert wird, ist abends zu patrouillieren. Mit Kübel, Warnweste und Stirnlampe marschieren  Personen die Straßen entlang und sammeln alle Amphibien auf, die sie finden.

Wenn man weiß, wie viele Tiere wandern, sollte man auf die Zaun-Kübel-Methode erweitern. Holz- oder Kunststoff-Zäune werden jedes Jahr auf beiden Seiten der Straße neu aufgestellt und Kübel auf der straßenabgewandten Seite eingebgraben. Die Tiere wandern zur Straße und fallen in die Kübel, wenn sie einen Weg an den Zäunen vorbei suchen. In den Kübeln haben sie leider Stress, weil sie sich nicht verstecken können. Deshalb brauchen wir hier unbedingt Freiwillige, die zweimal täglich alle Tiere auf die andere Straßenseite bringen.

Das Beste ist aber natürlich ein Amphibienschutztunnel. Dafür wird ein permanenter Zaun aufgestellt, der die Tiere zu einem unterirdischen Tunnel unter der Straße durch leitet. Es funktioniert ähnlich wie die Zaun-Kübel-Methode, nur dass wir keine Helfer:innen brauchen. Das Herausragende an dieser Methode ist, dass dabei auch die Rückwanderung der Jungtiere abgedeckt werden kann. Um bei dem vorigen Beispiel zu bleiben: Mit einem Tunnel würden wir also auch die 2.000 Jungtiere retten, die sonst überfahren werden. Aber leider sind Tunnel ziemlich teuer und brauchen gute Planung.

Du koordinierst viele Zaun-Kübel Aktionen, wie laufen diese ab?

In Wien werden Zäune schon Ende Februar auf beiden Seiten der Straßen aufgestellt (also für die Hin-Wanderung zum Wasser und wieder zurück) und bleiben dort etwa 2 Monate stehen. Freiwillige gehen dann die Strecke ab, fangen alle Tiere, die sie finden und bringen sie, zusammen mit den Tieren aus den Kübeln, auf die andere Straßenseite.

Das ist natürlich viel Arbeit. In Wien helfen deshalb mehrere Hundert Leute im Amphibienschutz. Für eine Strecke habe ich etwa 30-40 Freiwillige, die sich die Dienste aufteilen. Meine Leute gehen in der Regel zweimal täglich, um die Kübel zu kontrollieren. Besonders die morgendliche Kontrolle bei jeder Witterung ist wichtig, da gefangene Tiere sonst der Sonne ausgesetzt werden und sterben könnten.

Wer organisiert eigentlich diese Projekte?

Den Großteil leisten Freiwillige, eine einheitliche Organisation auf Länder- oder Bundesebene gibt es dabei noch nicht. Als regionale Projektbetreuerin vom Naturschutzbund Wien koordiniere und betreue ich zwei fixe Straßenstrecken im 14. Bezirk. Die MA 22, die Umweltschutzabteilung der Stadt Wien, finanziert uns die Zaunaufstellung.

Auch der Verein Gegen Tierfabriken ist in Wien sehr aktiv und betreibt seit Jahren erfolgreichen Amphibienschutz. Viele Strecken werden aber von einzelnen Privatpersonen betreut, da erfährt oft niemand, dass Amphibien wandern und ihnen bereits geholfen wird.

Es gibt den Wunsch all diese Bemühungen zu koordinieren und strukturieren. Letztes Jahr ist deshalb auch ein Projekt des Naturschutzbunds Österreich gestartet, das Netzwerk Amphibienschutz.

Wie kommen die Leute dazu?

Das frage ich mich manchmal auch! Ich habe heuer ca. 300 Menschen zu unterschiedlichen Strecken geschickt. Der Naturschutzbund Österreich betreibt jetzt sehr viel Medienarbeit. Viel ist aber Mundpropaganda. Anrainer:innen kommen zu uns, weil Amphibien in ihrer Wohngegend wandern, oder Leute sprechen mit den Freiwilligen vor Ort.

Ist die Bevölkerung also am Amphibienschutz interessiert?

Definitiv! Die vielen Freiwilligen sind ein eindeutiges Zeichen. Darüber hinaus bekomme ich auch unzählige Anfragen, wenn da oder dort einzelne Amphibien gesehen worden sind. Die Leute fragen, was sie tun sollen, oder wollen, dass etwas unternommen wird. Vieles muss ich dann an die MA 22 weitergeben, denn ich habe leider nicht die Mittel allem selbst nachzugehen.

Auf was müssen sich deine Freiwilligen vorbereiten?

Ich gebe mir sehr viel Mühe, dass alle bestens informiert und vorbereitet sind, daher dauert die Einführung auch ihre Zeit. Man darf beispielsweise nie Desinfektionsmittel anwenden, bevor man die Tiere anfasst. Auch gepuderte Handschuhe schaden ihnen extrem, da Puder die empfindlichen Poren ihrer Haut verstopft.

Manche Leute haben zu Beginn falsche Vorstellungen. Sie glauben, dass sie mit ihren Hunden oder Kindern fröhlich Amphibien retten gehen können. Dabei kann das auch ganz schön gefährlich sein. Oft sind keine Gehsteige an den Straßen. Man geht also mit Warnweste und Lampe im Dunkeln, Nassen und Kalten an engen Streifen vielbefahrener Straßen entlang, während die Autos dicht vorbeikommen.

Außerdem dauert es, bis alle Tiere gefangen und auf die andere Seite gebracht worden sind. Amphibien wandern nur nachts. Wenn das Wetter passt, können schon mal mehrere Hundert Tiere in einer Schicht kommen. Die Morgenschichten sind dafür meist deutlich kürzer, da nur mehr der Rest über die Straße gebracht werden muss und keine neuen Tiere mehr nachrücken.

Was können die Leute tun, um Amphibien zu schützen?

Jede:r ist eingeladen, sich bei mir oder anderen Projekten zu melden!

Als Autofahrer:in sollte man auf gekennzeichnete Amphibienstrecken achten. Die Amphibienwarntafeln (ein grünes Dreieck mit einer Kröte) weisen stark frequentierte Straßen aus. Hier bitte besonders vorsichtig, langsam und achtsam fahren, den damit schützt man natürlich auch die Amphibienretter:innen.

Viele wissen leider nicht, dass Amphibien auch sterben können, wenn man mittig über sie fährt. Der Druck, der dabei unter dem Autoboden entsteht, verletzt Magen und Lunge der Tiere fatal. Um das zu verhindern, sollte man in Amphibienstrecken am besten langsamer als 30 km/h unterwegs sein.

Anna Loupal vom Naturschutzbund Wien ist überzeugt, dass selbst die kleinen Dinge im Leben Großes bewirken können. Deswegen setzt sie sich seit ihrer frühen Kindheit für das Überleben von Frosch, Kröte und Co. an Österreichs Straßen ein. Mittlerweile koordiniert sie, im Auftrag der Umweltschutzabteilung der Stadt Wien, den Amphibienschutz in Wien.

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