Von Stopfmast und Lebendrupf – das Leid der Martini-Gans

Trotz Verbot landen noch immer grausam gestopfte und lebendig gerupfte Gänse auf unseren Tellern. Wie die Gastronomie und der Handel rechtliche Schlupflöcher nutzen, warum Transparenz der Schlüssel gegen Tierleid ist und welche tierfreundlichen Alternativen es bereits gibt – HIER!

Gerettete Martinigänse

Auf einen Blick:

  • Festtagsgänse aus Stopfmast: Fast 75 % der in Österreich verzehrten Gänse stammen aus dem Ausland, oft aus Ländern mit tierquälerischen Haltungsbedingungen wie Frankreich, Spanien und Ungarn.
  • Verbot und Umgehung in Österreich: Obwohl die Stopfmast und der Lebendrupf in Österreich verboten sind, werden dennoch gestopfte Gänse importiert und verkauft.
  • Positive Entwicklungen: Die Bevölkerung unterstützt ein Importverbot von Gänsen aus Stopfmast und Lebendrupf; nachhaltige Alternativen und vegane Rezeptoptionen bieten bereits tierfreundliche Möglichkeiten für den Festtag.

Lebendrupf und Stopfmast für den Festtagsbraten

In Österreich ist das grausame Stopfen von Gänsen verboten. Das hält Gastronomie und Handel jedoch nicht davon ab, Fleisch zuvor gestopfter Gänse zu importieren, denn gerade für die traditionelle Martini-Gans wünschen sich viele einen preisgünstigen Gänsebraten.

Viele aus dem Ausland importiere Martinigänse wurden für die Produktion von Stopfleber und Daunenfedern gehalten. Beim Stopfen wird den Tieren mehrmals täglich ein Schlauch durch die empfindliche Speiseröhre in den Magen eingeführt, um bis zu 1 kg Maisbrei mit Schweineschmalz hineinzupumpen – für einen Menschen entspräche das etwa 15 kg Spaghetti täglich. Das Ziel: Die Leber der Tiere schwillt krankhaft auf das Zehnfache ihrer natürlichen Größe an. Wenig überraschend ist die Sterblichkeit bei Stopfgänsen rund 20-mal höher als bei konventionell gehaltenen Tieren (lesen Sie HIER mehr über das Leben von Stopfgänsen und wie Frankreich das Stopfverbot der EU umgeht).

Bei Gänsen aus der Daunenproduktion, werden den Tieren Federn von Hals, Rücken, Bauch und Brust bei lebendigem Leib ausgerupft – ein schmerzhafter und grausamer Prozess, der oft Verletzungen hinterlässt [2]. Obwohl der Lebendrupf in der EU seit 1999 verboten ist [4], erlaubt ein Schlupfloch die Praxis weiter: Da während dem natürlichen Federkleidwechsel der Tiere (= Mauser) die Federkiele nur locker in der Haut stecken, dürfen zu diesem Zeitpunkt Daunen gewonnen werden. Doch da die Mauser bei jedem Tier unterschiedlich einsetzt, hilft diese Regelung den Tieren kaum. Besonders tragisch: Wiederholt gerupfte Vögel liefern weichere Daunen, weshalb sie in ihrem kurzen Leben immer wieder diesem Leid ausgesetzt sind [5].

Fast dreiviertel aller in Österreich verzehrten Gänse werden aktuell aus Ländern importiert, in denen tierquälerische Praktiken nach wie vor üblich sind [1]. Hauptproduzent von Stopfgänsen ist Frankreich, aber auch Spanien, Belgien, Bulgarien, die USA, Kanada und China sind für ihr Billigfleisch aus der Stopfmast bekannt. Besonders außereuropäische Staaten haben oft keine Tierschutzgesetze, also kann hier kaum reguliert werden, was mit den Tieren vor ihrer Schlachtung geschieht [3]. Aber auch innerhalb der EU erschüttern uns Berichte von tierquälerischen Praktiken und zahnlosen Kontrollen, etwa aus Ungarn und Polen [4].

Österreichs Bevölkerung will keine gequälten Gänse

Eine Herkunfts- und Haltungskennzeichnung ist unerlässlich, um Konsument:innen besser über die Lebensbedingungen zu informieren. Eine Umfrage aus 2021 ergab, dass sich 9 von 10 der befragten Österreicher:innen für eine verpflichtende Kennzeichnung nach Herkunft und Haltung sowohl im Handel als auch in der Gastronomie aussprachen. Stopfmast oder Lebendrupf wurden stark abgelehnt und laut den Befragten sollte auch kein Fleisch von gestopften oder lebendig gerupften Gänsen importiert werden dürfen [6].

Haltungskennzeichnung JETZT!

Der Wunsch nach Gänsen aus tierfreundlicherer Haltung besteht also, dennoch scheitert das System. Der Selbstversorgungsgrad mit Gänsen und Enten liegt in Österreich aktuell bei nur 28 %, der Rest wird aus dem Ausland, vor allem Ungarn, zugekauft [7] [8]. Schuld sind die billigeren Preise, die ausländische Massentierhaltungsbetriebe bieten können. Regionale Betriebe, die zumindest nach hiesigen Tierwohlstandards produzieren müssen, werden vom Markt verdrängt.

Es braucht also einen strukturellen Wandel, um der regionalen Landwirtschaft mehr finanzielle Sicherheit bieten zu können und die Abhängigkeit von ausländischen Importen zu verringern. Wir von Tierschutz Austria fordern deshalb seit langem ein Importverbot von Produkten, die unter den hierzulande legalen Mindeststandards produziert wurden.

Pflanzliche Alternativen und Weidegänse boomen

Doch es gibt auch Licht im Dunkeln. Pflanzenbasierte Produkte boomen, wie das vor wenigen Tagen zum ersten Mal stattgefundene AMA-Pflanzenforum für eine pflanzenbasierte Ernährung zeigt. Egal ob für Tierwohl, die Umwelt oder die eigene Gesundheit, immer mehr Menschen jeden Alters entscheiden sich regelmäßig dafür, neue leckere pflanzliche Rezepte auszuprobieren und damit den eigenen Fleischkonsum zu reduzieren.

Außerdem steigt auch die Nachfrage nach tierwohlverbesserten Martinigänsen. Das bereits 1992 gegründete Projekt „Mühlviertler Weidegans“ ist in den letzten Jahren zum Vorbild für zahlreiche Nachfolgeprojekte geworden. Die Gänse werden dabei nicht nur langsamer und mit gentechnikfreiem Futter gemästet, sondern können auch auf Grünflächen grasen. Über 270 österreichische Landwirtschaftsbetriebe produzierten mittlerweile ausschließlich Weidegänse [9].

Fazit

Zusammen mit der Bevölkerung fordern wir eine Haltungskennzeichnung sowie ein Importverbot von Gänsen aus der Stopfmast und dem Lebendrupf. Wer schon heuer sicher sein möchte, dass der eigene Martinibraten tierleidfrei produziert worden ist, kann auf zahlreiche leckere pflanzliche Varianten zurückgreifen. Für wen eine pflanzliche Martini-Gans keine Option darstellt, sollte unbedingt auf Weidegänse, am besten in Bioqualität, zurückgreifen.

Um bei jedem Einkauf auf der sicheren Seite zu sein, bietet die Tierschutzombudsstelle Wien eigene Fleischratgeber an. Erfahre HIER mehr!

Und komplett ohne Tierleid: Auch für Martinsgans-Essen existieren mittlerweile zahlreiche pflanzliche Rezepte, zum Beispiel HIER! Wer lieber in ein Restaurant gehen möchte, findet HIER tolle Lokale!

Sie wollen unseren Martini-Gansln helfen?

Die meisten „Nutztiere“ werden in ein System hineingeboren, das keinen Platz mehr hat, wenn sie ihren „Nutzen“ für uns Menschen verlieren. Auf unserem Titelbild sehen Sie eine Gruppe Martini-Gansln, die vor der Schlachtung gerettet werden konnten. Unterstützen Sie uns bei der Rettung und Versorgung dieser Tiere und ermöglichen Sie ihnen damit ein artgerechtes Leben in Würde.

 

Zum Spendenprojekt!

[1] Ökoreich.at. Das Elend der Martini-Gänse: Fast immer gestopft und lebendig gerupft. 05.11.2021. https://www.oekoreich.com/medium/das-elend-der-martini-gaense-fast-immer-gestopft-und-lebendig-gerupft (aufgerufen: 11.2022)

[2] Süddeutsche Zeitung. Hägler M. Das arme Federvieh. 26.11.2010. https://www.sueddeutsche.de/panorama/gaense-daunen-und-lebendrupf-das-arme-federvieh-1.1028568-0#seite-2 (aufgerufen: 11.2022)

[3] Institute of Animal Law of Asia. Zihao Yu. Animal Law in China. 22.09.2020. https://www.ialasia.org/projects/animal-law-in-china (aufgerufen: 11.2022)

[4] Vier Pfoten. TROTZ EU-WEITEM VERBOT: BRUTALER LEBENDRUPF VON GÄNSEN IN POLEN WEITERHIN ÜBLICH. 02.11.2022. https://www.vier-pfoten.at/unsere-geschichten/pressemitteilungen/2022/november/lebendrupf-von-gaensen-in-polen-weiterhin-ueblich (aufgerufen: 11.2022)

[5] Ökoreich. Blutige Federn: Woher die Daunen für unsere Textilien stammen. 04.10.2022. https://www.oekoreich.com/medium/blutige-federn-woher-die-daunen-fuer-unsere-textilien-stammen (aufgerufen: 11.2022)

[6] OTS.at. VIER PFOTEN Umfrage: 80 Prozent wollen Kennzeichnung der Martinigans nach Herkunft und Haltungsform. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211028_OTS0021/vier-pfoten-umfrage-80-prozent-wollen-kennzeichnung-der-martinigans-nach-herkunft-und-haltungsform-anhang (aufgerufen: 11.2022)

[7] Nachhaltige Tierhaltung Österreich. Daten und Fakten.  https://www.nutztier.at/daten/ (aufgerufen 11.2022)

[8] Kurier.at. Gegen Stopfgänse: Österreicher wollen Haltungskennzeichnung. 28.10.2021. https://kurier.at/freizeit/essen-trinken/gegen-stopfgaense-oesterreicher-wollen-haltungskennzeichnung/401786180 (aufgerufen: 11.2022)

[9] Weidegans. Unsere Weidegänse.   https://www.weidegans.at/wissenswertes/unsere-weideg%C3%A4nse/  (aufgerufen: 09.11.2022)

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