Auf einen Blick:
- Tiervideos generieren viele Klicks und damit viel Geld für Großkonzerne und Creator:innen
- Tierrettungsvideos sind meist gestellt und die Tiere werden absichtlich für Klicks gequält
- Großkonzerne sträuben sich gegen Tierquälerei vorzugehen.
Tierquälerei bringt Grosskonzernen viel Geld
Unter dem makabren Titel “Crocodile Attacks 2021 Latest crocodiles live feeding only” erregte wieder ein YouTube-Video mit Tierquälerei viel Aufmerksamkeit. Lebendige Welpen wurden in einen Fluss gestoßen und einem Krokodil zum Fraß vorgeworfen.
Dass es sich dabei um tierquälerischen Inhalt handelt, steht außer Frage. Dennoch blieb das Video über fünf Monate online, erhielt über 250.000 Views und über 1.200 Likes [1]. Das ist leider kein Einzelfall. Die Social Media Animal Cruelty Coalition (SMACC), eine Koalition mehrere international aktiver Tierschutzorganisationen, wurde 2020 ins Leben gerufen, um geschlossen gegen Tierquälerei im Internet vorzugehen [2].
2021 veröffentlichte SMACC einen ausführlichen Recherchebericht, für den in Summe 5.480 Tiervideos auf YouTube, Facebook und TickTock analysiert worden sind. Das Ergebnis: In 77.5 % kamen Tiere offensichtlich und sogar beabsichtigt zu Schaden [3]. Durch die Tierschutzorganisation Lady Freethinker, Mitgliedsorganisation von SMACC, wurde weiters aufgedeckt, dass tierquälerischer Content auch trotz Meldungen der Nutzer:innen über Monate online und abrufbar bleibt [4]. 2021 beschloss Lady Freethinker daraufhin, YouTube für ihren Umgang mit Tierquälerei zu verklagen. Im März 2022 ist die Anhörung vor dem Kalifornischen Gericht [5].
Lukrative Einnahmen sind der Hauptgrund warum große Internetkonzerne wie YouTube so wenig für Tierwohl tun. YouTuber:innen verdienen beispielsweise nach einem pay-per-view System: externe Partner bezahlen dafür, dass ihre Werbeanzeigen in vielgesehene Videos geschalten werden. YouTube kassiert dann etwa 45 % der Einnahmen. Da gerade Tiercontent viel Reichweite bekommt, wird damit besonders viel Umsatz gemacht. Lady Freethinker schätzt, dass bei den 2.000 durch sie analysierten Videos, Content-Creator:innen circa 15 Millionen Doller und YouTube selbst etwa 12 Millionen Doller Profit gemacht haben [4].
INSZENIERTE TIERRETTUNGSVIDEOS führen zu Tierquälerei
Besonders beliebt sind Videos von vermeintlichen Tierrettungen. Für Tierliebhaber:innen ist es natürlich erfreulich, zu sehen wie Menschen sich liebenswürdig um verletzte und hilflose Wesen kümmern. Wenig überraschend, erhalten derartige Videos enormen Zuspruch.
Doch leider sind meisten Tierrettungen inszeniert [6]. Bei vielen Kanälen werden fast täglich vor laufender Kamera Tiere aus misslichen Situationen befreit. Enten, die scheinbar zufällig gleich zu mehrt in dasselbe Ölbad gefallen waren, Katzen, die sich aus unerfindlichen Gründen in skurrile Behälter gezwängt haben sollen und dort stecken geblieben sind, ein ganzer Wurf Welpen, der irgendwo im Nirgendwo unter Schutt und mit Teer verklebt gefunden wird – die Liste ist endlos.
Häufig werden immer dieselben Tiere eingesetzt. Teilweise sind sogar Tiere aus den eigenen Zuchtbetrieben der Content-Creator:innen im Einsatz, die nach erfolgreicher Inszenierung über Umwege teuer verkauft werden. Obwohl die Fülle an vermeintlich zufälligen Unfällen zu Denken geben sollte, bleiben entsprechende Kanäle über Jahre erfolgreich aktiv.
Gestellte Tierrettungen folgen meist einem typischen Schema:
- Zu Beginn wird ein in Not geratenes Tier gezeigt, dass angeblich zufällig gefunden wurde.
- Anschließend wird die Not des Tieres ausführlich vor der Kamera gezeigt, bevor die eigentliche Rettung beginnt.
- Zuletzt folgt ein Schnitt, der das Tier einige Wochen oder Monate später munter und gesund zeigen soll.
- Unterlegt wird das ganze Video mit dramatischer Musik und plakativen und oft nur schlecht übersetzten Untertiteln. Oft veröffentlichen mehrere Kanälen dasselbe Video oder verlinken aufeinander, um noch mehr Klicks zu bekommen.
YOUTUBE UND CO. wollen nicht handeln
YouTube selbst verweist auf seine strengen Community Richtlinien, die natürlich auch Tierquälerei verbieten, und gibt an, gemeldete Videos routinemäßig zu löschen. Ende März 2021 verkündete YouTube zudem inszenierte Tierrettungen vollständig zu verbieten [6, 7]. zum einen seien Algorithmen im Einsatz, die hochgeladenen Content auf verbotene Inhalte scannen. Zum anderen hätten User:innnen die Möglichkeit, Videos und Beiträge zu melden, wodurch diese nachträglich gelöscht werden sollen. Das sogenannte YouTube Trusted Flagger program soll das Melden von Videos für Individuen, Behörden und NGOs zusätzlich erleichtern.
Leider hat eine Analyse von World Animal Protection bereits gezeigt, dass YouTubes Richtlinienänderung nicht mehr als einen kleinen Knick in der immer steiler werdenden Kurve an veröffentlichten Tierrettungsvideos bewirkt hat [8]. Auch weiterhin genügen einfache Suchbegriffe, um hunderte tierquälerische Videos auf der Plattform zu finden. Videos mit Titeln wie „15 Heartbreaking Animal Rescues“, „Best Animal Rescues of the 2021”, “Covered in solid tar puppies trapped in their own bodies, only their eyes could move, rescued” erreichen nicht selten mehrere Millionen ZuseherInnen. Übrigens wurde Lady Freethinker für das YouTube Trusted Flagger program ohne nähere Erläuterung abgelehnt [9].
UPLOADFILTER SIND AUCH GEGEN TIERQUÄLEREI MÖGLICH
Sind Großkonzerne wie YouTubes und Co. also nicht in der Lage, Videos, die bereits im Titel von einer Tierrettung sprechen, automatisch zu löschen? Natürlich nicht. 2019 stimmte die EU für eine Urheberrechtsreform, die die Rechte von Künstler:innen besser schützen sollen und die große Online-Plattformen dazu verpflichtet, selbst Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Dafür scannen sogenannte Uploadfilter Inhalte, schon während diese auf den Plattformen hochgeladen werden, auf Urheberrechtsverletzungen.
Der Protest der Konzerne gegen Uploadfilter war enorm. YouTube und Co. klagten über Zensur und prophezeiten ein Ende des freien Internets. Zweierlei Maß, denn Uploadfilter sind in keiner Weise eine futuristische Neuheit und scheinen nur dann problematisch zu sein, wenn es um geldbringende Urheberrechte geht. Wie bereits erwähnt, setzen größere Plattformen wie YouTube schon seit Jahren auf eigene Filter-Algorithmen , um Inhalte zu blockieren, die gegen die konzerneigenen Richtlinien verstoßen. Auf diese Weise werden auf YouTube jährlich Millionen Videos, beispielsweise wegen gewaltverherrlichendem, extremistischem oder kinderpornographischem Inhalt, gelöscht. Allein im ersten Quartal 2020 belief sich die Summe auf circa 11,4 Millionen gelöschte Videos [11].
Auch Österreich ist seit 2019 dazu verpflichtet, die neue EU-Richtlinie in seine Gesetze aufzunehmen und umzusetzen. Mit reichlicher Verspätung wurde im Dezember 2021 ein entsprechendes neues Urheberrecht im Nationalrat beschlossen und ist seit 2022 in Kraft [10]. Plattformen mit großer Reichweite wie Google, Instagram und YouTube müssen daher künftig auch in Österreich verpflichtend den von ihren User:innen hochgeladenen Content auf Urheberrechtsverletzungen hin kontrollieren. Bei nicht-Einhaltung drohen Strafen.
WAS kann ich selbst TUN?
Da jedes angeklickte Video den Betreiber:innen weiter Geld bringt, sollten verdächtige Videos natürlich weder angeklickt noch geteilt werden. Ist man sich unsicher, hilft oft ein Blick auf den Kanal und die Überschriften und Thumbnails der übrigen Videos. Je mehr Leute bestimmte Tiervideos meiden, desto weniger Nachfrage besteht und desto unattraktiver wird der Dreh. Gerade tierliebe Menschen sind sehr anfällig für Tierrettungen, daher leistet jede:r bereits einen großen Beitrag, indem das eigene Umfeld aufgeklärt wird.
User:innen von großen Online-Plattformen wie YouTube haben zudem die Möglichkeit, Videos, Kommentare und Beiträge zu melden. Dabei kann gezielt auf Tierquälerei hingewiesen werden. Außerdem bietet YouTube für Individuen, NGOs und Behörden die Möglichkeit dem YouTube Trusted Flagger program beizutreten und damit den Meldeprozess zu beschleunigen und Informationen zu getroffenen Entscheidungen über gemeldete Inhalte einzusehen [12].
POLITIK MUSS STÄRKER AUF DIE DURCHSETZUNG POCHEN!
Aber das Problem darf und soll nicht allein auf User:innen abgewälzt werden! Gegen Gewalt an Menschen sind erfolgreich Filter im Einsatz und auch gegen Urheberrechtsverstöße kann nun EU-weit vorgegangen werden. Die Werkzeuge sind da.
Jetzt liegt es an der Politik, zu handeln! Wir fordern, dass betreffende Unternehmen endlich auch für Tierwohl in die Pflicht genommen werden. Bereits geltende Gesetze und Richtlinien müssen stärker auf ihre Einhaltung hin kontrolliert und bei Verletzung muss auch schärfer sanktioniert werden. Falls sich Gesetzeslücken ergeben, müssen diese natürlich rasch legistisch geschlossen werden.
[1] Newsweek. White R. Horrific Video of Live Dogs Being Fed to Crocodiles Stayed Live on YouTube for 5 Months. 2022 02. 14. https://www.newsweek.com/horrific-video-live-dogs-being-fed-crocodiles-stayed-live-youtube-5-months-1678919 (aufgerufen: 03.2022)
[2] Asia For Animals Coalition. Social Media Animal Cruelty Coalition (SMACC). https://www.asiaforanimals.com/smacc
[3] SMACC. Making Money from Misery. 2021. https://www.asiaforanimals.com/smacc-report (aufgerufen: 03.2022)
[4] Lady Freethinker. Youtube: Profiting from Animal Abuse. 2020. https://ladyfreethinker.org/youtube-investigation-animal-abuse/ (aufgerufen: 03.2022)
[5] The Guardian. Doward J. YouTube must remove videos of animal cruelty, says charity. 19. 12. 2020. https://www.theguardian.com/world/2020/dec/19/youtube-must-remove-videos-of-animal-cruelty-says-charity (aufgerufen: 03. 2022)
[6] DasDing. Rapp D. YouTube: Darum sind „Tierrettungs-Videos“ verboten. 15.07.2021. https://www.dasding.de/update/tierquaelerei-videos-youtube-tiktok-100.html (aufgerufen: 03. 2022)
[7] YouTube. Richtlinien zu gewaltverherrlichenden oder grausamen Inhalten. https://support.google.com/youtube/answer/2802008?hl=de (aufgerufen: 03.2022)
[8] World Animal Protection US. Views that abuse: The rise of fake “animal rescue” videos on YouTube. 2021. https://www.worldanimalprotection.us/blogs/views-abuse-new-report-highlights-cruel-fake-animal-rescues-youtube (aufgerufen: 03.2022)
[9] National Geographic. Fine Maron D. Tierquälerei auf YouTube: Wie Tiere für Fake-Videos missbraucht werden. 09.07.2021. https://www.nationalgeographic.de/tiere/2021/07/tierquaelerei-auf-youtube-wie-tiere-fuer-fake-videos-missbraucht-werden (aufgerufen: 03.2022)
[10] Parlament. Nationalrat beschließt Urheberrechts-Novelle 2021 für digitales Umfeld. https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2021/PK1480/#XXVII_NRSITZ_00137
[11] FAZ. Hanfeld M. Zweierlei Maß. 09.09.2020. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/wie-youtube-in-grossem-massstab-uploadfilter-einsetzt-16943697.html (aufgerufen: 03.2022)
[12] YouTube. YouTube Trusted Flagger-Programm. https://support.google.com/youtube/answer/7554338?hl=de (aufgerufen: 03.2022)