Bejagung trotz ganzjähriger Schonzeit
Hierzulande sind Eichelhäher, Elster, Tannenhäher, Alpendohle, Dohle, Aaskrähe, Saatkrähe und der Kolkrabe zu finden [1]. Generell sind alle diese Rabenvögel in Österreich geschützt, denn obwohl man es aufgrund ihrer charakteristischen Stimmen nicht vermuten möchte, zählen sie zu den Singvögeln und dürften daher aufgrund der Europäischen Vogelschutzrichtlinie nicht getötet werden.
Dennoch werden in den meisten österreichischen Bundesländern regelmäßig Verordnungen zur Bejagung von Rabenvögeln erlassen. In Vorarlberg hat beispielsweise erst kürzlich die Bezirkshauptmannschaft wieder eine Abschussverordnung bis 2025 vorbereitet [2]. Auch andere Bezirkshauptmannschaften wie St. Pölten, Amstetten und Wiener Neustadt haben im Laufe dieses Jahres Ausnahmen für die Schonzeiten verschiedener Rabenvögel erlassen [3]. In Vorarlberg zählen Elster, Eichelhäher und Aaskrähe laut der aktuellen Naturschutzverordung außerdem nicht länger zu den geschützten Vogelarten [4]. Und auch Schonzeiten werden laufend verkürzt, wie erst 2020 in Kärnten [5].
Zudem wurde wiederholt die Erlaubnis für die Verwendung eines sogenannten „Norwegischen Krähenfangs“ erteilt. Das sind eigens für den Krähenfang konzipierte, volierenartige Lebendfallen, die nach einem ähnlichen Prinzip wie Fischreusen funktionieren. Der Begriff Lebendfalle täuscht hierbei, denn Rabenvögel, die gefangen werden, dürfen anschließend getötet werden [z.B. 6]. Derartige Fallensysteme stehen in großer Kritik. Nicht nur weil auch andere Tiere, wie geschützte Greif- oder Eulenvögel, darin gefangen werden können, sondern vor allem, weil sich die gestressten Tiere bei der Suche nach einem Ausweg leicht verletzen können und ohne sachgemäße Versorgung in den Fallen verhungern oder verdursten [7]. In Deutschland ist die Nutzung eines Norwegischen Krähenfangs daher mittlerweile verboten, nicht jedoch in Österreich [8].
Rabenvögel stehen schon lange in der Kritik
Besonders aus dem Landwirtschafts- und Jagdsektor wird immer wieder der Abschuss von bestimmten Rabenvögeln gefordert. Prominentestes historisches Beispiel ist die Saatkrähe. Wie ihr Name verrät, wurden diese Tiere seit jeher eng mit der Ernte assoziiert. Vor dem Einsatz von Pestiziden erfüllten Saatkrähen die wichtige Aufgabe sogenannte Landwirtschaftsschädlinge, wie Larven, Käfer, Engerlinge und Raupen, zu beseitigen. Durch den Pestizideinsatz erweiterten sie ihre Nahrungsquelle notgedrungen auf Feldfrüchte und wurden dafür erbarmungslos bejagt, bis sie in Österreich an den Rande des Aussterbens gedrängt wurden. Schutzmaßnahmen ist es zu verdanken, dass sich die Bestände aktuell wieder erholen [9, 10].
Während Saatkrähen aktuell noch nicht wieder ins Visier gerückt sind, steigt der Druck auf andere Rabenvögel. Ebenso wie die Saatkrähe, weichen auch Aaskrähen in Ermangelung tierischer Nahrung auf pflanzliche aus. Gelegentlich werden Siloballen aufgepickt oder ausgebrachtes Saatgut als leichtzugängliches Futter aufgesammelt. Auch Forderungen den streng geschützten Kolkraben abzuschießen, werden laut. Ihnen wird mitunter angelastet, dass sie gelegentlich neugeborene Lämmer verletzen können [11]. Selbst für das Verschwinden seltener Bodenbrüter und Singvögel werden Krähen und Elstern verantwortlich gemacht [12].
Lösungsmethoden und warum die Jagd keine ist
Die Wissenschaft, der Bio-Landwirtschaftsektor und auch der ökologische Jagdverband beschäftigen sich seit langem mit tierfreundlichen Lösungen gegen Schäden durch Rabenvögel. Durch den Erhalt natürlicher Wiesen wird den Saat- und Aaskrähen eine ausgewogene Ernährung abseits der Felder geboten und zudem die heimische Artenvielfalt geschützt (Unterschreibe hier unsere Petition gegen Bodenversiegelung!). Hecken und Feldgehölze bieten außerdem natürlichen Feinden, wie dem Habicht, Schutz. Auch kann Saatgut vielfach tiefer gesetzt werden, um so außer Reichweite der eifrigen Vögel zu sein. Falls all dies nicht hilft, gibt es bewährte Vergrämungsmethoden, die für die ersten zwei Wochen nach der Aussaat eingesetzt werden können und den Vögeln dennoch keinen Schaden zufügen [13]. Gleichfalls tierschutzkonform können Nutztiere vor Raben geschützt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass das eigentliche Ziel von Kolkraben die Nachgeburten der Mutterschafe sind [14, 15]. Kranke und sehr schwache Lämmer werden zwar gelegentlich angegriffen, doch je gesünder und kräftiger die Schafherden sind und je besser die menschliche Behütung, desto unwahrscheinlicher wird ein Rabenangriff. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte lammenden Muttertiere kurzfristig unterstellen und damit jegliches Restrisiko beseitigen. [16]
Rabenvögel abzuschießen ist hingegen ein gefährlich kurzsichtiger Gedanke, denn ähnlich wie der Fuchs verzehren Rabenvögel unliebe Schädlinge. Ohne Beutegreifer können sich Schädlingspopulationen ausbreiten und zu regelrechten Plagen heranwachsen [17]. Weiteres haben bereits in den 90ern Untersuchungen ergeben, dass ein Abschuss von Rabenvögeln keinen Vorteil für Niederwild-, Bodenbrüter- oder Singvogel-Populationen mit sich bringt. Das mag zwar verwunderlich klingen, liegt aber daran, dass durch Krähen und Elstern hauptsächlich Jungvögel erbeutet werden. Falls ein Gelege zerstört wird, brüten viele Vogelarten deshalb erneut und gleichen so den Verlust noch im selben Jahr aus. Schlechte Witterungsbedingungen durch die Klimakrise oder die Zerstörung ihres Lebensraums kann hingegen nicht kompensiert werden und ist für den Rückgang vieler bedrohten Tierarten hauptverantwortlich [z.B. 18, 19, 20].
Fazit
Rabenvögel müssen vielerorts als Sündenböcke für das Versagen beim Artenschutz herhalten. Ein weitsichtigerer Schutz von Ökosystemen und der Einsatz bereits etablierter, tierschutzkonformer Alternativen machen die Jagd auf die klugen Tiere überflüssig. Im Einklang mit dem ökologischen Jagdverband und der Bio-Landwirtschaft fordern wir von Tierschutz Austria daher, dass der Schutzstatus von Rabenvögeln endlich ernst zu nehmen und die Jagd auf sie ausnahmslos zu beenden ist.
[1] Jagdfakten.at. Federwild in Österreich. https://www.jagdfakten.at/uebersicht-federwild/ (aufgerufen: 11.2022)
[2] vorarlberg.ORF.at. Krähen und Elstern auf der Abschussliste. 10.07.2022. https://vorarlberg.orf.at/stories/3163263/ (aufgerufen: 11.2022)
[3] RIS. Verordnung der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten, mit der die Ausnahme von den Schonvorschriften für Vorheriger SuchbegriffRabenNächster Suchbegriff- und Nebelkrähen, Elstern und Eichelhäher für die Jagdjahre 2022/2023 im Verwaltungsbezirk St. Pölten verordnet wird. VBl. PL Nr. 4/2022. 29.06.2022.
[4] RIS. Verordnung der Landesregierung zur Durchführung des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrVbg&Gesetzesnummer=20000467 (aufgerufen. 11.2022)
[5] RIS. Verordnung der Landesregierung vom 15. Dezember 2020, Zl. 10-JAG-1934/1-2020, betreffend die Verkürzung der Schonzeit für die Aaskrähe (Raben- und Nebelkrähe) – 2020. https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/LgblAuth/LGBLA_KA_20201216_110/LGBLA_KA_20201216_110.html (aufgerufen: 11.2022)
[6] RIS. Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Horn, mit der die Erlaubnis für die Verwendung von Krähenfängen für Raben- und Nebelkrähen, Elstern und Eichelhäher für die Jagdjahre 2022/2023 verordnet wird. https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvb/BVB_NI_BN_20220414_6/BVB_NI_BN_20220414_6.pdfsig (aufgerufen: 11.2022)
[7] Spiegel Wissenschaft. Bethge P. Massentod im Krähenfang. 20.03.2005. https://www.spiegel.de/wissenschaft/massentod-im-kraehenfang-a-16c8e27e-0002-0001-0000-000039774242 (aufgerufen: 11.2022)
[8] Krähenjagd.eu. Nordische Krähenfang. https://www.kraehenjagd.eu/nordische-kraehenfang-und-kraehenfalle/ (aufgerufen: 11.2022)
[9] Peter H. Die Bestandsentwicklung der Saatkrähe (Corvus frugilegus) in Österreich 1955-1994. 1995. https://www.zobodat.at/pdf/EGRETTA_38_2_0099-0108.pdf
[10] Ranner A, Dvorak M, Gattermayer M, Samwald O, Schütz C. Brutbestandsentwicklung der Saatkrähe (Corvus frugilegus) im Burgenland von 2005 bis 2010. https://nationalparkneusiedlersee.at/media/1876/2010-saatkraehe_burgenland_ranner_etal.pdf
[11] Agrarheute. Laut Schätzung töten Raben Tausende Lämmer im Jahr. 20.11.2018. https://www.agrarheute.com/land-leben/laut-schaetzung-toeten-raben-tausende-laemmer-jahr-549688 (aufgerufen: 11.2022)
[12] Naturschutzbund. Reichholf J H. Krähenvögel – Finstere Zeiten für die klugen Schwarzen. https://naturschutzbund.at/artenschutz/articles/kraehenvoegel-finstere-zeiten-fuer-die-klugen-schwarzen.html (aufgerufen: 11.2022)
[13] Ökolandbau.de. Saat- und Rabenkrähe (Corvus frugilegus, C. corone corone). Letzte Aktualisierung: 26.07.2010. https://www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/pflanzenschutz/schaderreger/schadorganismen-im-ackerbau/verschiedene-kulturen/saat-und-rabenkraehe-corvus-frugilegus-c-corone-corone/ (aufgerufen: 11.2022)
[14] National Geographic. Fischer K. Sind Rabenvögel in Deutschland zur Plage geworden?. 25.08.2022. https://www.nationalgeographic.de/tiere/2022/08/sind-rabenvoegel-in-deutschland-zur-plage-geworden (aufgerufen: 11.2022)
[15] Rowley I. An evaluation of predation by ‘crows’ on young lambs. 1969. CSIRO Wildlife Research 14, 153-179. https://doi.org/10.1071/CWR9690153
[16] Deutschlandfunk Nova. Wann Raben Lämmer jagen. 25.03.2019. https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/geschuetzte-vogelarten-wann-raben-laemmer-jagen (aufgerufen: 11.2022)
[17] Nabu. Zur Bejagung von Rabenvögeln. https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/jagd/rabenvogeljagd.html (aufgerufen: 11.2022)
[18] Epple, W. (1997 a): Rabenvögel. Göttervögel, Galgenvögel, Ein Plädoyer im Rabenvogelstreit. Verlag G. Braun, Karlsruhe.
[19] Mäck, U., M.-E. Jürgens, P. Boye & H. Haupt (1999): Aaskrähe (Corvus corone), Elster (Pica pica) und Eichelhäher (Garrulus glandarius) in Deutschland. Betrachtungen zu ihrer Rolle im Naturhaushalt sowie zur Notwendigkeit eines Bestandsmanagements. Natur und Landschaft 74: 485-493.
[20] Knief, W. & P. Borkenhagen (1993): Ist eine Bestandsregulierung von Rabenkrähen und Elstern erforderlich? Ein Untersuchungsbeispiel aus Schleswig-Holstein. Natur und Landschaft 68: 102-107.