Sie sind Umweltjurist. Wie und warum haben Sie diesen Berufsweg gewählt?
Schamschula: Ich habe mich privat schon seit der Schulzeit immer politisch engagiert, auch in Richtung Umweltschutz. Da war es naheliegend, diese Interessen auch im Studium weiter zu stärken. So habe ich neben Engagement in der ÖH auch den Wahlfachkorb Umweltrecht belegt, am ersten MootCourt Umweltrecht teilgenommen (einer simulierten Verhandlung über ein Projekt, an dem mehrere Universitäten teilnehmen) und schließlich ein Praktikum bei ÖKOBÜRO gemacht. Als dort dann eine Stelle frei wurde, habe ich mich beworben und wurde zum Glück genommen. Mir war immer klar, dass ich nicht Anwalt in einer großen Kanzlei werden will, sondern immer auf Seiten der Umwelt kämpfen möchte und ich bin froh, dass das gelungen ist.
Was würden Sie als Ihre größten Erfolge bezeichnen?
Schamschula: Wir sind und waren bereits Partei in vielen Verfahren. Als ich 2014 angefangen habe, war die Beteiligung von Umweltschutzorganisationen an Verfahren außerhalb von Umweltverträglichkeitsprüfungen in Österreich fast undenkbar. Durch strategische Verfahrensführung ist es aber dann gelungen, diesen Rechtsschutz auf Verfahren wie etwa Artenschutz auszuweiten. Das war nicht meine persönliche Leistung, sondern der kombinierte Erfolg vieler Juristinnen und Juristen die daran gearbeitet haben.
Ebenso die erfolgreiche Anfechtung mehrerer Entnahmebescheide für Wolf und Fischotter, wo wir gemeinsam die mangelnde Planung in Österreich aufzeigen konnten. Leider verlagert sich hier aber der Druck jetzt weiter, daher ist der Kampf für besseren Artenschutz in Österreich noch lange nicht zu Ende.
Welche europäischen und nationalen Regelungen sind für den Umweltschutz in Österreich entscheidend?
Schamschula: Es gibt drei rechtliche „Ebenen“ von denen wichtige Regelungen im Umweltschutz ausgehen. Zuerst das Völkerrecht, also Verträge zwischen Staaten wie die Aarhus Konvention über die Beteiligung und den Rechtsschutz der Öffentlichkeit, oder die Berner Konvention zum Artenschutz. Diese Konventionen sind aber nur indirekt verbindlich in Österreich, wenn sie nicht oder nicht ordentlich umgesetzt werden.
Dann gibt es das direkt verbindliche Unionsrecht, hier sind vor Allem die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), die Vogelschutz-Richtlinie, die Wasserrahmen-Richtlinie und die Umweltverträglichkeitsprüfung-Richtlinie (UVP), sowie die Luftqualitätsrichtlinie relevant. Für den Artenschutz sind es primär die beiden erstgenannten, FFH- und Vogelschutz-Richtlinien.
Und schließlich das nationale Recht, das die Richtlinien umsetzt und auch darüber hinaus regelt, hier sind die Kernmaterien auf Seite der Bundesländer die Naturschutzgesetze, sowie Jagd- und Fischereirecht. Auf Bundesebene sind es das Wasserrechtsgesetz, das Forstgesetz, das Abfallwirtschaftsgesetz, das Immissionsschutzgesetz-Luft und das UVP-Gesetz. Auch die Umweltinformationsgesetze sind relevant.
Gibt es in unserer Gesetzgebung Schlupflöcher oder Widersprüche?
Schamschula: Zu viele, um sie hier aufzuzählen. Wir haben prinzipiell in vielen Bereichen hohe Umweltschutzstandards mit Eingriffsverboten, aber der Möglichkeit Ausnahmen zu machen. Das kann die Verwirklichung von Anlagen in Schutzgebieten sein, oder auch der Abschuss eigentlich streng geschützter Arten. Es ist prinzipiell natürlich möglich, Ausnahmen zu machen und manchmal wird es auch nicht anders gehen, aber die strengen Alternativenprüfungen werden oft nicht ausreichend gemacht, oder es fehlt überhaupt an den fachlichen Grundlagen. Ohne ein ordentliches Wolfsmanagement etwa ist dieses „erst schießen, dann fragen“ Vorgehen schlicht nicht gerechtfertigt.
Die Aarhus Konvention erfordert, dass Umweltschutzorganisationen gegen Rechtsakte vorgehen können, die aus ihrer Sicht das Umweltrecht verletzen. Konkret heißt das: wenn etwa ein Bescheid den Abschuss einer streng geschützten Art genehmigt, müssen wir hier Beschwerde einreichen können. Dieses Recht haben sich Umweltschutzorganisationen erst beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) erstreiten müssen, da Österreich es selbst nicht umgesetzt hat. Seit dem EuGH-Urteil Ende 2017 gibt es nun die Möglichkeit und sie wurde auch genutzt. Zahlreiche rechtswidrige Abschussbescheide sind so aufgehoben worden, weil sie Umweltunionsrecht, konkret der FFH-Richtlinie, widersprochen haben.
Jetzt sehen wir aber leider vermehrt, dass Bundesländer nicht mehr Bescheide ausstellen, die wir anfechten können, sondern stattdessen Verordnungen erlassen, die Abschüsse regeln. Das ist doppelt fragwürdig: erstens haben Bescheide und Verordnungen unterschiedliche Funktionen und können nicht beliebig gewählt werden und zweitens steht Umweltschutzorganisationen gegen Verordnungen laut Gesetz keinerlei Rechtsschutz zu. Der Verdacht liegt hier nahe, dass durch diese Konstruktionen etwa die Länder Niederösterreich, Steiermark, Tirol und andere, den Rechtsschutz umgehen wollen. Der Tiroler Landesrat hat dies in einem Interview auch verhältnismäßig deutlich anklingen lassen. Diese Umgehungskonstruktion ist natürlich rechtlich unzulässig, aber uns sind hier – bis die EU-Kommission handelt – vorerst die Hände gebunden. Das ist natürlich frustrierend und auch für den Artenschutz problematisch, weil die rechtswidrigen Entnahmen geschützter Arten so unwidersprochen weitergehen werden.
Wie stark und effizient würden Sie unsere Gesetze im europäischen Vergleich einschätzen?
Schamschula: Da wir einige wesentliche Vorgaben gerade im Naturschutz ohnehin aus EU-Vorgaben entnehmen, ist der Schutzstatus hier ungefähr gleich. Wir hinken aber ausdrücklich beim Rechtsschutz hinter fast allen europäischen Staaten hinterher. Umweltschutzorganisationen müssten eigentlich nach der Aarhus Konvention, die Österreich bereits 1998 unterschrieben hat, viel mehr Rechte haben, als ihnen hier zugestanden wird. Auch im Artenschutz haben wir gerade bei den großen Beutegreifern kein ordentliches Management und setzen viel zu schnell auf Abschüsse statt auf ordentliches Management, wie es das Recht und auch die Biodiversitätsstrategie eigentlich vorsehen würden.
Was können Einzelne tun, um im Umweltschutz aktiv zu werden? Haben wir Rechte?
Schamschula: Ein sehr praktisches Recht ist das Recht auf den freien Zugang zu Umweltinformationen, das jeder einzelnen Person zukommt. Wir haben dazu einen Informationstext mitsamt Muster-Antrag auf unserer Webseite (HIER).
Außerdem kann sich die Öffentlichkeit in Verfahren beteiligen, die sie selbst betrifft, wie etwa Umweltverträglichkeitsprüfungen, wo jemand selbst Nachbar:innen ist. Dort sind Sie allerdings auf jene Punkte beschränkt, die Sie in Ihren eigenen Rechten berühren, Umweltschutzvorschriften können dort nicht vorgebracht werden. Das geht bei UVP-Verfahren nur durch die Gründung einer „Bürgerinitiative“.
Abgesehen davon sind leider die rechtlichen Möglichkeiten stark beschränkt. Wer Interesse am Umweltschutz hat, sollte jedoch überlegen eine NGO zu unterstützen, die dringend Ressourcen brauchen, um sich in Verfahren zu beteiligen.
Was ist Ihre Botschaft an unsere Leser:innen?
Schamschula: Ich möchte gerne zwei aktuelle Probleme im rechtlichen Umweltschutz nennen: Erstens dass Klimaschutz und Natur-/Artenschutz zwei Seiten der gleichen Medaille sind. Wir können nicht das eine ohne das andere lösen. Nur intakte Ökosysteme, die auch CO2 speichern, statt es zu emittieren, sind die Verbündeten, auf die wir im Kampf gegen die Klimakrise dringend angewiesen sind.
Und zweitens, dass wir im Artenschutz auf ordentliches Management setzen müssen. Wölfe und andere Beutegreifer sind nicht „böse“, sondern erfüllen wichtige Aufgaben in ihren Ökosystemen und sind bei uns heimisch. Mit ordentlichem Management können wir ein Zusammenleben aktiv und positiv gestalten, anstatt bei jeder Sichtung sofort zum Gewehr zu greifen.
Weitere Informationen zu Umweltschutz und -recht bei ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung: HIER