Wie steht es um österreichische Gewässer und unsere Fischbestände?
Das ist keine simple Frage, denn es gibt verschiedene Eigenschaften eines Gewässers. Aber eines ist klar: Die Fischbestände sinken, und zwar auch ohne den Fischotter. Das ist besonders in der Schweiz gut untersucht.
Hierzulande steht es besonders bezüglich der Gewässermorphologie, also der Form der Gewässer, schlecht. Viele, vor allem auch kleine Bäche wurden begradigt und oft in sogenannte Trapezprofile gezwängt. Das heißt, ein Bach wird an beiden Ufern von steilen Böschungen eingefasst und hat dadurch wenig Ausbreitungsspielraum. Damit fehlen elementare Gewässerstrukturen, die für Fische essenziell wären. In solchen Gewässern jagt der Fischotter auch leichter seine Beute.
Verheerende Mängel gibt es auch im Bereich der Hydrologie: die Wassermenge, das Abflussverhalten und auch die Temperatur der Gewässer wurde fast überall von uns Menschen grob verändert, vor allem durch Wasserkraftwerke. Aber auch Hochwasserrückhaltebecken, die Hochwasserspitzen kappen sollen und damit im Unterlauf der Gewässer, also den untersten Abschnitten der Flüsse, keine entsprechende Gewässerdynamik mehr zulassen, haben einen großen Einfluss auf unsere Fischbestände. Durch die geringere Gewässerdynamik fehlt im Unterlauf oft das richtige Sediment im Bachbett, um den diversen Kieslaichern unter den Fischen geeignete Laichsubstrate zu bieten. In Folge können sie sich schlechter vermehren.
Glücklicherweise sind die Fließgewässer Österreichs in den letzten 50 Jahren zumindest deutlich sauberer geworden. Das ist primär der Errichtung und dem ordnungsgemäßen Betrieb der Kläranlagen zu verdanken. Damit werden den Gewässern aber auch sehr viele Nährstoffe entzogen und das macht sich dann über die gesamte Nahrungskette diverser Lebewesen in den Gewässern bis hinauf zu den Fischen bemerkbar. Fische wachsen daher langsamer und werden weniger groß, was Angler:innen natürlich nicht freut.
Wenn nicht der Fischotter, wer ist dann für einen schlechten Zustand unserer Fischbestände verantwortlich?
Neben den eingangs beschriebenen Effekten möchte ich da die vielfältigen Auswirkungen der Wasserkraftwerke betonen. Dazu gehören vor allem Restwasserstrecken, Hydro-Peaking und Stauraumspülungen. Restwasserstrecken sind jene übriggebliebenen Gewässer, von denen zuvor Wasser zu den Kraftwerksturbinen abgeleitet worden ist. Im natürlichen Bachbett bleibt meist nur ein kläglicher Wasserrest, wodurch den Fischen ihr natürlicher Lebensraum genommen wird.
Das sogenannte Hydro-Peaking dient der Spitzenstromerzeugung. Dafür wird intervallweise ein großer Schwall Wasser durch die Turbinen abgelassen. Auf die dabei entstehenden täglichen Hochwasser können sich viele Fische, allen voran die Fischbrut und Jungfische, nicht einstellen. Nur wenige überleben. Zudem müssen Stauräume der Kraftwerke als notwendige Wartungsmaßnahme immer wieder vom Schlamm befreit werden. Die Stauräume werden ausgelassen und der Schlamm treibt flussabwärts, was ebenfalls Tausende Fische tötet.
Natürlich spielt auch der Klimawandel eine zunehmende Rolle: Viele Gewässer erwärmen sich im Sommer deutlich stärker, bei meist sinkenden Wasserständen. Viele Fische, insbesondere Forellen, vertragen das nicht. Außerdem fördert eine erhöhte Wassertemperatur die Ausbreitung von Fischkrankheiten, allen voran die Proliferative Nierenkrankheit (PKD), die für Bachforellen sehr gefährlich ist. PKD hat sich vor allem durch den Fischbesatz der Angelfischerei, also dem Aussetzten von angelbaren Fischen in Gewässer, schnell weit verbreitet und tötet viele Jungfische.
Man könnte noch viele Aspekte anführen, manche sind auch sehr wenig untersucht. Wie wirken sich beispielsweise Insektizide, die auf Äckern ausgebracht werden, auf Wasserinsekten und damit auf die Fischbestände aus? Was bewirkt der Eintrag von Antibiotika- und Hormonrückständen in den Gewässern?
Wie wird aktuell versucht den Fischrückgang zu verhindern?
Angler:innen versuchten bisher dem Fischrückgang durch den künstlichen Besatz von fangfähigen einheimischen und fremdländischen Fischen entgegenzuwirken. Die meisten Landesfischereigesetze verlangen sogar fast schon nach einem Besatz – eine Denkweise tief aus dem vorigen Jahrhundert. Verbrämt und verkauft wird der Fischbesatz dabei gerne damit, dass natürliche Laichplätze nicht ausreichend vorhanden wären und die Fischbestände durch Besatz hochgehalten werden müssten. Wir wissen aber heute, dass Besatzfische nur kurz für die Angler:innen verfügbar sind, nach zwei Wochen sind sie verschwunden.
Warum Besatzfische verschwinden, ist ungeklärt. Aber obwohl empirische Daten fehlen, wird der Otter verantwortlich gemacht. Mit dem Hinweis, Besatz käme einer Otterfütterung gleich, sind Angler:innen nun zunehmend dazu übergegangen, weniger zu besetzen und stattdessen den Abschuss der Otter zu forcieren. Dass bis jetzt nicht überzeugend nachgewiesen werden konnte, ob die Tötung von Ottern überhaupt zu einem Erstarken der Fischbestände führt, ist nebensächlich.
Statt Fische nachzubesetzen oder Jagdkonkurrenten wie den Fischotter zu bejagen, sollte lieber eine Verbesserung der Ökosysteme angestrebt werden, um das Überleben der Fische nachhaltig zu sichern. Denn mit Sicherheit wissen wir, dass die Lebensgrundlage der Fische zerstört wird und immer weniger Jungfische überleben.
Was ist Ihre abschließende Botschaft über unser Zusammenleben mit dem Fischotter?
Ich möchte festhalten, dass der Fischotter kein Luxus ist. Er erfüllt an der Spitze der Nahrungskette wichtige Funktionen, die bislang kaum beachtet und untersucht worden sind. Außerdem hält uns der Otter einen Spiegel vor, wie sehr wir die Fließgewässer durch Wasserbau und Nutzung der Wasserkraft verstümmelt haben und wie unnatürlich die fischereiliche Bewirtschaftung seitens der Anglerschaft geworden ist.
Mittelfristig kann der Otter uns also helfen, dass unser Umgang mit den Fischen und ihren Lebensräumen wieder nachhaltiger wird. Die Begehrlichkeiten der Wasserkraftnutzung vor dem Hintergrund der Klimakrise werden wegen des Otters aber wohl nicht geringer werden und bald wird auch der klägliche Rest an frei fließenden Gewässern für die Stromerzeugung genutzt werden. Ob wir damit den Klimawandel stoppen und einen sinnvollen Beitrag leisten? Mit meinen Kindern muss ich jedenfalls schon jetzt sehr weit fahren, um ihnen einen annähernd natürlichen Fluss zeigen zu können.
Dr. Andreas Kranz ist als Wildökologe selbständig tätig und beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit dem Fischotter, seiner Ausbreitung, seinen Auswirkungen auf die Fische und den Möglichkeiten eines gemeinsamen Miteianders von Fischotter und Mensch.
Sie haben den ersten Teil unseres spannenden Interviews mit Andreas Kranz verpasst? Lesen Sie HIER wie, warum und wo Fischotter in Österreich wieder bejagt und welche Interessen dabei wirklich verfolgt werden.