Wolfs Gutachten – Schlupfloch im Artenschutz?

Der Wolf polarisiert und sein gesetzlicher Schutz wird häufig zu untergraben versucht. Erst kürzlich, am 18. 11. 2021, haben Abgeordnete von ÖVP und FPÖ im oberösterreichischen Landtag einen Initiativantrag für eine Gesetzesnovelle des Oberösterreichischen Jagdgesetzes eingebracht [1]. Angesichts dessen wollen wir euch kurz die Bedeutung solcher potentiellen Änderungen erklären. Außerdem haben wir euch ein paar Auszüge eines brandaktuellen Gutachtens von Priv.-Doz.in. Dr.in Teresa Weber zusammengefasst, das sich im Auftrag des Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) mit der Vereinbarkeit des Wolfsabschusses in Österreich mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU beschäftigt [2]. Abschließend erfahrt ihr ein paar wichtige Fakten, die für den Erhalt des Wolfs in Österreich sprechen und mit gängigen Mythen aufräumen [3].

Was bedeutet die oberösterreichische Gesetzesnovelle?

Die oberösterreichische Gesetzesnovelle sieht vor, dass künftig Genehmigungen zur Tötung geschützter Arten über den Verordnungsweg erlangt werden können. Per entsprechender Verordnung soll es künftig möglich sein, die ganzjährige Schonzeit von streng geschützten Tierarten, wie Wolf, Graureiher oder Fischotter, zu umgehen und den Abschuss von angeblichen „Problemtieren“ zu erleichtern.  Die bisherigen Einzelfallprüfungen würden damit wegfallen und die betroffene Öffentlichkeit ihre Möglichkeit verlieren, sich an der Entscheidung zu beteiligen.

Bisher steht anerkannten Natur- und Tierschutz-NGOs nach der Aarhus-Konvention eine Parteistellung zu und sie können gegen Abschussbescheide Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht einreichen. Dieses Beschwerderecht ist EU-weit verankert und soll sicherstellen, dass geschützte Arten nicht wegen unvollständigen oder fehlerhaften Genehmigungen getötet werden können. Die Prüfung einer Verordnung hingegen, kann nicht von Natur- und Tierschutz-NGOs beantragt werden. Ein streng geschütztes Tier könnte also zum Abschuss freigegeben werden, ohne dass die Zivilgesellschaft durch NGOs die Möglichkeit hätte, Einspruch zu erheben oder eine genauere Prüfung der Sachlage zu fordern. Daher würde eine derartige Gesetzesnovelle auch gegen EU-Recht verstoßen [1].

Wie wichtig ein derartiges Beschwerderecht von NGOs ist, wurde erst neulich gezeigt, als Anfang Dezember 2021 das Landesverwaltungsgericht Tirol einen Wolf-Abschussbescheid als rechtswidrig aufgehoben hat, nachdem WWF und Ökobüro eine Beschwerde eingereicht hatten. Ein Wolf sollte getötet werden, nachdem er für angeblich 59 Risse an Almtieren verantwortlich gewesen sei. Genetisch zugeordnet konnten ihm aber nur 9 Risse werden. Das Gericht entschied schließlich, dass die erteilte Abschussgenehmigung nicht garantieren könne, dass das richtige Tier abgeschossen werden würde und erklärte die Genehmigung für ungültig [4].

Ist der Wolf ein gefährdetes Tier?

Auch wenn man in Österreich häufiger die Meinung hört, dass der Wolf nicht gefährdet sei und deshalb getötet werden könne, wird damit ein verzerrtes Bild gezeichnet. Zwar gilt der Wolf als Art in Europa als ungefährdet, die für Österreich relevante alpine Wolfspopulation ist allerdings in der Roten Liste der Säugetiere Europas als gefährdet eingestuft. Eine derartige Einstufung bedeutet, dass eine Art entweder gefährdet (VU – Vulnerable) oder stark gefährdet (EN – Endangered) ist, in naher Zukunft auszusterben, oder bereits heute vom Aussterben bedroht wird (CR – Critically Endangered) [5]. In Österreich gilt der Gefährdungsgrad des Wolfes damit weiterhin als sehr hoch und als „vom Aussterben bedroht“.

Die Wolfsjagd ist unionsrechtswidrig!

Gegen die Bejagung des Wolfes sprechen nicht nur ethische und tierschutzrelevante, sondern auch rechtliche Gründe. Der Wolf ist in den „Berner Konvention“ als streng zu schützende Art gelistet, für deren besonderen Schutz sich die unterzeichnenden europäischen Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, verpflichtet haben [3].

Außerdem ist der Wolf in den Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU (kurz FFH-Richtlinie) in den  Anhängen II und IV9  gelistet und  somit normiert als prioritäres Schutzgut. Für diese Arten ist ein strenges  Schutzsystem vorgeschrieben, das in den natürlichen Verbreitungsgebieten dieser Tierarten  alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung verbietet. Da sich die Richtlinien an alle Mitgliedstaaten richten, ist auch Österreich verpflichtet, FFH-Gebiete für den Wolf auszuweisen, und zwar in einem Umfang, der dazu geeignet ist, einen günstigen Erhaltungszustand dieser Art wiederherzustellen [2].

Ein neues Rechtsgutachten von Priv.-Doz.in. Dr.in Teresa Weber, welches vom Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) in Auftrag  gegeben wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass sich Landesgesetzliche Rechtsgrundlagen, die die FFH-Richtlinie nur mangelhaft umsetzen, als unionsrechtswidrig erweisen. Das Gutachten untersuchte besonders die Vereinbarkeit der rechtlichen Grundlagen für den Abschuss von Wölfen in Kärntner und Salzburg mit den FFH-Richtlinien  und kommt beide Male zu dem Schluss, dass weder der Kärntner Wolf-Bescheid, noch die Salzburger Wolf-Verordnung mit der FFH-Richtline der EU vereinbar sind [2].

Fakten und Mythen: Der Wolf und Österreich

Als Großräuber nimmt der Wolf eine wichtige Position im Ökosystem ein und sorgt dafür, dass die Beutepopulation kontrolliert wird und gesund bleibt. Die Reviergröße einer Wolfsfamilie hängt vom Nahrungsangebot ab und kann von 75 km² bis zu 2.500 km² reichen. Da Wölfe sehr territorial sind und sich deswegen Reviere von Wolfsrudeln nicht überschneiden, wird der Wolfsbestand natürlicherweise durch die Reviergrößen reguliert. Dadurch kann es auch zu keiner Überpopulation von Wölfen kommen [3].

Trotzdem wurde der Wolf als Jagdkonkurrent zum Menschen, ab dem 15. Jahrhundert erbittert gejagt und verfolgt. Der letzte in Österreich lebende Wolf wurde 1896 getötet. Danach gab es 120 Jahre keine reproduzierenden Wölfe in Österreich mehr. Erst im Jahr 2016 wurde erstmals wieder ein Wolfspaar mit Nachwuchs gesichtet. Aktuell weiß man von nur drei Wolfsfamilien in Österreich (Stand 22. 12. 2020). Zusammen mit den wenigen gesichteten Einzelwölfen leben ungefähr 40 Wölfe in Österreich. Damit befindet sich Österreich im Europäischen Vergleich an vorletzter Stelle [3].

Die in Märchen und anderem oft vermittelte Angst vor Wolfsangriffen auf den Menschen ist vollkommen unbegründet. Seit 40 Jahren gab es in der gesamten EU keinen einzigen nachgewiesenen tödlichen Angriff eines wildlebenden Wolfes auf einen Menschen [3]. Im Vergleich dazu lag die Zahl der Straßenverkehrstoten allein in Österreich im Jahr 2020 bei 338 Personen [7].  Es ist statistisch gesehen also um einiges wahrscheinlicher, von einem Auto oder einer Kuh umgebracht zu werden, als auch nur von einem Wolf angegriffen zu werden.

Geht es denn nicht auch anders?

Häufig wird behauptet, dass Herdenschutzmaßnahmen in Österreich nicht möglich seien und man Weidetiere nur durch Abschüsse schützen könne. Diese Behauptung, lässt sich dadurch widerlegen, dass in anderen alpin geprägten europäischen Staaten mit deutlich mehr Wolfsbestand, wie Italien oder Rumänien, eine Koexistenz zwischen Weidetierhaltung und Wölfen funktioniert. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Herdenschutzmaßnahmen, vor allem der Einsatz von Herdenschutzhunden, Angriffe vom Wolf auf Nutztiere viel effektiver verhindern können als ein Abschuss [6].

Das Herdenschutzmaßnahmen derartig effektiv sind, liegt daran, dass der Wolf ein Nahrungsopportunist ist und somit Nahrung präferiert, die leicht und mit möglichst wenig Risiko zu erreichen ist. Untersuchungen in Deutschland mit 3.501 Wolfslosungen haben ergeben, dass Haustiere, wie beispielsweise Schafe, in Summe maximal ein Prozent der Nahrung der Wölfe ausmachen [3].

Natürlich ist es hierbei wichtig Personen, die Weidetiere halten, in Entscheidungen mit einzubinden und finanziell bei der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen zu unterstützen.

Fazit:

Zusammenfassend, ist der Wolf als Großräuber ein wichtiger Bestandteil eines gesunden Ökosystems. In Österreich ist der Wolf vom Aussterben bedroht, trotzdem wird immer wieder sein Abschuss gefordert. Diese Abschüsse sind meist unionsrechtswidrig, die Angst vor Wolfsangriffen auf den Menschen dagegen statistisch unbegründet und die ohnehin schon seltenen Angriffe auf Weidetiere ließen sich mit effektiven Herdenschutzmaßnahmen deutlich verringern.

Es ist ein Armutszeugnis, dass es ein reiches Land wie Österreich nicht schafft, dem Wolf einen Platz einzuräumen, sondern immer wieder über den Abschuss debattiert.  Wie können wir von anderen Ländern verlangen, dass sie ihre Großfauna, wie Löwen, Tiger, Elefanten oder Leoparden, schützen, wenn wir es nicht einmal selbst schaffen, mit unserer heimischen Großfauna angemessen zu koexistieren?

Wer sich weiter informieren will, kommt hier zum Download eines Wolfsgutachtens der NGO Protect.

Quellen:

[1] APA-OTS Angriff auf Umwelt und Tierschutz in Oberösterreich (aufgerufen: 23. 12. 2021, um 10:30)

[2] Weber, Teresa. Rechtsgutachten: Vereinbarkeit der rechtlichen Grundlagen für den Abschuss von  Wölfen in Kärnten und Salzburg mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU. 2021. Wien.

[3] Protect (2021): Rechtliche und fachliche Aspekte des Wolfsschutzes, Studie im Auftrag der Oö. Umweltanwaltschaft, 15. Januar 2021, 77 pp.

[4] red. tirol.ORF.at: LVwG hebt Wolf-Abschussbescheid auf (aufgerufen: 12. 12. 2021, um 17:15)

[5] Rote Liste Gefährdeter Tierarten

[6] Front Ecol Environ 2016; 14( 7): Frontiers in Ecology and the Environment

[7] Statista: Verkehrsunfaelle in Österreich (aufgerufen: 23. 12. 2021, um 12:30)

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