Auf einen Blick:
- Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) regelt die europäische Landwirtschaft
- GAP vernachlässigt Tierwohl, Kleinbetriebe und Umwelt und verfehlt EU-Ziele
- Biologische Produktion erhält Kleinbetriebe am besten
Gemeinsame Agrarpolitik und Green Deal im Tauziehen
2020 wurde die europäische Wachstumsstrategie „Europäischer Green Deal“ veröffentlicht. Seither zählt der Green Deal zu den Vorzeigeprojekten der EU, um u.a. endlich eine nachhaltige Trendwende in der Landwirtschaft zu schaffen. Ziele dafür sind etwa bis 2030 chemische Pestizide und den Antibiotika-Verkauf in Tierhaltung und Aquakultur um 50 % zu reduzieren, 25 % der europäischen Landwirtschaftsflächen biologisch zu bestellen und rund 10 % für mehr Biodiversität zu renaturieren [1].
Doch die einflussreichste landwirtschaftliche Regelung der EU ist die länderübergreifende Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), nicht der Green Deal. Mit der GAP wurde vor etwa 60 Jahren ein Finanzierungsprogramm geschaffen, mit dem die Lebensmittelproduktion Europas gezielt gesteuert werden kann. Während ursprünglich vor allem eine Intensivierung der Landwirtschaft angestrebt wurde, versprach die Europäische Kommission die neuste GAP (gültig von 2023 bis 2027) fairer und grüner zu gestalten, um endlich die Ziele des Green Deals erreichbar zu machen [2].
EU-Gelder für die Falschen
Doch so schön die nachhaltigen Ziele klingen, an der Umsetzung hapert es gewaltig. Leider wurde die Chance verpasst, die GAP rechtlich verbindend an den Green Deal zu koppeln. Es werden also keine Verpflichtungen eingefordert, um die wichtigen Nachhaltigkeitsziele auch tatsächlich zu erreichen. Mitgliedsstaaten sind lediglich freundlich dazu angehalten, ihre nationalen Strategiepläne zur Umsetzung der GAP mit dem Green Deal konform zu gestalten. Wenig überraschend hat das bis jetzt kaum funktioniert [2].
Trotz der groß angekündigten Überarbeitung der GAP zur Anpassung an den Green Deal, profitieren außerdem nach wie vor hauptsächlich Großbetriebe von den Subventionen [3]. Indem der überwiegende Teil der Gelder immer noch pro Hektar verrechnet wird, erhalten größere Betriebe dadurch automatisch mehr Unterstützung. Und nicht nur das: Bei manchen Unterstützungszahlungen sind kleinere Betriebe sogar dezidiert ausgeschlossen.
Kleinbetriebe leisten wichtige ökologische Funktionen
Dabei drängen Wissenschaftler:innen schon lange darauf, den Fokus auf eine extensive Landwirtschaft zu richten [4], wie sie viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bereits praktizieren. Kleinere Betriebe sorgen dafür, das vorhandene Flächen vielfältiger und abwechslungsreicher bewirtschaftet werden. Interessanterweise sorgen sie bereits dadurch – unabhängig vom Pestizideinsatz – für eine vielfältigere Artzusammensetzung als bei größeren Betrieben [5].
Viele Kleinbetriebe sind zudem auf Kreislaufwirtschaft ausgerichtet [6]. Das heißt, es wird kein Futter zugekauft und kein überschüssiger Mist zur Entsorgung ins Ausland geschifft. Damit wird nicht nur die Überdüngung der eigenen Flächen verhindert. Es werden auch keine brasilianischen Regenwälder für den Anbau europäischer Futtermittel gerodet und keine asiatischen Ökosysteme mit überschüssigem Stickstoff aus europäischer Gülle belastet.
Mangelnde Unterstützung hält Verschwinden von Kleinbetrieben nicht auf
Durch ihre Arbeitsweisen können Kleinbetriebe in der Regel nicht mit den günstigeren Preisen von Groß- und besonders Intensivbetrieben mithalten. Sie sind also besonders auf finanzielle Unterstützungen von europäischer und nationaler Ebene angewiesen. Entsprechend den Versprechungen von einer grünen und nachhaltigen GAP sollten genau diese finanziellen Benachteiligungen eigentlich ausgeglichen und Anreize geschaffen werden, auf eine ökologischere Landwirtschaf umzusteigen [1].
Doch leider sind Umverteilungs- und Kollektivzahlungen für Kleinbetriebe aktuell zu niedrig, um Überleben zu sichern. Zwischen 2005 und 2013 sind innerhalb der EU fast 30 % aller Kleinbetriebe verschwunden [7]. Obwohl nun also seit mehreren Jahrzehnten bekannt ist, dass ökologisch wichtige Kleinbetriebe aussterben, wird immer noch zu wenig unternommen. Entsprechend einer Analyse von Global2000, dem Institut für Europäische Umweltpolitik und Friends of the Earth Europe schafft es von sieben untersuchten Ländern einzig die Tschechische Republik, ihren Kleinbetrieben tatsächlich den versprochenen positiven Ausblick zu liefern [2].
Österreichischer Strategieplan lässt Kleinbetriebe im Stich und vernachlässigt Tierwohl
Auch Österreich hat einen eigenen GAP-Strategieplan, um die Vorgaben der EU umzusetzen. Unser jährliches Agrarbudget beträgt dabei ca. 1,8 Mrd. Euro [2, 3, 8]. Als Gegenleistung sollen von der Landwirtschaft Leistungen für Umwelt, Tierwohl und Allgemeinheit erbracht werden, die über die Erzeugung von Lebensmitteln hinausgehen. Anders ausgedrückt liegt also auch Österreichs Ziel nicht nur darin, die Bevölkerung zu ernähren, sondern zusätzlich einen sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit Tier und Natur zu pflegen.
Doch Global2000 und Co. haben auch Österreichs GAP-Strategieplan unter die Lupe genommen. Dieser reicht bei weitem nicht aus, um dem europäischen Green Deal zu entsprechen. Wir haben zum Beispiel keine nennenswerten Förderungen für eine nachhaltigere, extensive und flächengebundene Tierhaltung vorgesehen. Der Ausbau von Stallsystemen darf zudem weiterhin zu einem großen Teil ohne entsprechende Umwelt- und Klimaauflagen subventioniert werden. Unweigerlich wird dadurch die Intensivierung der Fleisch- und Milchproduktion weiter vorangetrieben [2].
Auch in Österreich hält der Trend hin zu größeren Betrieben ungebrochen an, sei es bei der Anzahl der gehaltenen Nutztiere oder der Größe der bewirtschafteten Flächen [8]. Bei gleichbleibender nationaler Milchproduktion verschwanden etwa in nicht einmal zwei Jahrzehnten über die Hälfte aller Milchbetriebe, die meisten davon also Kleinbetriebe. Hauptgrund ist das schöne Geld [9]. Das Betriebssterben hält Österreich aber nicht davon ab, sich angesichts der Biodiversitäts- und Klimakrise mit dem im europäischen Vergleich noch relativ großen Anteil an kleinbäuerlicher Landwirtschaft zu schmücken.
Biologische Produktion bewahrt Kleinbetriebe
Wie kann nun aber Kleinbetrieben geholfen werden? Für österreichische Kleinbetriebe lohnt sich eine biologische Umstrukturierung, um die eigene Existenz zu sichern. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich biologisch geführte Kleinbetriebe besser halten können als konventionelle. Während konventionelle Kleinbetriebe zwischen 2003 und 2016 einen Rückgang von 50 % verzeichnen mussten, wurden nur 17 % aller Bio-Kleinbetriebe geschlossen [9]. Kleineren Betrieben, mit weniger als 50 Kühen, und mit einer Spezialisierung auf Bio-Heumilch wird langfristig auch die lukrativste Bewirtschaftungsform prophezeit [10]. Außerdem verlangt der biologische Sektor deutlich höhere Tierwohlstandards, wodurch bestehende Probleme in der Tierhaltung – auch von Kleinbetrieben – reduziert werden.
Fazit
Um die Nachhaltigkeitsziele des Green Deals zu erreichen, müssen extensivere Bewirtschaftungsmethoden erhalten und gefördert werden. Obwohl langsam ein Umdenken in Gesellschaft und Politik erkennbar wird, braucht es noch deutlich weitreichendere und schnellere Verbesserungen der aktuellen Regelungen.
Dazu gehört, dass das Verschwinden der Kleinbetriebe endlich stärker angegangen werden muss. Besonders der Wandel hin zu mehr ökologischer und biologischer Landwirtschaft könnte für kleine Betriebe das Überleben fördern. Von den höheren Bio-Standards würden wiederum Tier und Natur maßgeblich profitieren.
Wir fordern in Österreich eine einheitliche Haltungskennzeichnung tierischer Produkte! Nur so können Verbraucher:innen auf einen Blick erkennen, wie das Tier hinter den Lebensmitteln gelebt hat. Um uns in unserer Forderung zu unterstützen, unterschreibe hier unsere Petition für eine einheitliche Lebensmittelkennzeichnung und folge unserer Kampagne #1fachausgezeichnet!
[1] Europäische Kommission. Europäischer Grüner Deal. https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de (aufgerufen: 06.2023)
[2] GLOBAL 2000. 2022. Green Deal oder gar kein Deal? Eingehende Analyse der GAP-Strategieplane am Beispiel von sieben Ländern.
[3] Der Standard. Prager A, Koch F. 01.12.2022. EU-Agrarförderung landet zu 80 % bei Großbetrieben. https://www.derstandard.at/story/2000141407401/eu-agrarfoerderung-landet-zu-80-prozent-bei-grossbetrieben (aufgerufen: 06.2023)
[4] Boix-Fayos C, de Vente J. 2023. Challenges and potential pathways towards sustainable agriculture within the European Green Deal. https://doi.org/10.1016/j.agsy.2023.103634
[5] Clough Y, Kirchweger S, Kantelhardt J. Field sizes and the future of farmland biodiversity in European landscapes. Conservation Letters. 2020; 13:e12752. https://doi.org/10.1111/conl.12752
[6] Morais T G, Teixeira R F M, Lauk C, Theurl M C, Winiwarter W, Mayer A, Kaufmann L, Haberl H. Domingos T, Erb K-H. 2021. Agroecological measures and circular economy strategies to ensure sufficient nitrogen for sustainable farming. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2021.102313
[7] Groier M, Machold I, Loibl E. 10.2018. Landwirtschaftliche Kleinbetriebe zwischen Nachhaltigkeit und Globalisierung. ISBN: 978-3-85311-117-8.
[8] Bundesministerium Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft. 09.09.2009. Grüner Bericht 2005.
[9] Machold I, Groier M. 2020. Landwirtschaftliche Kleinbetriebe in Österreich zwischen Nachhaltigkeit und Globalisierung.
[10] Bundesanstalt für Agrarwirtschaft. 2012. Integrative Analyse der Wettbewerbsfähigkeit der Milchwirtschaft in Österreich unter besonderer Berücksichtigung der GAP bis 2020.